07 Februar 2009

"Blind Date" mit der Piusbruderschaft?

KRITIK an Papst und Traditionalismus

Es gibt bessere Freizeitbeschäftigungen als auf Websites von Sekten zu stöbern, aber Papst Ratzingers Entscheidung zugunsten der Pius-Priesterbruderschaft sorgte mit der Holocaust-Leugnung durch einen Bischof für so viel Wirbel, dass sich die Recherche lohnt, mit wem der Papst die kirchliche Einheit anstrebt. Und da bestätigen sich meine zu Beginn seines Pontifikats geäußerten Befürchtungen (KLICK), dass der katholischen Kirche neben der einlullenden Marienmystifizierung auch jede Menge abgelegten Ungeist reanimieren will .

Auf www.inidia.de/piusbruderschaft.htm halten Screenshots fest, was mit heutigem Datum auf dem Höhepunkt der öffentlichen Debatte von Seiten der Piusbruderschaft unter dem Titel "Fragen und Antworten" mitgeteilt wird. Die Screenshots dienen der Doku, während hier im Forum aus Traffic-Gründen kopiertes Zitieren genügen soll.

An den Anfang der Betrachtung stelle ich ein Zitat mit allgemeinpolitischer Brisanz, denn darin lehnt die Piusbruderschaft die verfassungsrechtliche Religionsfreiheit und den säkularen Staat ab, fordert den Katholizismus als alleinige Staatsreligion bzw. den den katholischen Religionsstaat:

(ZitatAnfang) Was ist der Inhalt der "Religionsfreiheit"?Kardinal Ottaviani hat als Mitglied der Vorbereitenden Konzilskommission ein Schema verfaßt mit dem Titel "Über die religiöse Toleranz", in dem er die überlieferte katholische Lehre zu diesem Gegenstand darlegte. Nach dieser Lehre hat nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch jeder Staat die Pflicht, die katholische Religion als die einzig wahre anzuerkennen und ihr entsprechende Rechte einzuräumen. Für einen Staat mit katholischer Mehrheit würde das bedeuten, daß der Staat sich zum Katholizismus als Staatsreligion bekennt und dieser Religion allein alle Rechte zuerkennt. Andere Religionen kann der Staat dulden - insbesondere dann, wenn ihre Anhänger zahlreich sind -, aber er kann sie nicht in gleicher Weise anerkennen wie die katholische. Kardinal Bea, der derselben Kommission angehörte, legte ebenfalls ein Schema vor, das den Titel trug: "Über die Religionsfreiheit". Darin heißt es, daß der Staat in religiösen Dingen seinen Bürgern jede Freiheit lassen muß, daß er keine Religion bevorzugen oder als Staatsreligion bekennen darf. Dieses Dokument widerspricht vollkommen dem von Kardinal Ottaviani und damit der ganzen katholischen Tradition. Trotzdem hat das II. Vatikanum dieses Schema von Kardinal Bea aufgegriffen und in "Dignitatis Humanae" diese neue Form der liberalen "Religionsfreiheit" verkündet. (ZitatEnde)

Das nächste Zitat betrifft theologische Fragen und zeigt die Gegnerschaft der Piusbruderschaft zum II. Vatikanischen Konzil, eine aberwitzige Gegnerschaft zur religiösen Einsicht und Mäßigung, dass es nicht Sache der Kirche sein kann, über den Eingang zum Paradies zu entscheiden:

(ZitatAnfang) Wie ist die Haltung der Priesterbruderschaft St. Pius X. gegenüber dem II. Vatikanischen Konzil?
Wie man dem Buch von Ralph Wiltgen "Der Rhein fließt in den Tiber" entnehmen kann, geriet das II. Vatikanische Konzil praktisch von Anfang an in die Hände der "Rheinischen Allianz", einer Koalition liberaler Bischöfe hauptsächlich aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Papst Johannes XXIII. schlug sich ebenso wie sein Nachfolger Paul VI. auf die Seite der Liberalen. Diese dominierten daraufhin das Konzil. Das Ergebnis war ein Konglomerat von Texten, die teils rechtgläubig, teils mehrdeutig, teils aber auch von Irrtümern durchsetzt sind. In einer bewußt unklar und ungenau gehaltenen Sprache formuliert, sind sie insgesamt von einem liberalen Geist durchdrungen. Derselbe Geist zeigte sich deutlich in den nachkonziliaren Reformen und Richtlinien, die teilweise noch weit über die Texte des Konzils hinausgingen. Die Priesterbruderschaft lehnt es daher ab, das Konzil und seine Reformen anzunehmen, weil sie von jenem liberalen Geist geprägt sind, der nicht der Geist der Kirche ist.
(ZitatEnde)

Das nächste Zitat zeigt die Gegnerschaft der Piusbruderschaft zur Ökumene der christlichen Kirchen und noch mehr Ablehnung gegen die Ökumene mit anderen Religionen:

(ZitatAnfang) Was lehrt der Ökumenismus?
Der liberale Ökumenismus besagt, daß alle Konfessionen und Religionen Elemente der Wahrheit und der Gnade enthalten und somit "Wege des Heils" sein können. So heißt es im Ökumenismusdekret des Konzils "Unitatis Redintegratio" Nr. 3, der "Geist Christi" habe sich gewürdigt, die "getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften" als "Mittel des Heiles zu gebrauchen". Nach bisherigem Verständnis galt jedoch, daß es außerhalb der von Christus selbst gegründeten Kirche, die keine andere ist als die katholische, kein Heil gibt: "Extra ecclesiam nulla salus". Zwar kann in Einzelfällen auch das Heil außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche erlangt werden, aber nur von solchen, die wenigstens den impliziten (einschlußweisen) Wunsch nach Zugehörigkeit zur Kirche haben. So wurde es noch unter Papst Pius XII. genau präzisiert (des Heiligen Offiziums an den Erzbischof von Boston vom 8. August 1949). Das II. Vatikanum weicht mit seinem Ökumenismus von dieser Lehre in auffallender Weise ab.
(ZitatEnde)

Diese Anschauungen der Piusbruderschaft lassen sich nicht mit christlicher Nachfolge begründen, sondern tradieren ausgerechnet Ritualisierungen als alleinheilbringend, die Jesus wohl eher als "pharisäisch" abgetan hätte und wahrscheinlich eher nicht in lateinischer Sprache, es sei denn vor Römern.

Die Pius-Priesterbruderschaft lehnt die Religionsfreiheit ab, somit ein unabdingbares Menschenrecht, diffamiert den Liberalismus und steht im offenen Widerspruch zu theologischen Einsichten der jüngeren katholischen Kirche. Aus dem Vatikan heißt es dazu, dass die Aufhebung der Exkommunikation den Dialog ebnen sollte, in dessen Ziel die Pius-Priesterbruderschaft das II. Vatikanische Konzil anerkennen solle. Die Piusbrüder haben aber ganz anderes im Sinn:

(ZitatAnfang) Wie steht die Priesterbruderschaft zum Papst?
Die Bruderschaft handelt in der Annahme, daß Papst Benedikt XVI. Papst ist, und betet daher für ihn. Sie bemüht sich, ihn zur Rückkehr zur Tradition zu bewegen, indem sie für ihn betet, mit seiner Umgebung zusammenkommt und ihm schreibt.
(ZitatEnde)

Entschloss sich der Ratzinger zum "Blind Date"? Nein, er kennt als ehemaliger Chef der Glaubenskongregation die Positionen der Pius-Priesterbruderschaft genauer als jeder von uns und kann sich in ihr theologisch nicht geirrt haben. Geirrt hat sich Ratzinger allerdings erneut in der öffentlichen Reaktion.

Das Schlimme ist: Ratzingers Schmusekurs mit dem Traditionalismus wäre glatter und als harmlose Handreichung über die Bühne gegangen, wenn nicht einer dieser Ungeister gleich noch mit Holocaust-Leugnung aufgewartet hätte. Nun schaut man genauer hin und entdeckt mehr Unfug als man sich wünschen kann, denn sicher ist auch, dass viele brave Christen gerade in der Engstirnigkeit die Erlösung sehen und den Piusbrüdern die Klingelbeutel füllen. - Für Reaktionäres ist immer ausreichend Marktlücke, und das macht sie gegen den Dialog resistent.

-markus rabanus-