27 Mai 2008

Südamerika: Russische Waffen auf beiden Konfliktseiten

Kolumbien will mit russischen Waffen Venezuela in die Schranken weisen

MOSKAU, 27. Mai (RIA Novosti). Kolumbiens Vizepräsident Francisco Santos wird Anfang Juni zu einem Besuch nach Russland kommen, schreibt die russische Zeitung "Kommersant" am Dienstag.

Laut Informationen des Blatts wird das Hauptthema des ersten so hohen Besuchs in der Geschichte der Beziehungen zwischen beiden Ländern die militärtechnische Zusammenarbeit Russlands mit Venezuela sein. Darüber besorgt, dass das Regime von Hugo Chavez sein militärisches Potential aufstockt, ist Kolumbien voll entschlossen, das Kräftegleichgewicht zu erhalten. Darum ist Caracas bereit, in Russland Waffen zu kaufen. Im Tausch dafür will Bogota Moskau dazu bewegen, die Waffenlieferungen an Venezuela zu verringern.

Nach Ansicht von Experten sind Kolumbiens Angebote für Moskau günstig. "Russland ist an einer pragmatischen, viele Vektoren umfassenden Politik in Lateinamerika interessiert, deshalb wird Moskau schwerlich nur ein einziges Land bevorzugen", sagt Wladimir Dawydow, Direktor des Lateinamerika-Instituts an der Russischen Akademie der Wissenschaften. "Ich denke, Russland wird auf Kolumbiens Angebot positiv reagieren."

Zur Zeit ist die militärtechnische Zusammenarbeit zwischen Russland und Kolumbien äußerst gering. "In den letzten fünf Jahren haben wir den Kolumbianern nur einige Mi-17-Hubschrauber geliefert. Und das vor dem Hintergrund des drei Milliarden schweren Pakets der militärischen Lieferungen an das benachbarte Venezuela, eines Pakets, zu dem auch 24 SU-30MK2V-Jagdflugzeuge gehören", sagt Iwan Konowalow, stellvertretender Direktor des Zentrums für Analyse von Strategien und Technologien (Moskau).

Seiner Meinung nach erinnere die heutige Situation paradoxerweise an die nicht sehr weit zurückliegende Zeit des Kalten Krieges, in der die Teilnahme der UdSSR am lateinamerikanischen Rüstungsmarkt nur durch politische Faktoren bestimmt wurde. Das politische Establishment der USA spricht bereits alarmierend vom Südamerika-Fall als einem Teil der sich abzeichnenden Wiedergeburt der Großmacht Russlands und als dem Wunsch des Kreml, den USA erneut weltweit Paroli zu bieten.

"Dabei sind hier keine politischen Hintergründe zu suchen", sagt Konowalow nachdrücklich. "Lauter finanzielle Interessen. Die USA haben selbst einen vorteilhaften Markt verloren, als sie 2005 das Embargo für Waffenlieferungen an Venezuela einführten."

"Andererseits war die 'Öffnung' des lateinamerikanischen Marktes für die Entwicklung des russischen Militärindustrie lebenswichtig", setzt der Experte fort. "Der chinesische und der indische Waffenmarkt - lange Zeit hindurch die Hauptzentren unserer militärischen Lieferungen - sind schon seit langem mit 'Eisen' übersättigt, und die militärtechnische Zusammenarbeit mit diesen Ländern stellt sich allmählich auf den High-tech-Bereich um. Deshalb betrachten die russischen Waffenproduzenten heute Südostasien, Nordafrika und Lateinamerika, wo vor allem zuverlässige und nicht allzu teure Militärtechnik notwendig ist, als die aussichtsreichsten Regionen."

Es steht nicht unbedingt fest, dass Moskau bereit ist, seine Zusammenarbeit mit Oberst Chavez abzubauen. Zumindest sagte gestern eine Quelle aus der russischen Militärindustrie: "Das ist keine kommerzielle, sondern eine durch und durch politische Frage, und sie wird auf höchster Ebene gelöst werden."


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