22 Mai 2008

Horst Köhler strebt zweite Amtszeit als Bundespräsident an

+wikinews+ Berlin (Deutschland), 22.05.2008 – Trotz noch unklarer Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die laut der Verfassung in Deutschland den Präsidenten wählt, will der amtierende Bundespräsident Horst Köhler für eine zweite Amtszeit kandidieren. Das kündigte der Bundespräsident heute in einer Presseerklärung auf seinem Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin an. Die Wahl des Bundespräsidenten wird am 23. Mai 2009 stattfinden.

Die Unionsparteien, CDU und CSU, sowie die Freien Demokraten hatten sich in den letzten Wochen bereits für eine erneute Kandidatur des amtierenden Bundespräsidenten ausgesprochen. Die SPD und die Grünen haben sich bezüglich einer eigenen Kandidatenaussage bisher noch nicht festgelegt. Aus SPD-Kreisen wurde in den letzten Tagen jedoch bekannt, dass die Aufstellung einer eigenen Kandidatin für das höchste Staatsamt erwogen wird. Als wahrscheinlich gilt es, dass die Wahl dabei auf Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt, fallen wird, die bereits einmal im Jahr 2004 gegen Horst Köhler kandidiert hatte, jedoch nicht die notwendige Mehrheit der Stimmen in der Bundesversammlung auf sich vereinigen konnte. Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) kritisierte die SPD wegen einer möglichen Aufstellung eines eigenen Kandidaten sofort heftig. Die SPD sei dabei, in der Frage der Bundespräsidentenwahl ein Bündnis mit der Linkspartei einzugehen.

Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung erlauben keine sichere Prognose für den Ausgang der Bundespräsidentenwahl. Je 612 Vertreter des Bundestags und der Länderparlamente sind in der Bundesversammlung vertreten. Um gewählt zu werden, benötigt ein Kandidat für das Amt mindestens 613 Stimmen. Diese Mehrheit von gerade 613 bis 614 wäre Köhler sicher, wenn tatsächlich alle Abgeordneten, die der CDU, CSU und FDP angehören, für Köhler stimmen. Wenn alle anderen Mitglieder der Bundesversammlung in der Bundesversammlung für eine denkbare sozialdemokratische Kandidatin stimmen würden, kämen rechnerisch 606 Stimmen zusammen. Der Unterschied zwischen den beiden möglichen Kandidaten wäre also nicht sehr groß. Da sich jedoch weder die Grünen noch die Linkspartei bisher auf einen Kandidaten festgelegt haben, gibt es noch Unsicherheiten bezüglich eines Wahlausgangs. Als weiterer Unsicherheitsfaktor kommt der Ausgang der Wahl in Bayern noch hinzu. Stimmenverluste für die CSU könnten die Anzahl der Stimmen des Lagers, das für Horst Köhler stimmen wird, weiter verkleinern.

Bis es so weit ist, müssen sich die Parteien jedoch noch in der Kandidatenfrage festlegen.

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wwj-Ergänzung: Presseerklärung von Bundespräsident Horst Köhler 22.05.2008


"Ich habe mich entschlossen, im kommenden Jahr erneut für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Ein Jahr vor der Bundesversammlung sollte Klarheit herrschen. Dieses von mir gegebene Wort löse ich heute ein.
Ich bin mit dem Wunsch angetreten, unserem Land etwas zurückzugeben von dem, was es mir gegeben hat. In den vergangenen Jahren habe ich mich darum bemüht. Zugleich ist mir deutlich geworden, wie viel ich den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes verdanke.
Ich habe gelernt, wie viel guter Geist in uns steckt und mit welchem Einsatz und mit welcher Zuversicht wir für Verbesserung sorgen. Ich habe unsere Stärken erlebt, aber mir sind auch manche Schwächen bewusster geworden.
Die Bürgerinnen und Bürger haben mir in den vergangenen Jahren viel Unterstützung gegeben. Darüber habe ich mich gefreut, und auch ihre Kritik hat mir geholfen. Deutschland, unser Land, ist vorangekommen in den vergangenen Jahren. Es gab Veränderungen, die notwendig waren. Das war auch mit Härten verbunden. Niemand kann behaupten, schon alle Antworten zu haben. Doch wir sollten den eingeschlagenen Weg der Erneuerung weitergehen, jeder von uns da, wo er Verantwortung hat, und zugleich in der Gemeinschaft.
Ich möchte den Prozess von Bewahren und Wandel in Deutschland weiter begleiten und fördern. Wir gehen diesen Weg, damit wir und unsere Kinder es auch in Zukunft gut haben werden.
Sie können sich darauf verlassen, dass ich mein Bestes gebe."