20 April 2005

Kommentar zur Papstwahl

Wäre die Burschenschaft im Vatikan mit Kakteen anstelle von Menschen befasst, wäre meine Haltung den Päpsten gegenüber liberaler.

Aber so ist es nicht und darum sollte sich niemand nehmen lassen, der politischen Höhe des Pontifikats entsprechend hohe Erwartungen an Joseph Ratzinger - nun Benedikt XVI. - zu artikulieren.

Ich sah die Bilder im Fernsehen. Der Papst sah gelöst aus, sympathisch. Die Römer nahmen ihn an. Als Menschen. Sicherlich auch viele als "Papa", was heute weniger Bedeutung als früher hat. Politisch gehen viele ihre eigenen Wege.

Gut ist das und doch auch die Sehnsucht nach Geborgenheit in Werten, Suche nach Fundamenten, die sich vielen Menschen schneller aufzulösen scheinen als sich ihnen neue bilden können. Nicht nur in Europa.

Doch was geben die alten Fundamente her? Fundamente für Trutzburgen gegeneinander? Anstatt die Unterschiede zu entwaffnen? Damit die Angst kleiner wird? Oder brauchen, schüren, missbrauchen die Religionen diese Ängste, um den Menschen Trutzburgen voreinander zu sein?

Und die Begeisterung für den Papst - heute - im wenigstens achten Jahrtausend urbaner Menschheitsgeschichte - was bedeutet das außerdem? Eine Blamage für die Demokratie. Denn der Papst wird nicht von unten gewählt.

Das ist nicht ihm vorzuwerfen, sondern die Frage stellt sich: Warum wählen die Menschen fortgesetzt Leute in die Politik, auf die sie sich so unzureichend einigen können?

Ich gönne den Menschen ihre Hoffnungen, aber ich traue diesen Hoffnungen nicht, so lange sie auf Fundamenten gründen, um die man sich so wenig gekümmert hat, die kaum geprüft sind, was den Inhalt betrifft, wie viel Blut darin ist - im Namen Gottes, in dessen Namen sich der Mensch allerorten beruft, sobald seine Ideologien zur Macht nicht reichen. Oder wären es die Götter, die Kriege führen für solche Frieden, die nicht halten?

Der gestorbene Papst war darin besser. Ich wünsche, dass der neue Papst noch besser wird, obwohl ich nicht beten mag für den Frieden, weil Wahlen genügen sollten, damit die Politik friedliche Wege geht.

Gönnen wir dem Papst die Chance, die er nun ohnehin hat. Und seien wir ein Teil jener Öffentlichkeit, die den Fundamentalisten weltweit auf die Tatsache hinweist, dass wer anderen Menschen das gemeinsame Fundament bestreitet, ein Dieb ist - egal mit welchen Sprüchen.

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