Es kann zwar keine "historische Gerechtigkeit" geben, auch keine "Wiedergutmachung", aber ich halte es für richtig, wenn sich Deutschland solcher Verbrechen nicht bloß mit krokodilstränigen Sonntagsreden bekennt, sondern auch zum Zusammenhang von historischer Schuld und Entwicklungshilfeverpflichtung.
01 Juli 2017
09 August 2014
Anderes Nachdenken über Hiroshima
Vielleicht lässt sich dieser Streit auf folgende Weise beilegen: Der Pilot des Enola Gay B29 Bombers hieß Paul Tibbets und verstarb 2007 im Alter von 92 Jahren.
Wenn man ihm glauben mag, hielt er seinen Atomwaffeneinsatz zeitlebens für eine "patriotische Pflicht".
Vielleicht glaubte er es wirklich, denn es wurde ihm immer wieder von namhaften Historikern und den Mächtigen in Politik, Militär und Gesellschaft mit hohen Auszeichnungen gedankt.
War Tibbets das tapfere Schneiderlein? Und Hunderttausend auf einen Streich?
Das ist ein makaberer Vergleich zwischen Märchen und Realität, aber immerhin wäre er mit recht hoher Wahrscheinlichkeit tapferer und es für ihn beschwerlicher gewesen, wenn er die 70.000 "Soforttoten" vom 6. August nicht mit der einen großen Bombe hätte erledigen müssen, sondern mit 70.000 einzelnen, sauberen Kopfschüssen in die Stirn von Kindern, Frauen, Greisen usw.? Und viel weniger Tod wäre gewesen über den Tag hinaus.
Trotzdem hätte man das tapfere Schneiderlein dafür wahrscheinlich weniger geehrt. Oder würde man dann noch immer seine Toten gegen die dadurch geretteten Leben von Soldaten aufrechnen?
Oder wären sich alle heutigen Kommentatoren einig und würden sagen: "Nein, das durfte unter keinen Umständen sein. Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen kann auch künftig durch nichts und nie gerechtfertigt sein."
12 Juli 2013
NS-Vergleiche - die Neunte
Rolf Hochhuth wird wegen seiner NS-Vergleiche in seinem Offenen Brief an Merkel kritisiert.
Dazu zweierlei:
1. Erst recht, wer den Nationalsozialismus erlebte/überlebte, ob verbrechensbeteiligt oder im dünnen Widerstand, geistig-moralisch zu verarbeiten hat und das auch versuchte, dem drängen sich NS-Vergleiche allemal eher und anders auf als anderen, denen es bloß Lektüre zum Gruseln ist.
2. Wer glaubt, auch nur irgendetwas aus dem NS gelernt zu haben, dann aber so tut, als sei es mit Erinnerung an die Verbrechen und Kranzniederlegung getan und nicht mit der gewissenhaften Anwendung auf alles - und zwar auch auch das Verdächtige und Ähnliche, woraus sich der NS rekrutierte, der reduziert und verharmlost den NS auf das Level eines abgeschlossenen Geschichtskapitels deutscher Urheberschaft, was aber seiner Wiederholbarkeit in anderem Gewand und anderer Dimension nicht annähernd begegnet.
Hinter solcher These bleibt Hochhuth in seinem Offenen Brief an Merkel deutlich zurück, sondern zieht lediglich den einen wichtigen Schluss, dass die Loyalitätsgrenze gegenüber der staatlichen Autorität erreicht sein muss, sobald die staatliche Autorität UNRECHT begeht.
Wer Hochhuth ob solch NS-Vergleichs der NS-Verharmlosung verdächtig machen will, der macht sich mir verdächtig, staatliches Unrecht schützen zu wollen. Drum hier der wieder passende NS-Vergleich: Exakt solche Leute waren massenhaft Basis und Schlachterhände auch des NS-Regimes.
Ist das nicht übertrieben und inflationiert den Umgang mit Begriffen?
Nein, denn so sehr viel anders waren die Millionen Hitler-Wähler damals nicht als die Menschen heute, ob in Deutschland oder anderswo. Genau das gilt es leider zu verstehen oder zu widerlegen, z.B. darin, wann wem welche Loyalität endet. Verstehen und machen das Merkel, Putin, Obama usw. nicht, ist keine Veranlassung davon auszugehen, dass es die Völker entschieden anders sehen.
Allerdings darf jeder NS-Vergleich nur Verhältnisse, Verhaltens- und Denkweisen, Personen treffen, wenn er auch zutreffend und hinreichend verständlich ist - möglicherweise sicherer im intellektuellen Diskurs als im allgemeinen Zank um politische Vorteile, weil die Unterscheidung zwischen Vergleichen und Gleichsetzungen für vielen weder geläufig noch ausreichend ist, zumal politischen Idioten noch jeder politische Gegner sogleich ein "Faschist" oder "Kommunist mit Gulag" ist, aber wir alle müssen verstehen, dass der NS weder vom Himmel fiel, noch aus der Hölle kam, in die er führte, sondern aus vielen Fehlerteilchen war, die für den NS durch einfachste Weiterung und Kombination instrumentalisiert werden konnten, so dass der NS-Staat "funktionierte".
Ausschweifung bzw. Gelegenheit macht Sprüche:
Wem kein Blut an den Händen ist, wäre vielfach nicht Charaktereigenschaft, sondern Bedingungsbrei, denn zum Prinzipiellen braucht es mehr als bloßes Glück, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Zum Prinzipiellen braucht es mehr als bloße Täter- oder Opferperspektive, mehr als die Zeugenperspektive, sondern den Versuch, jede dieser Perspektiven zu verstehen und zu beurteilen.
Die Kontinuität der geistig-moralischen Unterentwicklung ist ein Grund, warum sich viele so schwer mit der "Vergangenheitsbewältigung" tun, während es sich andere zu leicht machen können, indem sie Gemeinsamkeiten verkennen, die sich nicht in Verbrechen realisieren konnten, weil mit anderer Vorgeschichte oder überhaupt nur Nachkriegsgeschichte in einer mit Prosperität prägenden, aber keineswegs final gesicherten Region, weshalb auch für demokratische Gewissheiten keine Bestandsgarantie deklariert werden kann, allenfalls als Hoffnung, sofern durch Aktivität substantiiert.
Aber der Unterschied war immer und über alle Systemgrenzen hinweg, ob Untertanengeist und Konformismus oder kritischer Geist und solidarischer Mut in den Köpfen ist, sehr individuell auch in alle absehbare Zukunft, obgleich sich ausreichend Vernunft für alle Bahn brechen konnte, aber es wird stets der Streit mit den Antrieben bleiben, die der Selbstgerechtigkeit den Vorzug gegenüber der Gerechtigkeit geben.
08 Mai 2011
06 Oktober 2010
Sexualaufklärer Oswalt Kolle gestorben
Unser "Mittelalter" ist nur wenige Jahrzehnte her. Oswalt Kolle war mit der Sexualaufklärung der westdeutschen Gesellschaft derart voraus, dass schon sein Name verpönt war. Dokumentationen der öffentlich-rechtlichen Anstalten - ganz anders als heute - lieferten Zusammenschnitte seiner Filme, die ihn mit üblen Kommentaren ins düstere Abseits stellten. Dort allerdings traf er allein mit dem von Zensurbehörden entstellten Streifen "Das Wunder der Liebe" (Erstaufführung Hamburg 1968) auf sechs Millionen, was der Öffentlichkeit als Erfolg dennoch verborgen blieb. So heimlich und peinlich war die Freud an der Lust, so still können auch Massen sein, so andauernd die Keuschheit heuchelnde Stigmatisierung durch die christlichen Kirchen.
In den Siebzigern gab es erste Sexualaufklärung in den Schulen, im Biologieunterricht und irgendwie nach den Haustieren. Ausnahmsweise übertrafen mich die Klassenkameraden in der Albernheit, überspielten unbeholfen Verklemmungen, die uns gemeinsam waren. Begriffen haben wir wenig. Viel zu aufregend einerseits, viel zu langweilig andererseits. "Glied und Scheide" wurden in anatomischen Schnitten skizziert, während es vom Hausschwein längst fotografische Abbildungen gab. Hätte man anschließend die bezeichnend blöde Frage "Wie viele Löcher hat die Frau?" gestellt, hätten es womöglich nur 3 von 35 gewusst. Mädchen gab es an unserer Schule nicht. Aber wir kannten die Anzahl der Mägen der Kuh, wozu? Es gab Eltern-Proteste, als wolle uns die Schule "verderben", weil es um Schwangerschaftsverhütung und nicht um Sexverhütung ging. - Wussten die Eltern nicht, dass wir uns mit "Hol dir einen runter!" verabschiedeten? Wir waren längst "verdorben", in unseren Phantasien und unter der Decke allein.
Jetzt titelten viele Medien: "Oswalt Kolle - Aufklärer der Nation" - Stimmt, deutlich aufgeklärter sind wir. Auch das trug zur Frauengleichberechtigung bei. Die Wege so umständlich, schwierig, so viel Empörung, Doppelmoral, Ungnade, Überforderung. Und es ist längst nicht am Ziel.
Markus Rabanus >> Diskussion
10 April 2010
Trauer um Lech Kaczynski
Im Landeanflug auf die westrussische Stadt Smolensk ist die Dienstmaschine von Polens Präsident Lech Kaczynski abgestürzt. Der Präsident, seine Frau und weitere 130 Insassen sind tot. Die Tupolew-154 habe im dichten Nebel die Baumwipfel gestreift. Kaczynski wollte an einer Gedenkfeier in Katyn für die vom russischen Geheimdienst im Frühjahr 1940 ermordeten Polen teilnehmen.
Historischer Hintergrund: Das Massaker von Katyn
14 Februar 2010
Dresden: 15.000 gegen Krieg und Neofaschismus
Etwa 15.000 Menschen (lt. welt.de und MDR) demonstrierten am gestrigen Samstag gegen neonazistische Umtriebe und bildeten eine mehrreihige Menschenkette um die Altstadt, so dass den ca. 5.000 Rechtsextremisten bloß der Bahnhofsbereich für ihre Kundgebung mit den für sie typischen Hasstiraden gegen die Siegermächte des 2. Weltkriegs blieb.
Solche Szenen sind nicht neu. Schon wenige Jahre nach der Niederschlagung des NS-Regimes wurden Rechtsextremisten wieder munter und versuchen seither, die Kriegsopfer-Gedenktage für ihren Revanchismus zu instrumentalisieren, als hätten ihre Idole nicht den "Totalen Krieg" beschworen und uns Deutschen Rosinen verdient.
markus rabanus >>Diskussion
19 Dezember 2009
Auschwitz: "Arbeit macht frei"-Schriftzug gestohlen
Der nationalsozialistische Lügenspruch über dem Konzentrationslager-Tor wurde in der Nacht zum gestrigen Freitag gestohlen. Die installierten Videokameras haben den Diebstahl nicht aufgezeichnet. Technische Panne? Die politisch Verantwortlichen blieben bislang Erklärungen schuldig, befassen sich zumindest öffentlich noch nicht einmal mit dieser Frage. So ist es kein Wunder, dass solche Taten passieren. - Vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung beschlossen, dass für den Erhalt der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau 60 Mio.€ zur Verfügung gestellt werden. Es ist zu hoffen, dass sich solch Dilettantismus in der Bewachung der Gedenkstätte nicht wiederholt.
-msr-
Nachtrag v. 21.12.2009: Der entwendete Schriftzug wurde zwischenzeitlich sichergestellt, fünf mutmaßliche Täter verhaftet.
11 November 2009
Jahrestag: Ende des 1.Weltkriegs
11. November 1918 - Waffenstillstand.
Vor 91 Jahren endete das große Schlachten in Europa und auf den Meeren. 700.000 Tote allein auf den Schlachtfeldern Verduns. Für Gott, Kaiser und Vaterland. Ein politischer Massenmord, der in der Geschichte beispiellos war und dennoch nicht blieb.
Heute gedenken Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy gemeinsam am Grabmal des unbekannten Soldaten am Pariser Triumphbogen. - Immer nur wenige Soldaten sind jemals den Feldherren bekannt.
Gerhard Schröder hatte 1998 die Einladung zum 80. Jahrestag ausgeschlagen - einfach mal dümmer als Merkel.
Wie hatte ihm damals die SPD geraten? Wie hatte ihm Steinmeier geraten? Und warum fuhr Fischer nicht hin? - Zeugnisse für Unbedarftheit oder Kleinkariertheit in nationalistischen Denktraditionen.
Markus Rabanus >> Diskussion
09 November 2009
Der 9. November 1989
Ich kam von der Staatsbibliothek zurück. Das Telefon klingelte. Meine Düsseldorfer Patentante fragte erregt, was ich zur Grenzöffnung sage. Ich wollte erläutern: "Das Reisegesetz musste geändert werden." - "Weißt Du denn nicht, dass die Mauer geöffnet ist??? Schalte den Fernseher ein!" - Seltsamste Bilder, da passierte etwas, was noch nicht in Nachrichten verwertet war. Sofort hin. Tausende Menschen, viele in Schlafanzügen, Bademänteln. Tränen der Freude und Fassungslosigkeit - die politisch bewegendsten und überraschendsten Stunden meines Lebens. Das jähe Ende einer Entwicklung, ein jäher Neuanfang, eine Dramatik, die alle Politik zu überholen schien. Kurz rüber, vielleicht als erster Wessi mit Motorrad, denn ich musste die Grenzer überreden, dann Richtung Brandenburger Tor von der Ostseite und zurück, weckte Manuela, Volker, und wieder hin. Jetzt waren es Zehntausende. Die Stadt stand Kopf. Alles war anders.
Markus Rabanus >> Diskussion
30 August 2009
Wem gehört der Zaren-Schatz?
Im November 1918 war die Zeit der Zaren vorbei, als Großherzogin Maria Pawlowna die Ältere vor ihrer Flucht nach Frankreich Teile aus dem Familienschatz in der schwedischen Botschaft in Sankt Petersburg vor den Bolschewisten versteckte. Von dort tourte der Schatz klammheimlich nach Schweden in ein staatliches Archiv. So heimlich, dass es in Vergessenheit geriet. Erst im Jahr 2008 sei der Schatz beim Archiv-Umzug entdeckt worden. Darunter goldene Zigarettenetuis, mit Edelsteinen verziert, wie es keine Seltenheit ist, dass Herrschende eine Schwäche für kostbarste Nebensächlichkeiten haben, während unter den Beherrschten das Elend grassiert.
Das schwedische Außenministerium machte Angehörige der Großherzogin zu "Erben" und gibt ihnen Schatz "zurück", wie Standard.at unkritisch verbreitet.
Im November 2009 soll der Schatz vom Auktionshaus Sotheby's in London versteigert werden
Markus Rabanus >> Diskussion
26 Juli 2009
Bellizistischer Sechsteiler über "Rom" bei Phoenix
Medienkritik
Die in Zusammenarbeit mit der BBC entstandene Reihe "Rom" erzählt in jeder Folge die Geschichte einer legendären Persönlichkeit des Römischen Reiches, die durch ihre Taten den Aufstieg und Fall des mächtigen Imperiums entscheidend beeinflusst hat - Geschichte in Spielfilmqualität. ...
Soweit der Vorspruch im Phoenix-Programmführer, aber es sollte zutreffender "Politische Märchen in Spielfilmqualität" heißen, denn Julius Cäsar dürfte so wenig das Schwert geschwungen haben wie Hitler "an der Front" zu Tode kam.
Seit einer Woche schickt Phoenix den Trailer für den Sechsteiler in die Wohnzimmer: "Ein genialer Feldherr", Cäsar wirft einen selbstgefälligen Blick in den Spiegel, bevor er sich ins Getümmel wirft, Blutspritzer zieren sein Face - sein Auftritt habe die Schlacht entschieden, ... - Hat er das?
"Wer war dieser Mann wirklich, der nahezu blind auf die Glücksgöttin Fortuna vertraute?"
Immerhin weiß Phoenix schon, worauf Cäsar vertraute. Tat er das?
"Der Film zeigt in großartigen Bildern, wie es Cäsar gelingen konnte, Pompejus mit seinen zahlenmäßig weit überlegenen Legionären durch einen Geniestreich zu bezwingen."
Trickreich, lehrreich, Kriegskunst?
"Renommierte Historiker geben Aufschluss über die neuesten Forschungsergebnisse und erklären die Hintergründe der dramatischen Ereignisse, ..."
Offenbar ein bisschen romantisch und zu fasziniert von Macht und "Eroberungen".
"Phoenix, der Informations- und Dokumentationskanal" soll sich schämen.
Markus Rabanus >> Diskussion
29 Juni 2009
Madrid aberkennt Franco posthum die Ehrentitel
Der Stadtrat von Madrid entschied mit den Stimmen der konservativen Volkspartei (PP), Sozialisten (PSOE) und der Vereinten Linken (IU) die Aberkennung aller Franco-Ehrungen, unter anderem den Titel des Ehrenbürgermeisters.
Francisco Franco war im Juli 1936 am Militärputsch gegen Spaniens gewählte Regierung beteiligt, gelangte im "Spanischen Bürgerkrieg" mit militärischer Unterstützung vor allem Hitlers an die Macht und regierte bis zu seinem Tod am 20. November 1975 diktatorisch.
22 Mai 2009
1967: WARUM starb Benno Ohnesorg?
Benno Ohnesorg - am 2. Juni 1967 erschossen auf einer Demonstration gegen den persischen Diktator, von der Springer-Presse als "Opfer der FU-Chinesen" verhöhnt und von Wortführern der Studentenbewegung zu einem Märtyrer "staatsmonopolkapitalistischer Gewalt" instrumentalisiert, mitunter bis hin für den RAF-Terrorismus der Siebziger. Benno Ohnesorgs Tod schürte die Radikalität des innenpolitischen Konflikts.
An diesem Befund wird es nichts "umzuschreiben" geben, auch wenn Bizarres nun an die Öffentlichkeit gelangt, was erschütternd, aber für eskalierende Konflikte an entgleitender Wahrheit eben auch typisch wäre, und worauf sich die Polarisierer einließen, viele wissentlich und viele unwissentlich.
Der Todesschütze Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras war in Zivil unterwegs, später vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung mangels Beweisen freigesprochen, obwohl dem Gericht seine Notwehrsituation nicht glaubwürdig war usw. - Sein Freispruch passte in die linksextremistische Propaganda vom "staatlichen Mord an Benno Ohnesorg", aber wer war der Todesschütze tatsächlich?
Für Kurras waren die Umstände günstig:
- Viele Bürger in der von der DDR eingemauerten Großstadt sahen verbiestert Demonstrationen, deren Wortführer häufig genug mit dämlichsten Parolen jedes vernünftige Anliegen linksextremistisch okkupierten und von den sensationslüstern-reaktionären Teilen der Presse dankbar verbreitet die Ängste um die Freiheit schürten.
- Die Ermittler werden schlampig gearbeitet haben, denn wenn ein Kollege in solch aufgewühlten Zeiten die Schusswaffe gebraucht und dann auch noch gegen einen mutmaßlichen Linksextremisten, dann dürfte man eher darauf bedacht gewesen sein, das Ganze auf "fahrlässige Tötung" runterzubringen. 60.000 DM sammelten die Kollegen an Spenden für Kurras Strafverteidigung. Belastendes sammelten sie nicht.
- Und wie sehr interessierten sich die damaligen Köpfe der außerparlamentarischen Bewegung für Herrn Kurras? Vermutlich gar nicht, denn er galt ihnen nur "Hilfspersonal" eines ihnen verhassten Systems.
Dem Einzelne wurde nur das Interesse zuteil, wie es sich entweder für das "Große" instrumentalisieren oder unter den Teppich kehren ließ.
Jetzt fanden zwei Forscher in der StaSi-Unterlagenbehörde heraus, dass Kurras seit 1955 für die StaSi gearbeitet habe und seit 1962 auch SED-Mitglied gewesen sein soll.
Noch ist die Nachrichtenlage dünn, und Kurras habe dem Tagesspiegel gegenüber widersprochen. Nie dürfen voreilige Schlüsse sein, aber sie drängen sich auf und machen weitere Nachforschungen erforderlich:
1. Wiedervorlage der damaligen Ermittler-Akten. Welchen Umfang hatte die Motiv-Suche über den Tathergangsdiskurs hinaus?
2. Welcher genauen Partei-Gliederung soll Kurras angehört haben? Wer von den damaligen Funktionären der SED-Westberlin bzw. SEW kannte ihn oder wusste von seiner SED-Mitgliedschaft? Bis wann war er Mitglied? Heißt es auf dem Parteibuchstempel "Kreisleitung VII"? Der Funktionärsname "Schmidt" hilft zunächst mal nicht weiter, aber das müsste sich recherchieren lassen. Und alle "hielten dicht"? Das lohnt doch mal Interviews.
Wenn im Westen der Stadt niemand davon wusste, dann hätte Kurras einen "biographischen Sprung", nämlich die ideologische Annäherung an die DDR ohne persönliche Kontakte bewerkstelligt - ein "rein theoretischer Mensch", aber praktisch genug, um von Anbeginn gleich für die "Speerspitze" der DDR arbeiten zu wollen? - Das gibt es nicht oder wäre zumindest mir nie begegnet, was wahrscheinlicher macht, dass er ein "gewöhnlicher Spion" gewesen ist, denn unter denen gibt es tatsächlich viele, die einfach nur so korrupt waren, um "für Dienste ansprechbar" zu sein und möglichst als Doppelverdiener für beides, was damals konkurrierte.
3. Überprüfung/Befragung des damaligen "Wahrheit"-Pressefotografen Jürgen Henschel, der das erste Foto des Erschossenen machte, wenngleich auch da respektvoll geforscht werden müsste, denn Jürgen Henschel war eben immer und auf allen Demonstrationen mit seiner Leiter dabei.
Der Kalte Krieg war supergefährlich und wird bis heute runtergespielt, weil eben noch zu viele seiner Risiken beibehalten wurden, nicht nur die Atomwaffen, sondern auch die geheimdienstlichen Methoden, im Namen der "guten Sache" jeden Mist zu machen und viel zu oft auch zu dürfen.
4. Kurras arbeitete angeblich in der westberliner Abteilung zur Aufspürung östlicher Spione. Wie eng war diese Tätigkeit mit dem BND und VS verwoben? War er Doppelagent?
Mord verjährt nicht. Der historische Wahrheitsanspruch auch nicht. Und viele müssten sich erstmalig oder neu fragen lassen, denn das Kapitel "StaSi, Lüge und Terrorismus" ist so wenig aufgearbeitet wie auf der Gegenseite die Machenschaften des "Verfassungsschutz".
Da kann nur Licht rein bringen, wer nicht weiterhin lügt. Aber viele lügen weiter, weil sie wissen, dass zu vieles Unrecht war.
Markus Rabanus >> Diskussion
01 März 2009
Offener Brief an den Bund der Vertriebenen
Zum Streit um Erika Steinbach
Sehr geehrte Damen und Herren,
Frau Steinbach ist nicht etwa Opfer einer "polnischen Medienkampagne" oder "Massenpsychose", wie es in der BdV-Presseerklärung heißt, sondern durch ihre Politik für den Stiftungsrat und den Versöhnungsauftrag disqualifiziert. Frau Steinbach soll entweder verzichten oder sich lernfähig zeigen, beispielsweise durch folgende Erklärungen:
1. "Die Verträge mit Polen sind geschlossen und verbindlich, so dass mein Widerstand gegen diese Verträge der Vergangenheit angehören. Heute freue ich mich, dass sich Polen und Deutschland auf die Grenzen verständigten, sie durchlässiger werden und das Gegeneinander der Vergangenheit durch das deutsch-polnische Miteinander in der Europäischen Union überwunden wird, wie es immerhin auch die BdV-Charta von 1950 verlangt."
2. "Als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen bekenne ich, dass mein Verband zwar ein Opferverband ist, aber Hunderttausende ihren Vertreibern zuvor alles andere als bloß "nette Nachbarn" waren, so dass Schlimmstes zu erwarten war, eben auch die Vertreibung der Unschuldigen mit den Schuldigen. Und ich bekenne, dass auch meine Familie in Hitlers "Westpreußen" nichts zu suchen hatte, denn sie kam erst 1941 im Zuge der verbrecherischen Germanisierung nach Polen."
Auf das Eingeständnis dieser bitteren Wahrheit bestehen Polen und Deutsche. Stattdessen denkt Frau Steinbach jetzt öffentlich und selbstmitleidig darüber nach, ob sie auf das Stiftungsamt verzichtet, begleitet von der BdV-Kampagne mit der falschen Behauptung, dass die "Bundesregierung von Polen erpresst" werde. Auf diese Weise schüren Frau Steinbach und der BdV antipolnische und antideutsche Stimmungen, schaden der Aussöhnung. Frau Merkel wird nicht "erpresst", sondern soll eben ohne die polnische Regierung und meinen Applaus gedenkfeiern müssen, wenn sie trotz aller Kritik an der Steinbach-Nominierung festhält, ohne dass sich Frau Steinbach korrigiert.
Stellen Sie Ihre Kampagne nicht einfach nur ein, sondern zeigen den Lernprozess öffentlich, denn auch das braucht es für ein freiheitliches Europa, in dem Deutsche und Polen miteinander ohne Groll leben können.
Mit freundlichen Grüßen
Markus S. Rabanus >> Diskussion
05 Juli 2008
"Hitler-Attentat" in Berlins neuem Gruselkabinett
Im Vorfeld hatte es aus allen Parteien heftige Kritik an der Schaustellung Hitlers in Nähe zum Holocaust-Mahnmal gegeben, aber die Ausstellungsmacher bestanden darauf, dass Hitler eine bedeutende Person der deutschen Geschichte sei. So sitzt nun die finstere Figur an einem Schreibtisch, umgeben von weiteren bedeutenden Wachsfiguren der deutschen Geschichte, wie Oliver Kahn, Thomas Gottschalk und den Beatles.
30 Juni 2008
"Appeasementpolitik" und Hitler-Stalin-Pakt
Rechtfertigung und Motiv
Detlef N. schrieb am 29.06.2008 20:40 Uhr: "Da müßte man erklären, wenn man diese Politik kritisiert, was man an seiner Stelle getan hätte."
Stimmt, jedes Unwerturteil behauptet implizit gute Alternativen, sollte sie dann auch darlegen, aber wenn Du genauer hinschaust, dann äußerte ich keine Unwerturteile, sondern verurteilte die Unrechtmäßigkeit, Völkerrechtswidrigkeit der Politik Chamberlains und Stalins gegenüber Hitler, Abkommen/Verträge zulasten Dritter geschlossen zu haben, es als "Beschwichtigungspolitik" oder "Sicherheitspolitik" auszugeben.
Die Alternative zur Rechtswidrigkeit ergibt sich aus dem Recht selbst, ansonsten bliebe Politik der Willkür, den moralischen Qualitäten der politischen Akteure anheim gestellt.
Jedes halbwegs zivilisierte Rechtsverständnis bekennt, dass der bloße Vorteil, der vermeintliche oder tatsächliche Vorteil aus sich heraus längst kein "Rechtfertigungsgrund" ist, sondern ist lediglich "Motiv" oder "Folge" sein kann.
Rechtfertigung und Motiv muss man schön auseinanderhalten, ansonsten redet man der Verstrolchung von Politik das Wort.
"Strategische Vorteil der Westverschiebung" ist kein Rechtfertigungsgrund. Das wissen auch die Geschichtsschreiber und fügen darum hinzu, dass es die "Wiederherstellung früherer Grenzen" sei.
Völkerrechtsmäßig wäre indes gewesen, wenn Chamberlain aus Gründen der vermeintlichen Militärüberlegenheit Hitlers gesagt hätte: "Wir sind dagegen, aber hindern Euch nicht."
Völkerrechtsmäßig wäre indes gewesen, wenn Stalin aus Gründen der vermeintlichen Militärüberlegenheit Hitlers gesagt hätte: "Wir sind dagegen, aber hindern Euch nicht und sichern uns gegenseitig mit einem Nichtangriffsvertrag."
Das wäre legal und legitim gewesen, nicht aber die Abkommen mit Hitler zum bloß eigenen Vorteil und Nachteil Dritter.
Wie auch vor dem Irak-Krieg, als ich von der Schröder und Stoiber verlangte, dass den völkerrechtswidrig Krieg führenden USA und Großbritannien die militärischen Überflugrechte auf folgende Weise zu untersagen waren: "Wir verbieten es Euch, aber wir werden Euch nicht hindern."
Es ist vollkommen realpolitisch, dass nicht jeder politische Wille und nicht jedes Recht durchsetzbar ist. Aber es ist verbrecherische Realpolitik, wenn dass Unrecht aus Gründen seiner Nichtdurchsetzbarkeit legalisiert wird.
Die Schlachten des 2. Weltkriegs sind auf dem Schlachtfeld geschlagen. Einigen Strolchen passen die Ergebnisse nicht. Darum finden sich noch immer reichlich Abnehmber für revanschistische Literatur.
Literatur, die sich nicht als Fortsetzung der geschlagenen Schlachten versteht, sondern auf die völkerrechtlichen Schlussfolgerungen besteht, tut sich leider erheblich schwerer, weil sich die internationale Politik trotz Charta der Vereinten Nationen noch immer nicht grundlegend gewandelt hat.
"Chamberlain, Stalin konnten nicht anders", so behaupten welche, "Hitler konnte nicht anders", behaupten andere.
Das ist Untertanengeist oder herrschende Propaganda, und beides läuft auf Geschichtsverklärung hinaus, als sei die eigene Politik vom Gegenüber diktiert.
Stattdessen wird auf solche Weise nur die Verantwortung für eigenes Versagen auf das Gegenüber delegiert.
Mal anschaulich für die einfacheren Gemüter:
Wenn jemand zu Dir sagt, dass Du Dich an einem Mord beteiligen sollst, anderenfalls selbst ermordet wirst, so mag Dir die Not der Erpresstheit strafmildernd zugute gehalten werden, aber Dein Mitmorden wäre davon weder gerechtfertigt noch entschuldigt.
Wenn es Politiker gibt, die uns vormachen wollen, dass im Großen anderes als im Kleinen gelten dürfe, dann lassen sie es zwar nicht an Beispielen fehlen, aber an rechtlicher Begründung.
25 Juni 2008
Affektierter Umgang mit Linkspartei und NS-Vergleichen
Ulla Jelpke (BT-Abgeordnete der Partei „Die Linke“) erntet für ihre Kritik an der geplanten BKA-Reform reichlich Empörung. Jelpke hatte gesagt: „Was da geschaffen wird, ist eine geheim ermittelnde Staatspolizei.“
Solche Kritik ist zutreffend, denn wer dem BKA fortlaufend die Ermittlungsbefugnisse erweitert, ohne den davon betroffenen Bürgern rechtliche Verteidigung einzuräumen, schafft eine eine "geheim ermittelnde Staatspolizei". Daran ändern auch Gesetzes- und Richtervorbehalte nichts, wenn nicht spätestens nach Beendigung zu befristender Ermittlungen die Betroffenen über den Umfang und die Ergebnisse der Ermittlungen informiert werden.
Es ist bedauerlich, dass es in der bisherigen Debatte ausschließlich um das Für und Wider von exektutiven Methoden/Erlaubnissen geht, nicht aber um das Erfordernis gleichzeitiger Entwicklung von Bürgerrechten.
Der Vorwurf, dass Jelpkes Kritik das BKA mit der GeStaPo vergleiche, obendrein auch noch die Opfer des NS verhöhne, obwohl Mahnungen gegen geheimpolizeiliche NS-Praktiken das genaue Gegenteil sind, ist viel eher eine Zumutung als wenn Jelpke tatsächlich der Reform ns-totalitäre Motive unterstellt hätte.
Hallo Herr Bosbach,
Sie machen mit Kritik an NS-Vergleichen auf sich aufmerksam. Deshalb stelle ich Ihnen drei Fragen:
1. War Ihre Familie in NS-Mitgliedschaft oder NS-Spitzeleien verstrickt?
2. Spitzelten Sie für den Verfassungsschutz, wie es viele Ihrer Partei-Kameraden tun?
3. Wie können die Betroffenen überprüfen, dass die Spitzel nicht lügen, wenn es nicht wenigstens nach Ablauf von Fristen ein Akteneinsichtsrecht gibt?
Antitotalitarische Phrasendrescherei ist mir unglaubwürdig, wenn der Staat als Anwalt und Exekutive der Gesellschaft mehr und mehr Rechte bekommt, aber nicht gleichzeitig die Bürgerrechte mitziehen, eben auf Auskunft und Rechtsmittel in eigenen Belangen.
Es kann nicht genügen und genügt mir auch nicht, von Datenschützern und Richtern oder parlamentarischen Kontrollorganen vertreten zu sein, wenn den Betroffenen verwehrt bleibt, überhaupt zu erfahren, dass es um sie geht.
Wer den Vertretenen in seinen Angelegenheiten entmachtet, soll ein Entmündigungsverfahren einleiten, aber nicht so tun, als wolle er ihn vertreten.
Grüße von Markus Rabanus
17 Juni 2008
Pressemitteilung von Merkel zum 17.Juni 1953
Heute erinnern wir uns mit Respekt an den Volksaufstand gegen das SED-Regime in Ost-Berlin und der DDR am 17. Juni 1953.
Freiheit und Einheit waren das Leitmotiv der Erhebung, freie Wahlen und die Einheit Deutschlands waren die Forderungen des Volkes. Bei der blutigen Niederschlagung des Aufstands kamen viele Menschen ums Leben, an vielen nahm das Regime Rache.
In der DDR brach sich innerhalb von 40 Jahren der Wille zu Freiheit und Demokratie zweimal Bahn brach. Der Drang des Menschen, sein Leben in Würde, frei von Unterdrückung und staatlicher Willkür, zu führen, Perspektiven zu haben und im Denken und Handeln kreativ sein zu dürfen, war auf Dauer stärker als ein staatliches Unterdrückungsregime.
Was 1953 noch nicht möglich war, gelang 1989: Deutschland war endlich auf dem Weg zur Wiedervereinigung in Freiheit. Wenn wir das brutale Ende des Aufstands von 1953 vor Augen haben, können wir ermessen, wie viel Mut die Menschen aufbrachten, die 1989 in der DDR für ein freies und geeintes Deutschland auf die Straße gingen.
Couragiertes Eintreten für Bürgerrechte und Demokratie erfordert Mut und die Bereitschaft, auch persönlich Risiken einzugehen. Wir sollten - auch und gerade für die Jüngeren, die das nicht selbst erlebt haben - die Erinnerung wach halten an die mutigen Männer und Frauen vom 17. Juni 1953.
06 Juni 2008
Skurriler Rückblick auf den Sechstagekrieg 1967
Sechstagekrieg: Warum konnten sowjetische Waffen den Arabern nicht helfen?
MOSKAU, 06. Juni (Andrej Murtasin, RIA Novosti). Am 5. Juni 1967 begann der kürzeste arabisch-israelische Krieg.
Er dauerte nur sechs Tage und endete am 10. Juni mit einer verheerenden Niederlage der Araber.
Genau damals eignete sich Israel die Halbinsel Sinai, die Golanhöhen, Westjordanland und den Gazastreifen an. Einen Teil dieser Territorien (die Halbinsel Sinai) konnten die Araber in 15 Jahren wieder zurückerhalten. Über die anderen (die Golanhöhen und die Palästinensergebiete) wird gegenwärtig ohne besonderen Erfolg verhandelt.
Warum haben die Araber eine so krasse Niederlage erlebt? Weder die ägyptische noch die syrische Armee waren für den Krieg bereit, obwohl die hochrangigen Generale der beiden Länder, vor allem Ägyptens, beteuert hatten, dass sie das „zionistische Gebilde“ ausradieren wollen.
Der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser hatte den Israelis Anlass zum Krieg gegeben. Am 18. Mai wandte sich die ägyptische Regierung an den UNO-Sicherheitsrat mit der Bitte, die Friedenstruppen, die 1957 eingeführt wurden, aus Gaza und von der Halbinsel Sinai abziehen zu lassen. Generalsekretär U Thant willigte dazu ein, und die Truppen zogen in kürzester Zeit ab.
Bereits am 22. Mai waren ihre Positionen von ägyptischen Truppen besetzt. Am 28. Mai 1967 kündigte Ägypten eine Blockade der Straße von Tiran, die in den Golf von Akaba führt, für israelische Schiffe und andere Schiffe, die strategisch wichtige Güter in den israelischen Hafen Eilat liefern, an. Israel wertete das als implizite Kriegserklärung und wagte als erstes einen Präventivschlag.
Paradoxerweise hatten die israelischen Medien den stufenweisen Angriffsplan in einigen Tagen vor Kriegsbeginn veröffentlicht. Die Araber glaubten ihnen nicht.
Unter anderem meldeten die „Stimme Israels“ und die Jerusalem Post, dass die israelischen Luftstreitkräfte einen Angriff gegen die ägyptischen Stützpunkte am 5. Juni um 4 Uhr früh führen. Es folgt eine Bodenoffensive, und bereits am 6. Juni sollen die israelischen Einheiten gegen Abend am Suezkanal sein.
Das Szenario bestätigte sich zu 90 Prozent (der erste Angriff kam um 8 Uhr 30). Wie es sich später herausstellte, waren sowohl der ägyptische Nachrichtendienst als auch das Armeekommando darüber unterrichtet, hatten diese Informationen aber nicht ernst genommen.
Am Morgen des 5. Juni verloren die ägyptischen Luftstreitkräfte durch die Schläge der israelischen Kampfflugzeuge gleich 400 Maschinen. Sie schafften es nicht einmal, in die Luft zu steigen, und wurden auf den Flugplätzen ausgebombt.
Die sowjetischen Flieger, die die Ägypter neben Kairo ausbildeten, machten sich in Windeseile zu ihrer Dienststelle, dem Luftstützpunkt Kairo-West, auf. Sie waren bereit, die unversehrten Maschinen in die Luft zu heben und sich dem Kampf anzuschließen, wurden aber von den Ägyptern selbst daran gehindert.
Der russische Orientalist Anatoli Jegorin, Augenzeuge der Ereignisse, erinnert sich: „Als die Stunde X kam, wollten die Unsrigen auf die Positionen. Doch die Ägypter sagten: Nein! Das ist unser Krieg, wir müssen ihn führen! Die Ägypter hielten unsere Militärs vor der Abreise zu deren Dienstorten ab. Kein sowjetischer Soldat nahm an den Kampfhandlungen im Sechstagekrieg teil.“
Die sowjetischen Militärfachleute mussten nach laut Vertrag in der Tat die Araber ausbilden, hatten aber kein Recht, selber an den Kampfhandlungen teilzunehmen.
Im Krieg von 1967 erwiesen sich die sowjetischen Waffen in den Händen der Araber als ineffizient. Die ägyptischen Kampfpiloten legten ihr Können bei Paraden und Shows an den Tag, doch als die Kugeln pfiffen, vergaßen sie alles, was ihnen beigebracht worden war, sie waren nicht kampfgeübt.
Der andere und womöglich wichtigste militärische Grund für die Niederlage der Araber waren die Kommunikationsmittel. Die unteren Einheiten hatten sowjetische Kommunikationsanlagen, doch der Generalstab und das Kommando hatten im Westen eingekaufte Verbindungsgeräte, die völlig unter US-Kontrolle standen.
„Als die Stunde X kam, kappten die Amerikaner, deren Schiffe sich im Mittelmeer 14 Meilen von der ägyptischen Küste entfernt befanden, alle Verbindungen des Generalstabs mit den Truppen auf Sinai“, erinnert sich Anatoli Jegorin. Somit wurden die ägyptischen Truppen im notwendigen Moment von den USA, die auf Israels Seite standen, einfach ausgeschaltet.
Noch eine bedeutende Episode aus jenem Krieg. Beim Rückzug von Sinai ließ die ägyptische Armee 450 intakte Panzer zurück. Die Panzerfahrer verließen die Kampfmaschinen und rannten zu Fuß zum Suezkanal, um zum anderen Ufer zu gelangen. „Mit diesen Panzern konnten sie sich bis zum Kanal zurückziehen. Ein Teil davon konnte ans andere Ufer überführt werden. Doch die Ägypter kletterten aus den Panzern, ließen sie stehen und rannten zu Fuß“, sagt Jegorin.
Damit verloren die Israelis bei den sechstägigen Kämpfen 776 Menschen und die Ägypter mehr als 11 000.
Nach Meinung der meisten Historiker liegen die wichtigsten Gründe für Ägyptens Niederlage nicht im militärischen, sondern im politischen Bereich. Viele hochrangige ägyptische Stabsgenerale, die im Westen ausgebildet wurden, waren mit Nassers Kreml-Kurs äußerst unzufrieden. Sie versuchten, den Präsidenten loszuwerden, führten Ägypten mutwillig zu einer Niederlage im Krieg und hofften, dass die USA, die im Rücken von Israel standen, die Araber nicht sitzenlassen werden.
Die sowjetischen Waffen zeigten ihre Effizienz im nächsten arabisch-israelischen Krieg von 1973, als die Ägypter den Suezkanal überwunden und die Bar-Lev-Linie stürmten. Die Ergebnisse des Krieges sind allgemein bekannt. Die ägyptische Armee hatte alle Chancen, nicht nur einen moralischen, sondern auch einen kompletten militärischen Sieg über den Feind zu erzielen. Doch der ägyptische Präsident Anwar Sadat, der auf Nasser folgte, stoppte die Offensive.
Das politische Ergebnis war die Annäherung an die USA, Camp-David und ein Friedensvertrag mit Israel. Sadat tauschte den militärischen gegen einen politischen Sieg. So endete das „romantische Zeitalter“ in den Beziehungen zwischen Ägypten und der Sowjetunion. Doch auch jetzt, 40 Jahre später, stehen sowjetische Waffen im Truppengebrauch der ägyptischen Armee.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der der RIA Novosti übereinstimmen.
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