11 Juni 2004

Unionsparteien und FDP wollen die nationale Ölreserver verhökern

Vor dem Hintergrund gestiegener Öl-Preise verlangte der stellv. CDU-Bundesvorsitzende Christoph Böhr in der BILD-Zeitung zur Senkung der Energiepreise in Deutschland: "Die nationale Ölreserve ist ein Relikt aus der Vergangenheit, sie macht überhaupt keinen Sinn mehr ... Die 25 Millionen Liter Sprit und Öl sollten zur Marktentlastung genutzt werden, um den Benzinpreis zu drücken."

Kommentar:

1. Solche Einschätzung aus der CDU-Spitze zur nationalen Ölreserve sollte man sich merken, denn die selben Kreise werden uns bei nächster Gelegenheit das Gegenteil sagen.

2. Da der gestiegene Preis vor allem auf der steigenden Nachfrage Indiens und Chinas beruht und wesentlich Folge der dortigen Automobilisierung ist, kann der Verkauf der nationalen Ölreserve nur kurzfristige "Entlastung" bringen.

3. Die nationale Ölreserve ist von den Steuerzahlern insgesamt erkauft worden und nicht nur von Zapfsäulen-Kunden.

4. Die augenblickliche Situation an den Ölmärkten ist im Moment vollends unübersichtlich, denn allein die heutigen Meldungen sprechen von direkt gegensätzlichen Trends und Prognosen, was wesentlich in den unterschiedlichen Möglichkeiten der Öl exportierenden Staaten begründet ist, ihre Fördermengen dem wachsenden Bedarf anzupassen: Wenn ein Staat seine Fördermengen nicht wie die anderen Staaten erhöhen kann, dann verliert er durch den sinkenden Preis Einnahmen.

5. Die Energiepreise in Deutschland sind hoch, aber wie sollte das auch anders sein in einem derart viel verbrauchendem Land bei zugleich wenig eigenem Öl?

Wer die Energiepreise und die Energiekosten (=zweierlei) senken will, ohne sich des Populismus verdächtig zu machen, könnte vieles, vieles tun:
Appell an die Bürger Energie zu sparen; im Haushalt und am Lenkrad, zum Beispiel durch autofreie Sonntage, durch zeitlich befristete Tempolimits; mittelfristig durch Änderung der Straßenverkehrsordnung, dass nur noch sparsamste Kraftfahrzeuge neu zugelassen werden mit Leistungsgrenzen an vernünftigen Tempolimits, restriktive Genehmigungsverfahren für Klima-Anlagen in Häusern, restriktive Vorgaben für die Geräte-Technik gegen deren Standby-Stromfresserei.
So vieles wäre machbar, aber die Politik will die Einsparung nicht, denn sie verdient an der Verschwendung, sogar auch durch die Öko-Steuer, wenn sie bei jedem Liter Sprit mit Festbeträgen dabei ist anstatt mit Prozenten, was die Neigung der Politik steigert, nur am Öl-Preis rumzunörgeln anstatt am hohen Verbrauch.
Von "anderer Politik" ist an den Horizonten nichts zu sehen. Auf keiner politischen Seite.
-markus rabanus- >> Diskussion

Ladenschluss oder Alltag rund um die Uhr?

Fein, wenn wir einkaufen können, wann wir es möchten.

Gut, dass durch die Freigabe der Ladenöffnungszeiten der Einkauf an Tankstellen vermeidbar ist, die das Ladenschlussgesetz immer schon unterlaufen haben und mit überhöhten Preisen die Kunden ärgerten.

Schlecht, wenn uns dadurch jeder Tag zum Alltag würde.

Schlecht, wenn sich Menschen für den Verkäuferberuf entschieden und nun andere Arbeitszeiten haben, als sie es sich vorstellten.

Schlecht, dass es noch mehr Schichtarbeit in der Gesellschaft gäbe, weil darunter Familien und Kindeserziehung leiden, wenn es nicht durch drastische Arbeitszeitverkürzungen ausgeglichen wird.

Schlecht, dass Spät- und Nachtschichten den Energieverbrauch steigern.

Schlecht für die kleinen Geschäfte, denn sie werden durch die Freigabe Ladenöffnungszeiten noch stärker durch die Einkaufszentren verdrängt. Insgesamt gehen dadurch mehr Existenzen und Arbeitsplätze verloren, denn die Kleingeschäfte sind personalintensiver.

Schlecht für die Städte, weil durch die zunehmende Konzentration des Geschäfts auf die Einkaufszentren die Kleingeschäfte aus den Nebenstraßen verschwinden und diese farbloser machen.

Schlecht für die Wohnungswirtschaft, weil die in Erdgeschossen gelegenen Kleingeschäfte nicht unwesentlich zur Rentabilität der Gebäude beitrugen.

Schlecht für die Sozialität der Menschen, denn durch die Anonymität in Einkaufszentren gehen einsamen Menschen weitere persönlichen Kontakte verloren.

Schlecht ist: Die Abende und Nächte werden lauter.

Schlechtes überwiegt in dieser Aufzählung, aber muss dennoch keine Gewichtung ergeben. Immerhin sind es Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Ladenschlussgesetz eine Rolle spielen.

  • Diskussionen
  • 21 Mai 2004

    Zyniker des Europa-Wahlkampfes

    Zusatzfragen an die Politiker:
    1. Die Parteikassen sind leer und die Parteien geraten dadurch in Abhängigkeit von Lobbyisten. Was kostet der EU-Wahlkampf Ihrer Partei?
    2. Die Staatskassen sind verschuldet. Wenn Europa mehr Regierungsmacht erhalten soll, werden dann in den Mitgliedsstaaten Regierungsapparate abgebaut oder sollen die EU-Bürger noch mehr als bisher regiert und verwaltet werden?
    3. Tritt Ihre Partei dafür ein, dass den Kommunen mehr Regierungsselbstverantwortung und Finanzmittel verbleiben, um der Entfremdung von Politik und Bürger entgegenzuwirken?
    4. Worin bestand Ihre konkrete Volksvertretung zu den vorgenannten Fragen? Oder stimmten sie immer nur brav zu, was die Vorstände vorschlugen?

    FOTOS und KOMMENTAR

    GAVAGAI schrieb am 21.5.2004:

    Liebe Diskutanten,

    es freut mich, dass auch andere es so sehen: der Europawahlkampf ist Krampf. Ich erweitere: die gesamte EU ist bisher Krampf (ausgenommen Euro).
    Ein paar Begründungen dazu.
    1) Durch die Presse der letzten Tage geisterte ein Interview (Süddeutsche Zeitung 19. Mai) mit und Ehrungen für Pat Cox. Er war anscheinend 15 Jahre bei der EU ein "hohes Tier". Ich habe seinen Namen zum 1. Mal bewußt gelesen. Ich kann nur folgern: die EU hält es mit den Stoikern: Lebe im Verborgenen!
    2) Wer kennt seinen EU Abgeordneten? ich kenne "meinen" nicht. Eine Anfrage beim EU Büro Deutschland, wie man "seinen" EU Abgeordneten überhaupt bestimmt, blieb natürlich unbeantwortet.
    3) Die EU Website bietet nur eine Möglichkeit auf vorgefertigte Fragen (die IMO lauter verfahrenstechnische, bürokratische, verwaltungstechnische sachverhalte betreffen) zu reagieren. Ein Dialog EU - Bürger findet nicht statt. Insoweit gibt es wenig Unterschied zum Landtag oder Bundestag. Alle agieren fernab vom Bürger. Sie sind zu oft auf Talkshows: keine Zeit für den Bürger.
    4) Ausser der Euro-Einführung haben die EU Politiker nix zustande gebracht, was für den EU Normalbürger zum Vorteil wäre.
    Zum Thema ein paar Seiten von mir:
    EU Parlamentarier sahnen ab: ruhige Kugel und viel Gehalt
    http://www.gavagai.de/korrupt/HHD1307.htm
    Die EU beschäftigt sich vornehmlich mit sich selbst
    http://www.gavagai.de/korrupt/HHD1313.htm

    Redaktion antwortet:

    Hallo Herbert,

    mir ergeht es nicht anders: ich bin "Europa-Fan", aber die Politik verleidet es mir.

    Bei den anstehenden Wahlen werde ich mich nicht verweigern, denn solche Verweigerung ist immer schlecht. Das zeigt alle historische Erfahrung. Und man trifft auch damit Entscheidungen, ob man es will oder nicht. Man wird zum Mehrheitsbeschaffer. Und oft geht es knapp zu.

    Niemals darf man auf sein Wahlrecht verzichten, egal wie beschissen die Parteien auch sind. Ich bin gegen "Wahlpflicht", aber jeder sollte sich in dieser Frage so weit bilden, dass er sein Handeln nicht seinen Stimmungen überlässt.

    Aber was es brauchen würde und das ist mir meine heutige Idee:-) >> Wir brauchen bei den Wahlen eine "Zufriedenheitsnote", mit der man auf dem Wahlzettel zum Ausdruck bringt, wie glücklich man mit seiner Entscheidung ist, denn das werde ich auch dieses Mal ÜBERHAUPT NICHT sein.

    Und das Ergebnis sollen die Parteien mit dem Stimmzettel einfahren und nicht nur über irgendwelche Umfrage-Institute, von denen Kanzler Schröder unter APPLAUS des Hamburger Wahl-Parteitages sagte: "Lasst die anderen die Umfragen gewinnen. Wir gewinnen die Wahlen."

    Das ist die Arroganz, die viel tiefere Bedeutung hat, als dem Redner bewusst oder seinen Zuhörern oder den Menschen im ganzen Land.

    Sie alle verirren sich in Mythen, wenn es um die Wahrheit der Unzufriedenheit geht, die ihren ganz sachlichen Grund in den Versagensmomenten des repräsentativen Parteienstaates hat.

    Es geht nicht um die Alternative irgendeines wüsten Rätesystems, sondern um Volksabstimmungen in den Bereichen, in denen sich die Parteien abwenden von den Vertretenen, weshalb ich für diese Bereiche im Thread "Staatsverdrossenheit" Forderungen artikulierte.

  • Diskussion
  • 14 Mai 2004

    Friedenstour: Daniel Barenboim

    Dirigent Daniel Barenboim in Ramallah: „Als Musiker kämpfe ich gegen zwei Dinge: gegen zu viel Lärm und gegen die Stille. Lärm, das sind für mich Panzer, Bomben und die täglichen Gewaltandrohungen auf beiden Seiten. Stille ist das Schweigen der Mehrheit.“

    Barenboim war inmitten des Abzugs israelischer Siedlungen aus dem Gazastreifen nach Ramallah gereist und gab ein Konzert mit einem aus israelischen und palästinensischen Musikern gemischten Orchester. Anschließend reiste er nach Jerusalem, wo er im israelischen Parlament in Entgegennahme des Wolf-Preises an die Politiker appellierte, die Unabhängigkeitserklärung des Jahres 1948 zu realisieren, in der es programmatisch heißt: "Der Staat Israel wird sich der Entwicklung dieses Landes zum Wohle aller seiner Menschen widmen. Er wird gegründet sein auf den Prinzipien von Freiheit, Gerechtigkeit und dem Wohl aller seiner Menschen, geleitet von den Visionen der Propheten Israels. Er wird allen seinen Bürgern ohne Ansehen der Unterschiede ihres Glaubens, ihrer Rasse oder ihres Geschlechts die gleichen sozialen und politischen Rechte garantieren."
    Es kommt zu Aufregung unter den Parlamentariern, als Barenboim mit den Worten schließt: "Kann das jüdische Volk sich erlauben, so gleichgültig gegenüber den Rechten und Leiden eines Nachbarvolkes zu sein?“ Und dennoch, so stellt "Die Zeit" in einem Kommentar v. 14.05.2004 zutreffend fest, vergeht die Aufregung und die mahnenden, optimistischen Worte Barenboims bleiben. -msr-

    >> www.zeit.de/2004/21/Barenboim?page=1

    23 März 2004

    Israelische Armee richtet den Hamas-Gründer Ahmed Jassin hingerichtet

    Die israelische Armee hat in Gaza den Gründer der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, Scheich Ahmed Jassin, beim Verlassen der Moschee mit drei gezielten Luftangriffen getötet. Der Befehl dazu sei von Scharon gekommen.

    Scharon lobte die Armee und kündigte weitere Schläge dieser Art an. Die Hamas kündigte Vergeltung an. Zehntausende Palästinenser gaben dem Getöteten letztes Geleit. Die EU verurteilte das Attentat energisch als mit dem Völkerrecht und dem Friedensprozess unvereinbar. Die US-Regierung zeigte sich überrascht. ### Scheich Ahmed Jassin war ein Scharfmacher und zweifelsfrei mitverantwortlich für die viele Gewalt im Nahen Osten, deren jüngstes Opfer nun er selbst wurde, was weitere Opfer zur Folge haben wird.
    OW Gaza, Nahost - Monday, March 22, 2004 at 14:55:17 (CET)

    Jassin war ein Prediger des Terrors. Aber darf man ihn töten?

    Und was wäre die Alternative zur Tötung von Jassin gewesen?
    Zunächst mal ganz klar: KEIN Attentat ist schon die Alternative. Aber gerade in diesem Fall lässt sich weiteres sagen: Scheich Jassin hatte seit 1989 eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen, weil er zur Tötung palästinensischer "Kollaborateure" aufgerufen hatte.
    Solche Aufrufe verkünden genau das, was Extremisten mit ihren Kritikern anstellen. Solche Aufrufe hindern die friedliche Entwicklung (welch Wunder!), denn sie machen die demokratischen Kräfte nicht nur "mundtot", sondern tatsächlich tot.
    Deshalb gehören solche Hetzer eingesperrt, solange sie nicht zumindest widerrufen. Aber Jassin wurde am 1.10.1997 begnadigt und nach Jordanien abgeschoben. Warum begnadigte man ihn?
    Im Unterschied zu vielen bin ich recht leicht für Gnade zu haben, aber doch nur dann, wenn die Hoffnung auf Besserung des Begnadigten begründet ist.

    Worauf hätte sich solche Hoffnung gründen können? Hatte Jassin dem Terrorismus abgeschworen und seinen Mordaufruf auch denen gegenüber als VERBRECHEN gestanden, die er zuvor zum Morden aufhetzte?

    -Markus Rabanus- 20040323 >> DISKUSSION

    07 März 2004

    Neue Kinder braucht das Land

    Die CSU hat nicht nur Vitamin C im Namen, sondern auch das "S" und das steht zwar nicht für sozialistisch, aber für sozial. Im Moment macht das "S" mobil, zumindest in den Planungen zur Ablösung der vom Wähler im Moment so ungeliebten Rot-Grün-Regierung (mit Ausnahme von Joschka).

    Was also bedeutet das "S" dieser Tage? Pro Monat 70 Euro von Kinderlosen!

    Die SPD versucht sich derweil mit "Ausbildungsplatzabgaben" um die überschüssigen Kinder zu sorgen und da kommt die CSU und will uns zu mehr Aktivität in die Betten jagen?

    Wären nicht auch durch die Globalisierung die Menschen ins Land zu holen, um in unserem Sozialsystem die alternden Menschen in der Wirtschaft zu ersetzen? Gibt es der Menschen auf Erden denn noch immer nicht genug, dass wir noch immer mit begrenzten Köpfen in Staatsgrenzen die Menschen sehen? Sicherlich, so wie bisher, nur mit Menschlichkeitssprüchen, kann die Einwanderung kein Problem lösen und schafft nur neue dazu.

    Ist es nicht möglich, die Gesellschaft so zu organisieren, dass sich durch Integration, durch Bildung und Verteilung der Arbeit die Verhältnisse bessern? Ich halte Politiker für überbezahlt, solange da nichts in die Spur kommt, was mehr Arbeit schafft. Und der einzige Weg dafür scheint mir die Verteilung der Arbeit - und nicht deren Verlängerung für jene, die ohnehin schon für zu viele mitarbeiten.

    Die CSU-Idee mit den monatlichen 70 Euro von Kinderlosen abzukassieren, halte ich nur für ein "kinderlieb"-tuendes Ablenkungsmanöver davon, dass es ihr in den wichtigen Arbeitsmarktfragen ebenso wenig einfällt wie der Regierung, denn ansonsten wären solche neuen Abgaben nicht nötig.

    markus rabanus >> Diskussion

    01 Januar 2004

    Fehlende Artikel

    Fehlende Artikel dieses Zeitraums werden nachgetragen. Das ist sehr mühsam, weil sich viele unserer Artikel in gehackten Foren befinden. Ab 01.01.2004

    Inidia-Besucher Jahr 2003

    Anzahl der Besucher Ihrer Website. Wiederkehrende Besucher werden nicht doppelt gezählt. Ohne Foren und Blogs.

    dieses Statistik-Programm haben wir erst seit JULI 2003

    Datum Monat Besucher
    1.1.2003 1 0
    1.2.2003 2 0
    1.3.2003 3 0
    1.4.2003 4 0
    1.5.2003 5 0
    1.6.2003 6 0
    1.7.2003 7 69.449
    1.8.2003 8 94.834
    1.9.2003 9 136.473
    1.10.2003 10 147.602
    1.11.2003 11 181.668
    1.12.2003 12 158.410
    Insgesamt: 788436 Besucher

    Was macht diese Statistikauswertung?
    Diese Auswertung fasst alle Seitenaufrufe eines Besuchers, gekennzeichnet durch seine IP-Adresse und seine Browserkennung, zu einem Besuch (unique visit) zusammen. Ein Besucher wird nur gezählt, wenn er mindestens eine Page-Impression, d.h. eine vollständig geladene Seite mit dem Rückgabewert 200 oder 304, ohne Bestandteile wie Bilder und Dateien mit den Endungen .png, .jpg, jpeg, .gif, .swf, .css, .class oder .js auslöst. Liegen mehr als 30 Minuten zwischen den einzelnen Page-Impressions, so wird der Besucher mehrfach gezählt. Ein Besuch kann maximal 30 Minuten dauern.

    Was kann ich dadurch erfahren?
    Aus der Anzahl der Besucher lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Größe des Publikums Ihrer Site. Sie können ebenfalls sehen, wie sich der Bekanntheitsgrad Ihrer Site über einen bestimmten Zeitraum verändert hat.

    Hinweis: Es kann Abweichungen zwischen den Zahlen der 1&1 WebStatistik und den Zahlen anderer Webstatistik-Tools geben. Diese Unterschiede sind bedingt durch die verschiedenen Erfassungs- und Auswertungsmethoden. Alle Auswertungen der 1&1 WebStatistik bedienen sich statistischer Methoden, welche automatisch erzeugte Logfiles auswerten. Durch prinzipielle, unvermeidliche Ungenauigkeiten kann es vorkommen, dass nicht alle Informationen erfasst werden können. Die 1&1 WebStatistik kann keine rechtsverbindliche Grundlage z.B. für Abrechnungszwecke liefern!


  • ältere Statistiken
  • 31 Dezember 2003

    Fehlende Artikel des Jahres 2003

    Fehlende Artikel dieses Zeitraums werden nachgetragen. Das ist sehr mühsam, weil sich viele unserer Artikel in gehackten Foren befinden.

  • Hilfsweise >> wikipedia2003


  • Ersatzweise >> http://www.dialoglexikon.de/kurzmeldungen_2003.htm

    30 Dezember 2003

    Verschärfung des Sexualstrafrechts im Gesetzblatt

    Presseerklärung - Berlin, 30. Dezember 2003

    Heute ist die von der rot-grünen Bundesregierung eingebrachte Verschärfung des Sexualstrafrechts im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Der Deutsche Bundestag hatte die Reform am 19. Dezember 2003 im Deutschen Bundestag endgültig verabschiedet.

    Mit Inkrafttreten des Gesetzes wird der strafrechtliche Schutz von Kindern und behinderten Menschen gegen sexuellen Missbrauch verbessert, indem Schutzlücken geschlossen und – wo nötig – Strafen verschärft werden.

    „Mit den Neuregelungen setzen wir ein wichtiges Signal bei der Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern und behinderten Menschen. Mir ist wichtig, ungleiche strafrechtliche Wertungen beim sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen aufzuheben. Ein bedeutendes Anliegen war es, vor allem den Austausch von kinderpornographischen Darstellungen im Internet innerhalb von geschlossenen Nutzergruppen schärfer zu sanktionieren. Künftig kann dies mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet werden. Davon soll die unmissverständliche Botschaft ausgehen: Kinderpornographie ist ein Verbrechen an der Seele der Kinder. Wer solche Fotos tauscht, setzt den Anreiz dafür, dass kinderpornographisches Material produziert wird. Deshalb wird jede und jeder unnachgiebig verfolgt und hart bestraft, der entsprechende Fotos besorgt. Zudem wird künftig bei jeder Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung – also auch beim Exhibitionismus – eine DNA-Analyse und –Speicherung angeordnet werden können“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

    Das Gesetz hat folgende inhaltliche Schwerpunkte:

    1. Sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB)

    Der Grundtatbestand des § 176 Abs. 1 und Abs. 2 StGB bleibt ein Vergehen mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
    Es gibt künftig keine minderschweren Fälle der Grundtatbestände des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mehr (Streichung).
    Hinzu kommen künftig besonders schwere Fälle (Einfügung eines neuen § 176 Abs. 3 StGB) des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit einem Strafrahmen von 1 Jahr bis zu 15 Jahren.
    Beispiel: Bisher fielen sehr viele beischlafähnliche Praktiken (z. B. der sog. Schenkelverkehr) oder die Fälle, in denen das Kind am Täter masturbieren muss, unter den einfachen sexuellen Missbrauch. Künftig wird hier das Gericht die Tat aufgrund der Intensität und der Nähe zum Beischlaf einen besonders schweren Fall annehmen und mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr ahnden.
    Bei Missbrauch ohne körperlichen Kontakt (§ 176 Abs. 3 StGB/alt; § 176 Abs. 4 StGB/neu) wird der Strafrahmen von bisher Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe auf künftig Freiheitsstrafe von 3 Monate bis zu 5 Jahren angehoben.
    2. Die Strafrahmen für den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB/alt; § 176a Abs. 2 StGB/neu), also die Fälle, in denen z. B. der Täter mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder in dem mehrere Personen sich an dem Kind vergehen, werden angehoben:

    Bisher gilt eine Mindeststrafe von 1 Jahr, künftig von 2 Jahren.
    Bei minderschweren Fällen verschiebt sich der Strafrahmen von bisher Freiheitsstrafe von drei 3 Monaten bis zu 5 Jahren auf künftig Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren (§176a Abs. 4 StGB/neu)
    Die als Verbrechen eingestufte Rückfallvorschrift wird beibehalten (§ 176 Abs. 1 Nr. 4 StGB/alt;§ 176 Abs. 1 StGB/neu) . Die Vorschrift sieht vor, dass ein Täter, der innerhalb der letzten fünf Jahre wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde, bei einer neuerlichen Tat mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zu rechnen hat.

    3. Beim sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) kommt es zum Gleichlauf zu § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) einerseits, aber auch zum Gleichlauf zu § 177 StGB (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) andererseits:

    Der Grundtatbestand bleibt mit sechs Monaten bis zu 10 Jahren sanktioniert, minderschwere Fälle des Grundtatbestandes werden gestrichen.
    Besonders schwere Fälle werden zukünftig mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr sanktioniert.
    Führt der Täter z. B. den Beischlaf aus (Qualifikation), so kommt es zu der neuen Mindeststrafe von 2 Jahren (vorher: 1 Jahr). Durch den künftigen Gleichlauf mit der zweijährigen Mindeststrafe bei der Vergewaltigung wird auch das Ziel einer Angleichung der Strafrahmen dieser Vorschriften an den Strafrahmen des § 177 StGB (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) erreicht, was insbesondere Forderungen von Behindertenverbänden entspricht.
    4. In anderen Tatbeständen wird der bisherige Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe auf künftig Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren angehoben. Zu diesen Delikten zählen:

    sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB),
    sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen (§ 174a StGB),
    sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b StGB) und
    sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174c StGB).
    Dazu kommt eine Erweiterung des Schutzbereichs des § 174a StGB (Streichung des Wortes „stationär“) und des § 174c StGB (auf körperlich kranke oder behinderte Personen).

    5. Der strafrechtliche Schutz von Kindern gegen sexuellen Missbrauch wird auch durch neue Straftatbestände verbessert.

    Beim einfachen sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt mit einem Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 5 Jahren gibt es neue Straftatbestände. Künftig macht sich strafbar:
    Wer durch Schriften auf ein Kind einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB/neu). Beispiel: Der Täter zeigt dem Kind Pornohefte oder Filme, damit das Kind dort gesehene Handlungen mit dem Täter oder alleine wiederholt. Oder: Der Täter schreibt dem Kind eine Email, um sich mit dem Kind zu sexuellen Kontakten zu verabreden.
    Wer ein Kind für sexuellen Missbrauch anbietet oder nachzuweisen verspricht (§ 176 Abs. 5 StGB/neu). Beispiel: Der Täter inseriert im Internet und bietet Kinder für sexuellen Missbrauch an. Unerheblich ist grundsätzlich, ob er das Angebot ernst gemeint hat oder nicht. Erscheint es als eine ernsthafte Anzeige und nicht nur als „Witz“, hat er sich grundsätzlich strafbar gemacht.
    Wer sich mit einem anderen zum sexuellen Missbrauch eines Kindes verabredet (§ 176 Abs. 5 StGB/neu). Beispiel: Stiefvater und Freund beschließen, sich gemeinsam an der minderjährigen Tochter zu vergehen.
    6. Flankiert werden diese Maßnahmen durch eine Erweiterung der Vorschrift des § 78b StGB. § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB (Ruhen der Verjährung bis zum 18. Lebensjahr) soll nicht nur um § 174 StGB (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) ergänzt werden, sondern auch um § 174a StGB (Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen), § 174b StGB (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung) und § 174c StGB (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses). Damit beginnt die Verjährung bei solchen Taten erst mit dem 18. Lebensjahr des Opfers zu laufen.

    7. Der Verbreitung kinderpornographischer Schriften soll nachdrücklicher als bisher mit den Mitteln des Strafrechts Einhalt geboten werden. Deshalb wird der bisherige, unübersichtliche § 184 StGB (Verbreitung pornographischer Schriften) neu geordnet und mit § 184b StGB ein eigener Tatbestand für Kinderpornographie geschaffen.

    § 184b Abs. 1 StGB (neu) sanktioniert die Verbreitung, das öffentliche Ausstellen, Herstellen, Anbieten etc. kinderpornographischer Schriften mit einem Strafmaß von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, hier gibt es keine Änderung.
    Abs. 2 bestraft denjenigen, der es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen statt wie bisher mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr nunmehr mit einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren.
    Abs. 3 sanktioniert wie bisher die gewerbs- oder bandenmäßige Verbreitung kinderpornographischer Schriften mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren, nimmt aber zusätzlich die gewerbs- oder bandenmäßige Besitzverschaffung an andere (z. B. geschlossene Benutzergruppe im Internet) neu auf.
    Abs. 4 sanktioniert die sog. Eigenbesitzverschaffung (z. B. Kauf von Kinderpornos) und den Besitz kinderpornographischer Schriften und erhöht den Strafrahmen von bisher Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe auf Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe.
    Bei einfacher Pornografie (§ 184 StGB/neu)sowie bei gewalt- oder tierpornographischen Schriften (§ 184a StGB/neu) bleibt es bei den bisherigen Regelungen. Besitz und Erwerb von einfacher Pornographie sind weiterhin straffrei.
    8. Auch die Belohnung und Billigung von sexuellem Missbrauch und anderen Sexualstraftaten wird künftig strafbar sein. Deshalb wird der Tatbestand der Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) erweitert um:

    sexuellen Missbrauch eines Kindes in einem besonders schweren Fall (176 Abs. 3 StGB)
    schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a StGB)
    sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b StGB)
    sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1, 2 StGB)
    sexuelle Nötigung mit Todesfolge (§ 178 StGB)
    sexuellen Missbrauch von Widerstandsunfähigen im bes. schweren Fall (§ 179 Abs. 3 StGB).
    9. Zusätzlich wird § 131 StGB (Gewaltdarstellung) so geändert, dass auch die Verbreitung der Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen strafbar wird. Dies war bereits nach dem Attentat von Erfurt beabsichtigt und erfolgt jetzt.

    10. Erweiterung des Katalogs in § 81g StPO: Die Strafverfolger müssen künftig nicht mehr warten, bis ein Sexualtäter massive Straftaten begeht, um eine DNA-Analyse und DNA-Speicherung vorzunehmen.
    Bislang konnte eine DNA-Analyse - obwohl prognostiziert wurde, dass der Täter erhebliche Straftaten begehen wird (sog. Negativprognose) - nur bei Sexualtätern mit erheblicher Straftat (Vergewaltigung, sexueller Missbrauch) genommen werden. Künftig ist eine DNA-Analyse bei allen Tätern möglich, die eine Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen haben. Ohne Belang ist dabei, wie erheblich die Tat war. Bei den Erfordernissen der Negativprognose bleibt es aber selbstverständlich. Zudem werden die Anforderungen an die richterliche Begründung der Negativprognose konkretisiert.
    Beispiel: Bisher ist eine DNA-Analyse in Fällen exhibitionistischer Handlungen (§ 183 StGB) zum Zwecke künftiger Strafverfahren nicht möglich, da es sich nicht um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Nach der Änderung von § 81g StPO wird das nun anders sein.

    11. Im gerichtlichen Verfahren ist künftig einem Nebenkläger, der auf Grund einer psychischen oder physischen Behinderung seine Interessen nicht ausreichend wahrnehmen kann, auf Antrag ein sogenannter Opferanwalt beizuordnen (Opferanwalt für behinderten Nebenkläger).

    12. Bei Heranwachsenden, die nach allgemeinem Strafrecht („Erwachsenenstrafrecht“) verurteilt werden, kann sich das Gericht künftig im Urteil die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Zusätzliche Einschränkung gegenüber den Voraussetzungen, die bei Erwachsenen vorliegen müssen, ist, dass der Heranwachsende in diesem Verfahren (in dem die Sicherungsverwahrung vorbehalten wird) mindestens zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird.

    11 Dezember 2003

    Deutschland zeichnet UN-Konvention gegen Korruption

    Presserklärung - Mérida / Berlin, 11. Dezember 2003

    Deutschland hat heute in Mérida (Mexiko) neben den EU-Partnern und zahlreichen weiteren Staaten die UN-Konvention gegen Korruption gezeichnet. „Die Zeichnung der UN-Konvention ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die internationale Korruption. Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft reicht eine noch so entschlossene Korruptionsbekämpfung auf nationaler Ebene nicht aus. Korruption muss auf internationaler Ebene bekämpft werden. Dazu bedarf es eines koordinierten Vorgehens der Staatengemeinschaft. Deshalb hat Deutschland das Zustandekommen der Konvention mit Nachdruck gefördert und gehört zu den Erstunterzeichnern", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
    Die am 31. Oktober 2003 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Konvention ist das Resultat zweijähriger Verhandlungen, an denen sich Deutschland aktiv beteiligt hat. Sobald 30 Staaten die Konvention ratifiziert haben, tritt sie in Kraft.

    Die Konvention schafft ein weltweit anwendbares und umfassendes Regelungswerk gegen Korruption. Sie enthält unter anderem Regelungen für den präventiv-organisatorischen und strafrechtlichen Bereich, einschließlich der internationalen Zusammenarbeit.

    Bei den präventiven Maßnahmen (Artikel 5 bis 14) ist das weltweit zwingende Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern hervorzuheben.
    Die Ausgestaltung der mit Korruption zusammenhängenden Strafvorschriften (Artikel 15 bis 42) folgt bestehenden internationalen Regelungen. Insbesondere verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, die Bestechung nationaler und ausländischer Amtsträger strafrechtlich zu sanktionieren. Die Konvention bezieht auch Abgeordnete in den Amtsträgerbegriff ein, so dass die weite Strafvorschrift über Amtsträgerbestechung auch auf Parlamentarier Anwendung findet.
    Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit (Artikel 43 bis 50) konnten die traditionellen Rechtsprinzipien bei der Auslieferung und der sonstigen Rechtshilfe durchweg aufrechterhalten werden. Das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit bei Rechtshilfemaßnahmen ohne Zwangscharakter wurde jedoch gelockert. Zukünftig kann Rechtshilfe, die zu keinen Zwangsmaßnahmen führt, nur noch eingeschränkt mit der Begründung verweigert werden, dass das ersuchensgegenständliche Verhalten in Deutschland nicht strafbar ist.
    Für Entwicklungsländer ist insbesondere die Rückgabe von illegal ins Ausland transferierten Vermögenswerten von Bedeutung (Artikel 51 bis 59). Die Konvention erleichtert zukünftig die Rückgabe. Es besteht nun auf der Basis eines rechtskräftigen Urteils im ersuchenden Staat eine grundsätzliche Rückgabepflicht, wobei der für die Rechtshilfe festgeschriebene Katalog von Verweigerungsgründen anwendbar ist.
    Schließlich werden die Grundlagen für einen Überwachungsmechanismus zur Umsetzung und Anwendung des Übereinkommens (Artikel 63 ff.) geschaffen. Die Einzelheiten soll eine Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens zu einem späteren Zeitpunkt festlegen.

    Die Bundesrepublik Deutschland genügt den Vorgaben der Konvention in weiten Teilen bereits jetzt. Deshalb ist der Umsetzungsbedarf für Deutschland begrenzt. Notwendig wird unter anderem eine Neugestaltung des Straftatbestandes über die Abgeordnetenbestechung sein. Das bisher geltende Recht enthält für inländische Abgeordnete in § 108e StGB eine eigenständige Regelung. Danach ist strafbar, wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen. Nach der Konvention muss zudem künftig das verwerfliche Beeinflussen eines Abgeordneten auch bei der sonstigen Wahrnehmung seines Mandats erfasst werden.

  • Korruption
  • 24 September 2003

    BVerfG: Lehrerin mit Kopftuch

    Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zutragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage.
    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden.

    Auf die Verfassungsbeschwerde der Lehrerin, die ihre Einstellung als Beamtinauf Probe in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg anstrebt, hat der Zweite Senat festgestellt, dass die entgegenstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg die Beschwerdeführerin (Bf) in ihren Rechtenaus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 und mit Art. 33 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzen.

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswurde aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Die Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.

    Wegen der Einzelheiten des dem Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 40/2003 vom 16. Mai2003 verwiesen.

    1. Der Senat hat im Wesentlichen ausgeführt:Der zu Grunde liegende Sachverhalt betrifft mehrereverfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen: Jedem Deutschen ist nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnet. Dabei ist ein Zusammenhang zwischen der Zulassung zu öffentlichen Ämtern und dem religiösen Bekenntnis ausgeschlossen.

    Das Tragen eines Kopftuchs durch die Bf in Schule und Unterricht fällt unter den Schutz des Grundrechts der Glaubensfreiheit.

    Mit diesem Grundrecht treten neben dem staatlichen Erziehungsauftrag die Verfassungsgüter des elterlichen Erziehungsrechts und die negative Glaubensfreiheit der Schulkinderin Widerstreit.
    Dazu heißt es in der Entscheidung unter anderem: Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule.

    Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein.

    In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Indem die Bf durch das Tragen des Kopftuchs in Schule und Unterricht die Freiheit in Anspruch nimmt, ihre Glaubensüberzeugung zu zeigen, wird die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler, nämlich kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben, berührt.

    In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.

    Die Länder haben im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit. Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots hat der demokratische Landesgesetzgeber zu lösen, der im öffentlichen Willensbildungsprozess eine für alle zumutbare Regelung zu suchen hat.
    Dabei können die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen. Bei dem zufindenden Mittelweg dürfen auch Schultraditionen, konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starkereligiöse Verwurzelung berücksichtigt werden.
    Diese Grundsätze gelten auch, wenn Lehrern unter Beschränkung ihres individuellen Grundrechts der Glaubensfreiheit für ihr Auftreten und Verhalten in der Schule mit Rücksicht auf die Wahrung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates Pflichten auferlegt werden sollen.
    Bringen Lehrkräfte religiöse oder weltanschauliche Bezüge in Schule und Unterricht ein, kann dies den in Neutralität zu erfüllenden staatlichen Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen. Es ist zumindest möglich, dass dadurch Schulkinder beeinflusst und Konflikte mit Eltern ausgelöst werden, die den Schulfrieden stören und die Erfüllung des Erziehungsauftrags der Schule gefährden können.
    Auch die Bekleidung von Lehrern, die als religiös motiviert verstanden werden kann, kann so wirken. Dies sind aber lediglich abstrakte Gefahren. Sollen bereits derartige bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konflikts auf Grund des Auftretens der Lehrkraft und nicht erst deren konkretes Verhalten als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten oder als Eignungsmangel bewertet werden, so ist eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich. Denn diese Bewertung geht mit einer Einschränkung des vorbehaltlos gewährten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einher.

    Der Senat führt hierzu im Einzelnen aus:

    Der Aussagegehalt des von Musliminnen getragenen Kopftuchs wird höchst unterschiedlich wahrgenommen.

    Es kann ein Zeichen für als verpflichtend empfundene, religiös fundierte Bekleidungsregeln wie für Traditionen der Herkunftsgesellschaft sein.
    In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen.
    Die Deutung des Kopftuchs kann jedoch nicht auf ein Zeichengesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden. Dies zeigen neuere Forschungsergebnisse. Junge muslimische Frauen wählen dasKopftuch auch frei, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
    Insoweit ist nicht belegt, dass die Bf allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde.

    Für die Frage, ob das Tragen eines Kopftuchs in Schule und Unterricht einen Eignungsmangel begründet, kommt es darauf an, wie das Kopftuchauf einen Betrachter wirken kann.
    Hinsichtlich der Wirkung religiöser Ausdrucksmittel ist entscheidend, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung der Schulbehörde oder aufgrund eigener Entscheidung voneiner einzelnen Lehrkraft in Ausübung ihrer Glaubensfreiheit verwendet wird. Duldet der Staat in der Schule eine religiös deutbare Bekleidung von Lehrern, die diese auf Grund individueller Entscheidung tragen, sokann dies mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in derSchule anzubringen, nicht gleichgesetzt werden.

    Der Staat macht mitder Hinnahme einer bestimmten Bekleidung einer einzelnen Lehrerin dieseAussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auchnicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.
    Ein von der Lehrerin aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch kann allerdings deshalb besonders intensiv wirken, weil die Schüler für die gesamte Dauer des Schulbesuchs mit der im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehenden Lehrerin ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind. Es fehlt jedoch eine gesicherte empirische Grundlage für die Annahme, dass vom Tragen des Kopftuchs bestimmende Einflüsse auf die religiöse Orientierung der Schulkinder ausgehen. Die in der mündlichen Verhandlung dazu angehörten Sachverständigen konnten von keinen gesicherten Erkenntnissen über eine solche Beeinflussung von Kindern aus entwicklungspsychologischer Sicht berichten.
    Für ein mit der Abwehr bloß abstrakter Gefährdungen begründetes vorbeugendes Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, reicht die im Land Baden-Württemberg geltende beamten- und schulrechtliche Gesetzeslage nicht aus. Dies wird in der Entscheidung im Einzelnen näher begründet.
    Dem zuständigen Landesgesetzgeber steht es frei, die bislang fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen. So kann er im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen.
    Dabei hat er die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Lehrer, der Schüler, der Eltern und die Pflichtdes Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität angemessen zu berücksichtigen.

    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass sein, das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.

    Die Schule ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinandertreffen und wo sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt.
    Es lassen sich Gründe dafür anführen,die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten.

    Mit der beschriebenen Entwicklung ist aber auch ein größeres Potential möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.

    Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, hat nicht die Exekutive zu entscheiden.

    Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Nur er verfügt über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können.
    Ein Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen als Element einer gesetzgeberischen Entscheidung über das Verhältnis von Staat und Religion im Schulwesen kann die Religionsfreiheit zulässigerweise einschränken. Diese Annahme steht im Einklang mit Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gilt vor allem dann, wenn die betroffenen Grundrechte - wie hier -von der Verfassung ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet sind und eine Regelung damit notwendiger Weise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss.
    Solche Regelungen sind dem Parlament vorbehalten, um sicher zu stellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.

    2. Die Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff führen im Sondervotum aus:

    a. Der von der Senatsmehrheit angenommene Gesetzesvorbehalt für dieBegründung von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Beamten wurde bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Bf selbst vertreten. Aufgrund dieser Annahme bleibt die verfassungsrechtliche Grundsatzfrage nach der staatlichen Neutralität im Bildungs- und Erziehungsraum der Schule unentschieden.
    Außerdem kommt es zu einer im Grundgesetz nicht angelegten Fehlgewichtung im System der Gewaltenteilung sowie imVerständnis der Geltungskraft der Grundrechte beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.
    Schließlich gibt die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf die von ihr angenommene neue Verfassungsrechtslage einzustellen und versäumt es, Rechtsprechung und Verwaltung zu sagen, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzesverfahren sollen.

    Dazu heißt es in der abweichenden Meinung im Einzelnen: Der Grundrechtsschutz für Beamte ist funktionell begrenzt.

    Wer Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Beamtete Lehrer genießen bereits vom Ansatz her nicht denselben Grundrechtsschutz wie Eltern und Schüler: Sie sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie teilhaben an der Ausübung öffentlicher Gewalt.

    Die Dienstpflicht des Beamten ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Beamten gegenübertritt.

    Mit Dienstpflichten sichert der Staat in seiner Binnensphäre die gleichmäßige, gesetzes- und verfassungstreueVerwaltung. Die Rechtsstellung des Bewerbers, der keinen Einstellungsanspruch hat, darf nicht aus der Abwehrperspektive eines Grundrechtsträgers gegen den Staat gesehen werden.
    Mit dem freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis entscheidet sich der Bewerber in Freiheit für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherrn.

    Die Geltung des Gesetzesvorbehalts im Schulrecht ist in der Vergangenheit nicht zum Schutze der beamteten Lehrer, sondern um der Eltern und Schüler willen ausgeweitet worden. Wer im grundrechtsverpflichteten Lehrer primär den Grundrechtsträger sieht und seine Freiheitsansprüche damit gegen Schüler und Eltern richtet, verkürzt deren Freiheit.

    Beamte sollen freiheitsbewusste Staatsbürgersein, sie sollen zugleich aber den grundsätzlichen Vorrang der Dienstpflichten und den darin verkörperten Willen der demokratischenOrgane achten. Das Beamtenverhältnis als besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat ist gerade keine vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägte Rechtsbeziehung. Die hier zu beurteilende Eignungsbeurteilung darf nicht mit einem Eingriff in die Glaubensfreiheit verwechselt werden.

    Die Neutralitätspflicht des Beamten ergibt sich aus der Verfassung selbst. Die Begründung der Senatsmehrheit ist deshalb mit grundlegenden Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat nicht vereinbar. Verkannt wird insbesondere die Stellung des öffentlichen Dienstes bei der Verwirklichung des demokratischen Willens.

    Im Einzelnen heißt es dazu: Wer Beamter werden will, strebt die Nähe zur öffentlichen Gewalt an undbegehrt - wie die Bf - die Begründung eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Staat.
    Diese Pflichtenstellung überlagert den grundsätzlich auch für Beamte geltenden Schutz der Grundrechte, soweitAufgabe und Zweck des öffentlichen Amts dies erfordern.
    Die dem Beamten obliegenden Verpflichtungen sind entscheidend für das Vertrauen der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben des demokratischen Rechtsstaats. Hieraus folgt das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot der Beamten, das der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Staates auch für den religiösen und weltanschaulichen Bereich entspricht.
    Es kennzeichnet das Berufsbeamtentum, dass der Dienstherr Dienstpflichten nach den jeweiligen Bedürfnissen einer rechtsstaatlichen und sachlich wirksamen Verwaltung festlegt. Diese Prinzipien gelten unmittelbar von Verfassungs wegen. Die Anforderungen an Zurückhaltung und Neutralität des Beamten bedürfen deshalb weder allgemein noch im Schulverhältnis weiterer gesetzlicher Konkretisierung.

    b. Nach diesen Maßstäben ist das von der Bf begehrte kompromisslose Tragen des Kopftuchs im Schulunterricht mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot eines Beamten nicht vereinbar.

    Um die Eignung eines Beamtenbewerbers zu verneinen, bedarf es keiner "konkreten Gefährdung des Schulfriedens". Diese Annahme verkennt den Beurteilungsmaßstab für die Eignungsbeurteilung. Die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeitaus dem Dienst wegen Verletzung seiner Dienstpflichten ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb muss der Dienstherr bereits zuvor imRahmen der Eignungsprüfung dafür sorgen, dass niemand Beamter wird, der nicht die Gewähr dafür bietet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Dienstpflichten einzuhalten.
    Auch auf eine abstrakte Gefahrenlage kommt es in einem solchen Konfliktfall nicht an. Es widerspricht vielmehr dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt, wenn sich der Staat gegen seine eigenen Beamten, die ihn verkörpern und durch die er handelt, auf die polizeirechtliche Gefahrenschwelle berufen müsste, um deren Verhalten im Dienst zu reglementieren. Zur Konkretisierung einer Dienstpflicht von Beamten bedarf es auch nicht des wissenschaftlich-empirischen Nachweises einer Gefahrenlage.
    Durch die Verwendung signifikanter Bekleidungssymbole erscheint ein Konflikt in nachvollziehbarer Weise oder sogar naheliegend. Davon sind die Fachgerichte zu Recht ausgegangen.
    Das Kopftuch, getragen als kompromisslose Erfüllung eines von der Beschwerdeführerin angenommenen islamischen Verhüllungsgebotes der Frau, steht gegenwärtig für vieleMenschen innerhalb und außerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft für eine religiös begründete kulturpolitische Aussage, insbesondere dasVerhältnis der Geschlechter zueinander betreffend. Die Senatsmehrheithat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Sie hat sich deshalb auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Auffassung, eine Verhüllung der Frauen gewährleiste ihre Unterordnung unter dem Mann, offenbar von einer nicht unbedeutenden Zahl der Anhänger islamischen Glaubens vertreten wird und deshalb geeignet ist, Konflikte mit der auch im Grundgesetz deutlich akzentuierten Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorzurufen.

    c. Der baden-württembergische Landtag hat ausdrücklich bekundet, aus Anlass des Falles der Bf kein formelles Gesetz zu erlassen. Dies übergeht die Begründung der Senatsmehrheit. Die dem Landesgesetzgeber anheimgestellte Aufgabe, sich unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebende Beschränkungen deklaratorisch nachzuzeichnen, ist aber nicht seine Sache, zumal ein solches Gesetz möglicherweise in späterenVerfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut auf den Prüfstand gestellt wird.
    Zudem wird die Volksvertretung im Unklaren gelassen, wie eine verfassungsgemäße Regelung aussehen kann. Die offenen Fragen zählt das Sondervotum auf.
    Schließlich kann sich der Landesgesetzgeber nicht auf die angenommene neue Verfassungsrechtslage einstellen. Rechtsprechung und Verwaltung erfahren nicht, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzes verfahren sollen.

    Der Senat lässt eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage trotz Entscheidungsreife unbeantwortet. Mit der unerwarteten Forderung der Senatsmehrheit nach einem Gesetzesvorbehalt für die Begründung von Dienstpflichten wird das auch dem Staat als Verfahrensbeteiligtem zustehende Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend berücksichtigt. Ein solcher Gesetzesvorbehalt war auch in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthafter Gegenstand des Rechtsgesprächs. Das Land hätte dazu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssen. Angesichts dieses prozessualen Versäumnisses hätte dem Landesgesetzgeber auch nach der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt eine angemessene Übergangsfristgewährt werden müssen. Dies hätte die Auswirkungen einer Überraschungsentscheidung gemindert. Der Landesgesetzgeber hätte dann auch für den vorliegenden Fall eine wirksame gesetzliche Grundlage schaffen können.

    Schließlich bleibt auch unklar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit dem zurückverwiesenen Rechtsstreit weiter verfahren soll. Einerseits müsste es auf der Grundlage der Annahme der Senatsmehrheit der Klage zur Zeit stattgeben, was zu beamtenrechtlich vollendeten Tatsachen führen würde, andererseits käme auch eineAussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Betracht, bis der Landtag eine lehrerdienstrechtliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat.

    Urteil vom 24. September 2003 - Az. 2 BvR 1436/02 -Karlsruhe, den 24. September 2003

    BVerfG: Kopftuch und Arbeitsrecht

    Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zutragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage.
    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden.

    Auf die Verfassungsbeschwerde der Lehrerin, die ihre Einstellung als Beamtinauf Probe in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg anstrebt, hat der Zweite Senat festgestellt, dass die entgegenstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg die Beschwerdeführerin (Bf) in ihren Rechtenaus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 und mit Art. 33 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzen.

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswurde aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Die Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.

    Wegen der Einzelheiten des dem Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 40/2003 vom 16. Mai2003 verwiesen.

    1. Der Senat hat im Wesentlichen ausgeführt:Der zu Grunde liegende Sachverhalt betrifft mehrereverfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen: Jedem Deutschen ist nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnet. Dabei ist ein Zusammenhang zwischen der Zulassung zu öffentlichen Ämtern und dem religiösen Bekenntnis ausgeschlossen.

    Das Tragen eines Kopftuchs durch die Bf in Schule und Unterricht fällt unter den Schutz des Grundrechts der Glaubensfreiheit.

    Mit diesem Grundrecht treten neben dem staatlichen Erziehungsauftrag die Verfassungsgüter des elterlichen Erziehungsrechts und die negative Glaubensfreiheit der Schulkinderin Widerstreit.
    Dazu heißt es in der Entscheidung unter anderem: Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule.

    Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein.

    In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Indem die Bf durch das Tragen des Kopftuchs in Schule und Unterricht die Freiheit in Anspruch nimmt, ihre Glaubensüberzeugung zu zeigen, wird die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler, nämlich kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben, berührt.

    In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.

    Die Länder haben im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit. Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots hat der demokratische Landesgesetzgeber zu lösen, der im öffentlichen Willensbildungsprozess eine für alle zumutbare Regelung zu suchen hat.
    Dabei können die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen. Bei dem zufindenden Mittelweg dürfen auch Schultraditionen, konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starkereligiöse Verwurzelung berücksichtigt werden.
    Diese Grundsätze gelten auch, wenn Lehrern unter Beschränkung ihres individuellen Grundrechts der Glaubensfreiheit für ihr Auftreten und Verhalten in der Schule mit Rücksicht auf die Wahrung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates Pflichten auferlegt werden sollen.
    Bringen Lehrkräfte religiöse oder weltanschauliche Bezüge in Schule und Unterricht ein, kann dies den in Neutralität zu erfüllenden staatlichen Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen. Es ist zumindest möglich, dass dadurch Schulkinder beeinflusst und Konflikte mit Eltern ausgelöst werden, die den Schulfrieden stören und die Erfüllung des Erziehungsauftrags der Schule gefährden können.
    Auch die Bekleidung von Lehrern, die als religiös motiviert verstanden werden kann, kann so wirken. Dies sind aber lediglich abstrakte Gefahren. Sollen bereits derartige bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konflikts auf Grund des Auftretens der Lehrkraft und nicht erst deren konkretes Verhalten als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten oder als Eignungsmangel bewertet werden, so ist eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich. Denn diese Bewertung geht mit einer Einschränkung des vorbehaltlos gewährten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einher.

    Der Senat führt hierzu im Einzelnen aus:

    Der Aussagegehalt des von Musliminnen getragenen Kopftuchs wird höchst unterschiedlich wahrgenommen.

    Es kann ein Zeichen für als verpflichtend empfundene, religiös fundierte Bekleidungsregeln wie für Traditionen der Herkunftsgesellschaft sein.
    In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen.
    Die Deutung des Kopftuchs kann jedoch nicht auf ein Zeichengesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden. Dies zeigen neuere Forschungsergebnisse. Junge muslimische Frauen wählen dasKopftuch auch frei, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
    Insoweit ist nicht belegt, dass die Bf allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde.

    Für die Frage, ob das Tragen eines Kopftuchs in Schule und Unterricht einen Eignungsmangel begründet, kommt es darauf an, wie das Kopftuchauf einen Betrachter wirken kann.
    Hinsichtlich der Wirkung religiöser Ausdrucksmittel ist entscheidend, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung der Schulbehörde oder aufgrund eigener Entscheidung voneiner einzelnen Lehrkraft in Ausübung ihrer Glaubensfreiheit verwendet wird. Duldet der Staat in der Schule eine religiös deutbare Bekleidung von Lehrern, die diese auf Grund individueller Entscheidung tragen, sokann dies mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in derSchule anzubringen, nicht gleichgesetzt werden.

    Der Staat macht mitder Hinnahme einer bestimmten Bekleidung einer einzelnen Lehrerin dieseAussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auchnicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.
    Ein von der Lehrerin aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch kann allerdings deshalb besonders intensiv wirken, weil die Schüler für die gesamte Dauer des Schulbesuchs mit der im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehenden Lehrerin ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind. Es fehlt jedoch eine gesicherte empirische Grundlage für die Annahme, dass vom Tragen des Kopftuchs bestimmende Einflüsse auf die religiöse Orientierung der Schulkinder ausgehen. Die in der mündlichen Verhandlung dazu angehörten Sachverständigen konnten von keinen gesicherten Erkenntnissen über eine solche Beeinflussung von Kindern aus entwicklungspsychologischer Sicht berichten.
    Für ein mit der Abwehr bloß abstrakter Gefährdungen begründetes vorbeugendes Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, reicht die im Land Baden-Württemberg geltende beamten- und schulrechtliche Gesetzeslage nicht aus. Dies wird in der Entscheidung im Einzelnen näher begründet.
    Dem zuständigen Landesgesetzgeber steht es frei, die bislang fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen. So kann er im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen.
    Dabei hat er die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Lehrer, der Schüler, der Eltern und die Pflichtdes Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität angemessen zu berücksichtigen.

    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass sein, das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.

    Die Schule ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinandertreffen und wo sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt.
    Es lassen sich Gründe dafür anführen,die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten.

    Mit der beschriebenen Entwicklung ist aber auch ein größeres Potential möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.

    Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, hat nicht die Exekutive zu entscheiden.

    Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Nur er verfügt über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können.
    Ein Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen als Element einer gesetzgeberischen Entscheidung über das Verhältnis von Staat und Religion im Schulwesen kann die Religionsfreiheit zulässigerweise einschränken. Diese Annahme steht im Einklang mit Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gilt vor allem dann, wenn die betroffenen Grundrechte - wie hier -von der Verfassung ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet sind und eine Regelung damit notwendiger Weise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss.
    Solche Regelungen sind dem Parlament vorbehalten, um sicher zu stellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.

    2. Die Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff führen im Sondervotum aus:

    a. Der von der Senatsmehrheit angenommene Gesetzesvorbehalt für dieBegründung von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Beamten wurde bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Bf selbst vertreten. Aufgrund dieser Annahme bleibt die verfassungsrechtliche Grundsatzfrage nach der staatlichen Neutralität im Bildungs- und Erziehungsraum der Schule unentschieden.
    Außerdem kommt es zu einer im Grundgesetz nicht angelegten Fehlgewichtung im System der Gewaltenteilung sowie imVerständnis der Geltungskraft der Grundrechte beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.
    Schließlich gibt die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf die von ihr angenommene neue Verfassungsrechtslage einzustellen und versäumt es, Rechtsprechung und Verwaltung zu sagen, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzesverfahren sollen.

    Dazu heißt es in der abweichenden Meinung im Einzelnen: Der Grundrechtsschutz für Beamte ist funktionell begrenzt.

    Wer Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Beamtete Lehrer genießen bereits vom Ansatz her nicht denselben Grundrechtsschutz wie Eltern und Schüler: Sie sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie teilhaben an der Ausübung öffentlicher Gewalt.

    Die Dienstpflicht des Beamten ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Beamten gegenübertritt.

    Mit Dienstpflichten sichert der Staat in seiner Binnensphäre die gleichmäßige, gesetzes- und verfassungstreueVerwaltung. Die Rechtsstellung des Bewerbers, der keinen Einstellungsanspruch hat, darf nicht aus der Abwehrperspektive eines Grundrechtsträgers gegen den Staat gesehen werden.
    Mit dem freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis entscheidet sich der Bewerber in Freiheit für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherrn.

    Die Geltung des Gesetzesvorbehalts im Schulrecht ist in der Vergangenheit nicht zum Schutze der beamteten Lehrer, sondern um der Eltern und Schüler willen ausgeweitet worden. Wer im grundrechtsverpflichteten Lehrer primär den Grundrechtsträger sieht und seine Freiheitsansprüche damit gegen Schüler und Eltern richtet, verkürzt deren Freiheit.

    Beamte sollen freiheitsbewusste Staatsbürgersein, sie sollen zugleich aber den grundsätzlichen Vorrang der Dienstpflichten und den darin verkörperten Willen der demokratischenOrgane achten. Das Beamtenverhältnis als besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat ist gerade keine vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägte Rechtsbeziehung. Die hier zu beurteilende Eignungsbeurteilung darf nicht mit einem Eingriff in die Glaubensfreiheit verwechselt werden.

    Die Neutralitätspflicht des Beamten ergibt sich aus der Verfassung selbst. Die Begründung der Senatsmehrheit ist deshalb mit grundlegenden Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat nicht vereinbar. Verkannt wird insbesondere die Stellung des öffentlichen Dienstes bei der Verwirklichung des demokratischen Willens.

    Im Einzelnen heißt es dazu: Wer Beamter werden will, strebt die Nähe zur öffentlichen Gewalt an undbegehrt - wie die Bf - die Begründung eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Staat.
    Diese Pflichtenstellung überlagert den grundsätzlich auch für Beamte geltenden Schutz der Grundrechte, soweitAufgabe und Zweck des öffentlichen Amts dies erfordern.
    Die dem Beamten obliegenden Verpflichtungen sind entscheidend für das Vertrauen der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben des demokratischen Rechtsstaats. Hieraus folgt das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot der Beamten, das der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Staates auch für den religiösen und weltanschaulichen Bereich entspricht.
    Es kennzeichnet das Berufsbeamtentum, dass der Dienstherr Dienstpflichten nach den jeweiligen Bedürfnissen einer rechtsstaatlichen und sachlich wirksamen Verwaltung festlegt. Diese Prinzipien gelten unmittelbar von Verfassungs wegen. Die Anforderungen an Zurückhaltung und Neutralität des Beamten bedürfen deshalb weder allgemein noch im Schulverhältnis weiterer gesetzlicher Konkretisierung.

    b. Nach diesen Maßstäben ist das von der Bf begehrte kompromisslose Tragen des Kopftuchs im Schulunterricht mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot eines Beamten nicht vereinbar.

    Um die Eignung eines Beamtenbewerbers zu verneinen, bedarf es keiner "konkreten Gefährdung des Schulfriedens". Diese Annahme verkennt den Beurteilungsmaßstab für die Eignungsbeurteilung. Die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeitaus dem Dienst wegen Verletzung seiner Dienstpflichten ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb muss der Dienstherr bereits zuvor imRahmen der Eignungsprüfung dafür sorgen, dass niemand Beamter wird, der nicht die Gewähr dafür bietet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Dienstpflichten einzuhalten.
    Auch auf eine abstrakte Gefahrenlage kommt es in einem solchen Konfliktfall nicht an. Es widerspricht vielmehr dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt, wenn sich der Staat gegen seine eigenen Beamten, die ihn verkörpern und durch die er handelt, auf die polizeirechtliche Gefahrenschwelle berufen müsste, um deren Verhalten im Dienst zu reglementieren. Zur Konkretisierung einer Dienstpflicht von Beamten bedarf es auch nicht des wissenschaftlich-empirischen Nachweises einer Gefahrenlage.
    Durch die Verwendung signifikanter Bekleidungssymbole erscheint ein Konflikt in nachvollziehbarer Weise oder sogar naheliegend. Davon sind die Fachgerichte zu Recht ausgegangen.
    Das Kopftuch, getragen als kompromisslose Erfüllung eines von der Beschwerdeführerin angenommenen islamischen Verhüllungsgebotes der Frau, steht gegenwärtig für vieleMenschen innerhalb und außerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft für eine religiös begründete kulturpolitische Aussage, insbesondere dasVerhältnis der Geschlechter zueinander betreffend. Die Senatsmehrheithat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Sie hat sich deshalb auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Auffassung, eine Verhüllung der Frauen gewährleiste ihre Unterordnung unter dem Mann, offenbar von einer nicht unbedeutenden Zahl der Anhänger islamischen Glaubens vertreten wird und deshalb geeignet ist, Konflikte mit der auch im Grundgesetz deutlich akzentuierten Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorzurufen.

    c. Der baden-württembergische Landtag hat ausdrücklich bekundet, aus Anlass des Falles der Bf kein formelles Gesetz zu erlassen. Dies übergeht die Begründung der Senatsmehrheit. Die dem Landesgesetzgeber anheimgestellte Aufgabe, sich unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebende Beschränkungen deklaratorisch nachzuzeichnen, ist aber nicht seine Sache, zumal ein solches Gesetz möglicherweise in späterenVerfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut auf den Prüfstand gestellt wird.
    Zudem wird die Volksvertretung im Unklaren gelassen, wie eine verfassungsgemäße Regelung aussehen kann. Die offenen Fragen zählt das Sondervotum auf.
    Schließlich kann sich der Landesgesetzgeber nicht auf die angenommene neue Verfassungsrechtslage einstellen. Rechtsprechung und Verwaltung erfahren nicht, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzes verfahren sollen.

    Der Senat lässt eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage trotz Entscheidungsreife unbeantwortet. Mit der unerwarteten Forderung der Senatsmehrheit nach einem Gesetzesvorbehalt für die Begründung von Dienstpflichten wird das auch dem Staat als Verfahrensbeteiligtem zustehende Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend berücksichtigt. Ein solcher Gesetzesvorbehalt war auch in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthafter Gegenstand des Rechtsgesprächs. Das Land hätte dazu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssen. Angesichts dieses prozessualen Versäumnisses hätte dem Landesgesetzgeber auch nach der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt eine angemessene Übergangsfristgewährt werden müssen. Dies hätte die Auswirkungen einer Überraschungsentscheidung gemindert. Der Landesgesetzgeber hätte dann auch für den vorliegenden Fall eine wirksame gesetzliche Grundlage schaffen können.

    Schließlich bleibt auch unklar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit dem zurückverwiesenen Rechtsstreit weiter verfahren soll. Einerseits müsste es auf der Grundlage der Annahme der Senatsmehrheit der Klage zur Zeit stattgeben, was zu beamtenrechtlich vollendeten Tatsachen führen würde, andererseits käme auch eineAussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Betracht, bis der Landtag eine lehrerdienstrechtliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat.

    Urteil vom 24. September 2003 - Az. 2 BvR 1436/02 -Karlsruhe, den 24. September 2003

    22 August 2003

    Schill - ein Nachruf

    Ronald Barnabas Schill, der allseits beliebte Nachwuchspolitiker aus dem Schanzenviertel, der König der Herzen, Anwärter auf den Friedensnobelpreis 2015, ist Anfang dieser Woche schnöde kaltgestellt worden. Eben war er noch Anwärter auf das Innenministeramt in Weißrussland *und* das höchste deutsche Staatsamt (Führer), jetzt muss er sein Gesäß auf einer der harten Hinterbänke ("Holzklasse") der Bürgerschaft plattdrücken.
    Erinnern wir uns noch enmal an seinen kometenhaften Aufstieg:
    Bekannt wurde er durch seine kauzigen Urteile, in denen er z.B. Schwarzfahrer mit der Todesstrafe belegte und durch die er sich schnell den Kosenamen "Richter Tassenlos" erwarb. Leider wurden diese Urteile in höherer Instanz meist aufgehoben. Wenn er mal wieder einen Delinquenten fertigmachen wollte, rief er vorher Vertreter der Lokalpresse an: "Schauen Sie mal bei mir im Gerichtssaal vorbei, ich mach heute wieder einen fertig." Schon damals trat er seinen Siegeszug durch die mediale Landschaft an; gern wurde er in Talkshows eingeladen (Offener Kanal, Vera am Mittag, Larry King).
    Einen ersten Dämpfer erhielt seine Karriere, als er bei einem Verfahren zwei Zuschauern "aus der linksextremistischen Szene" (Schill) als Ordnungsstrafe zwanzig Stockhiebe verabreichen ließ, weil sie "nicht richtig standen" (Schill). Er wurde daraufhin strafversetzt und durfte fortan nur noch als Linienrichter bei Spielen der Kreisliga wirken.
    Doch Schill ließ sich nicht unterkriegen. Er gründete die rechtsorientierte Partei Rechter Orientierung, die auf Anhieb 19,4% bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Hamburg schaffte, und wurde Innensenator. Als solcher glänzte er durch seine Fürsorge zu den Polizisten, deren Spinde er mit dem aktuellen Playmate des Monats ausstatten ließ. Sein Wahlkampfversprechen, die Zahl der Schwarzfahrer innerhalb eines Jahres zu halbieren, wollte er durch neue Fahrpläne (Wegfall der Hälfte der U-Bahnen und Busse) realisieren - sein Vorhaben scheiterte leider an der Uneinsichtigkeit der Koalitionspartner. Unvergessen ist sein Auftritt im Bundesrat, in dem er Bundeskanzler Schröder nicht nur für die Elbflut, sondern auch für die Ausländerflut und die Sintflut verantwortlich machte.
    Dies alles scheint nun ein jähes Ende gefunden zu haben. Bürgermeister Ole von Beust ließ für seinen Innensenator die Entlassungspapiere ausstellen, nachdem Schill ihm damit gedroht hatte, ihn als angeblichen Schuhfetischisten zu outen, der einen Schuhverkäufer zum Senator ernannt haben soll (Schill: "Es gibt mehrere Zeugen, die bestätigen können, dass es in einem gewissen Laden zu *Kauf-Akten* kam!").
    Schill wird nun wohl unsterblich werden. In Moskau gibt es dafür die Kremlmauer, in Paris den Pantheon, in Hamburg zieht man in den Olymp der Hamburger Originale ein. "Richter Tassenlos" wird seinen gebührenden Platz zwischen Hummel und der Zitronenjette einnehmen. Hummel Hummel? Schill Schill!

    -Londo Mollari- Diskussion

    08 August 2003

    Kopfgeld-Jagd im Irak

    Zuerst brachten die USA ein Kartenspiel in den Irak, um die wichtigsten Mitglieder des diktatorischen Regimes zu jagen,

    dann wurden die beiden Söhne Husseins getötet und an den irakischen Informanten 30 Mio.US-Dollar ausgezahlt,

    nun wird Saddam Hussein plakatiert mit seinen zwei durchgestrichenen Söhnen.

    Wie wirken Kartenspiele, die Millionen für durchgestrichene Söhne auf die Muslime im Irak?

    Bush brach nicht nur das Völkerrecht, sondern ist dabei auch dumm.
    Doch wie in allen historischen Vergleichen: Da sind eine Menge Leute um so einen herum nicht anders.


  • Diskussion
  • 23 Juli 2003

    Kein Anti-Diskriminierungsgesetz?

    KOALITION IM BUND WILL KEIN ANTI-DISKRIMINIERUNGSGESETZ
    Nach einem Bericht des "Spiegel" vom 14.7.2003 will die rot-grüne Regierungskoalition im Bund in dieser Legislaturperiode kein Anti-Diskriminierungsgesetz beschließen. Eigentlich hätte die Bundesregierung bis zum 19.7. die Richtlinie der Europäischen Union über den Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Herkunft umsetzen müssen. Damit würde beispielsweise verhindert, dass Vermieter, Kneipiers oder Versicherungen Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Staatsangehörigkeit schlechter behandeln. Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte jedoch angeblich keine neuen Regelungen, die von der Wirtschaft als Hemmnisse empfunden werden könnten.

    -Sergiu- >> Diskussion

    15 Juli 2003

    US-Staatsverschuldung

    Die Bush-Politik ist katastrophal schuldentreibend: für 2003 rechnet das Präsidialam mit einem Haushaltsdefizit i.H.v. 455 Mrd. Dollar, für das Jahr 2004 sogar mit 475 Mrd. Dollar.
    Der bisherige Rekord wurde von Bushs Vater im Jahr 1992 mit 290 Mrd. Dollar aufgestellt.
    Dabei gab es unter Clinton bessere Zeiten: in den Jahren 1998 bis 2001 gab Haushaltsüberschüsse.
    Für das Jahr 2006 sei eine Halbierung der Defizite geplant, heißt es aus dem Weißen Haus, aber bis dahin dürfte George W. Bush längst Geschichte sein.

    -msr- >> Diskussion

    12 Juli 2003

    Irak-Krieg und die "Drohkulisse"

    In Washington und London werden gerade die Aktendeckel geschlossen. Den Regierenden war in Untersuchungsausschüssen vorgeworfen, den Irak-Krieg durch Täuschung der Weltöffentlichkeit begründet zu haben.

    Manch einer wird sich daran erinnern, wie oft Merkel, Schäuble und andere der Bundesregierung vorwarfen, dass durch das frühzeitige Veto gegen den drohenden Krieg die "Drohkulisse" gegenüber Saddam Hussein unterminiert worden sei, weshalb dieser sich erforderlicher Abrüstung entzogen habe.

    Tatsächlich aber brachte der Krieg die Gewissheit, dass Saddam Hussein so gut wie nichts abrüsten hatte, dass also eine ganz andere "Drohkulisse" aufgebaut war: "die Bedrohung durch Saddams Massenvernichtungswaffen", die "binnen 45 Minuten" zum Einsatz gebracht werden könnten (Tony Blair) oder die Uran-Käufe im Sudan, die es also nie gegeben hat, wie nun der CIA-Chef einräumte, um US-Präsidenten vom Vorwurf zu entlasten, in seiner Januar-Ansprache gelogen zu haben.

    Merkel und Schäuble sollten Konsequenzen ziehen, die sie alle Nase lang von anderen verlangen: Rücktritt. Denn sie haben sich skrupellos an der Bedrohungslüge beteiligt.

  • Debatte
  • 10 Juli 2003

    Italiener, ich liebe Euch!

    Nun besucht Euch unser Bundeskanzler nicht, weil er meint, dass Euer Tourismus-Stefani die Deutschen nicht für "einförmige, supernationalistische Blonde" halten solle. Aber wenn der keine anderen kennt? Claudia Schiffer ist blond. Frau Merkel weniger. - Geschmacksache.

    Warum eigentlich so verstimmt, Herr Bundeskanzler?
    Warum nicht einfach fragen, wie Stefano Stefani sein Statement meint?
    Was haben die Bayern nicht schon alles von den Preussen gehört und umgekehrt - trotzdem fahren wir in Berlin zuweilen ganz gern BMW.
    Warum bleibt der Kanzler nicht locker und sagt: "Italiener, ich liebe Euch! Und den Stefani etwas weniger."

    -msr- >> Diskussion

    08 Juli 2003

    Fall Friedman: Moralische Verurteilung eines "Moralapostels"?

    So oft ich mich über ihn ärgerte, wenn es um seine Parteipolitik und um den Irak-Krieg ging, so sind mir keinerlei Moralappelle Friedmans erinnerlich, in denen es um Drogen, Alkohol oder Prostitution gegangen wäre.
    Friedmans Bekanntheit resultiert einzig aus seiner Aktivität als politischer Fernsehmoderator, Journalist und Funktionär des Zentralrats der Juden.
    Als Privatperson versagte er strafrechtlich. Als politische Person zog er mit Rücktritt die Konsequenz daraus, dass sein privates Versagen anderen politisch schade.
    Das ist höhere Moralität. Alle Achtung für solch seine Entschuldigung.
    Und ich wünsche uns, für ihn und für das Ganze, dass Menschen, deren Fehler öffentlich wurden, zurückkommen können. - Es wäre ein Beitrag gegen die Scheinheiligkeit des Ganzen und des Individuums.
    Ich wünsche, dass der hessische Rundfunk mit Friedman eine Pause und eine Rückkehr verabredet.

    -msr- Diskussion