Der nachstehende Novosti-Artikel dokumentiert, wie sehr die russische Iran-Politik von wirtschaftlichen Interessen geleitet sein könnte. Der russische Autor befürchtet, dass mit dem Iran auf dem Gas-Markt eine Konkurrenz erwächst, wenn der Atomstreit zwischen den USA und Iran nachlassen würde. Es liest sich wir ein Eingeständnis dessen, was Russland vorgeworfen werden muss, nämlich nicht wirklich zur Entspannung im Iran-Konflikt beizutragen, sondern fortdauernd zu sticheln, indem von beiden Konfliktseiten stets die schrägesten Töne zitiert werden, um die jeweils andere Seite maximal zu provozieren. Auch die heutige Novosti-Ausgabe macht es wieder, wenn sie Teheran verlautbaren lässt, dass "Israel für immer bereuen wird, wenn es den Iran angreift". Dabei gäbe es gewiss vernünftigere Planungen und Sprüche sowohl bei den Israelis als auch bei den Iranern.
Und ist schon der Ausflug in die Energiespekulantenwelt interessant, um von deren Spiel mit dem Feuer eine Vorstellung zu bekommen, so würde eine Annäherung zwischen Washington und Teheran noch weitere Folgen haben, denn durch den Konflikt wurde Russland dem Iran zum Lieferanten von Raketenabwehrsystemen und weiterem Kriegsspielzeug nebst Großauftrag im Atomkraftwerksbau.
So ist unter dem Strich:
1. Der USA-Iran-Konflikt öffnete Russland den iranischen Markt für teuerste und gefährlichste Handelsgeschäfte.
2. Der USA-Iran-Konflikt schotte den russischen Energiehandel mit Westeuropa gegen einen potentiellen Hauptkonkurrenten ab.
3. Aus diesen Wirtschaftsinteressen könnte die russische Iran-Politik erklärlich sein, was in der Iran-Politik der EU und der USA, aber auch in Teheran berücksichtigt werden muss.
4. Die alternativlose Art der Berücksichtigung scheint das Bemühen um faire Beilegung des Iran-Konflikts, also die Erklärung der westlichen Atommächte, dass sie einerseits darauf bestehen, dass der Iran keine Atomwaffenpläne hege und den Stress gegen Israel beenden muss, dass andererseits ein Vorschlag auf den Tisch kommt, wonach auch Israel und die Atomwaffenstaaten der NATO ihre Atomwaffen vollständig abrüsten, wenn sich die übrigen Atomwaffenmächte ebenfalls dazu überreden lassen und ein effektives Kontrollinstrument die vollständige Atomwaffenfreiheit gewährleistet, mindestens aber die Atomwaffen der allein dem Weltsicherheitsrat unterstellt.
Aber wenn ohne solche Perspektive weiterhin versucht wird, den Iran mit zweierlei Maß zu "verhandeln", als sei dem Iran zu verbieten, was sich die Verbieter für alle Zeit an Atomwaffenmacht anmaßen, so wird das nicht zur wirklichen oder dauerhaften Konfliktbeilegung führen, allenfalls zur Heuchelei Teherans und damit unkontrollierbar.
5. Russland braucht zu seiner Iran-Politik Alternativen, also Teilhabe bzw. besser Integration mit der EU, denn je mehr "Binnenmarkt", desto mehr Verantwortlichkeit für das gemeinsame Wohl. Und weniger Nationalismus, der die Politik vergiftet, wie sich am nachstehenden Artikel zeigt.
Kommentarfortsetzung im Anschluss an den dokumentierten Artikel
Gefährdet Iran Russlands Gas-Interessen?
MOSKAU, 15. April (Igor Tomberg für RIA Novosti). Die in letzter Zeit zugenommenen Aktivitäten der iranischen Diplomatie beweisen, dass die Konfrontation zwischen Teheran und den USA beim Atomstreit nachlässt.
Auffällig ist auch, dass eine gewaltsame Lösung des Streits nicht mehr unvermeidlich erscheint. Für den jetzigen Wahlkampf in den USA sind die Zahlen der Verluste im Irak und die Hypothekenkrise viel aktuellere Themen.
Wird die Situation vom russischen Standpunkt gesehen, muss berücksichtigt werden, dass Iran neben der politischen und der militärischen noch eine Ressource hat, die für Moskau sehr verständlich sein muss - die energiewirtschaftliche. Wird Iran in Zukunft massiv in den internationalen Gasmarkt einsteigen, wird das die bereits entstandene Konstellation ernsthaft stören.
Beim Umfang der Gasreserven liegt Iran an zweiter Stelle in der Welt hinter Russland. Die Sanktionen sowie diverse technische und politische Schwierigkeiten haben allerdings die Entwicklung der iranischen Gasbranche stark behindert. Gleichzeitig wächst das Interesse ausländischer Unternehmen für die Gasvorräte Irans mit den steigenden Energiepreisen. Teheran intensiviert seine energiewirtschaftliche Diplomatie in den EU-Ländern und betont dabei seine Bereitschaft, mit der Europäischen Union auf diesem Gebiet intensiv zu kooperieren. Die Europäer, die ihrerseits von der Idee besessen sind, die Gaslieferer zu diversifizieren, sind nun bemüht, Politik von Energie zu trennen und Kontakte zu Teheran herzustellen.
Seit 2006 verhandeln beispielsweise Portugiesen rege mit Iran. Das Unternehmen Edison verhandelt über iranische Gaslieferungen nach Italien. Mitte März schloss die Schweizer Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg Group (EGL) einen Vertrag über Gaslieferungen aus Iran. Der Vertrag mit NIGEC (National Iran Gas Export Company) hat eine Laufzeit von 25 Jahren und einen Wert von 20 Milliarden Dollar. Dem Beispiel der Schweizer folgten die Österreicher: Die EconGas GmbH will ab 2013 iranisches Gas beziehen.
Es sei darauf hingewiesen, dass das Projekt Nabucco, das in Europa und den USA als der wichtigste Faktor bei der Diversifizierung der Gaslieferungen betrachtet wird, ursprünglich gerade für das iranische Gas gedacht war. Der österreichische Energiekonzern OMV sollte das weltgrößte Gasvorkommen Süd-Pars in Iran erschließen, um die Nabucco-Röhre zu füllen. Nach der Zuspitzung der Beziehungen zwischen Teheran und Washington musste aber die Gaspipeline nach Aserbaidschan umorientiert werden. Die dortigen Rohstoffvorräte würden aber eindeutig nicht ausreichen, denn die minimal rentable Kapazität von Nabucco muss 30 Milliarden Kubikmeter im Jahr betragen.
Nachdem die russische Staatsführung effektive South-Stream-Verhandlungen auf dem Balkan geführt und entsprechende Abkommen geschlossen hat, schien das geopolitische Projekt Nabucco vor dem Aus zu stehen. Die Hartnäckigkeit der Nabucco-Initiatoren zeigt jedoch, dass die Suche nach Gasquellen nun wieder nach Iran führt.
Teheran, das sich der kritischen Wichtigkeit für das Nabucco-Projekt völlig bewusst ist, intensiviert nun sein Positionieren als eine Alternative zu Russland bei Gaslieferungen aus dem Süden. Bei seinem jüngsten Bulgarien-Besuch bezeichnete Irans Außenminister Manuchehr Mottaki die Beteiligung am Nabucco-Projekt als „einen der möglichen Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Iran und der EU“. Das wurde in Sofia gesagt, wo kurz vorher der russisch-bulgarische Vertrag über den Bau der South-Stream-Pipeline unterzeichnet wurde.
Iran möchte es allerdings gerne vermeiden, dass Moskau diese jetzige Tendenz in Teheran als eine Herausforderung an die russische Energiestrategie in Südeuropa ausgelegt wird. „Meine Äußerungen in Bulgarien bezüglich der Nabucco-Pipeline sind nicht gegen ein drittes Land gerichtet“, fügte Mottaki hinzu.
Ist das aber wirklich so?
Wenn Iran den europäischen Gasmarkt erschließt, wird das in Zukunft die entstandene Konstellation ernsthaft stören, die ohnehin von den europäischen Abnehmern ständig in Zweifel gezogen wird.
Von welchen Bedrohungen für die Gasinteressen Russlands könnte man dann sprechen?
Das iranische Gas würde in einer Kombination mit Gas aus dem Irak (die Amerikaner lobbyieren derzeit intensiv Projekte über die Erschließung irakischer Gasvorkommen) gerade das Ressourcen-Fundament bilden, das eine praktische Umsetzung des Nabucco-Projekts ermöglichen würde.
Mag diese Möglichkeit heute hypothetisch erscheinen - allein schon die Tatsache, dass es potentielle Reserven an freien Gasmengen für dieses Pipeline-Projekt gibt, bedeutet die Notwendigkeit einer Beschleunigung des South-Stream-Projekts.
Der oben erwähnte Vertrag über die Lieferung von iranischem Gas in die Schweiz geht davon aus, dass das Projekt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP) - ein gemeinsames Projekt von EGL und des norwegischen Konzerns StatoilHydro schon bald in Betrieb genommen wird. Damit wird das iranische Gas gleich über zwei Export-Kanäle - Nabucco und TAP - nach Europa geliefert.
Das bedeutet aber einen Kampf um die Absatzmärkte. Heute dominiert die Meinung, der europäische Gasmarkt sei irgendwie „unermesslich“. In der Tat: Die Prognosen für die Zunahme des Gaskonsums sind beeindruckend. Man muss allerdings nicht die kolossalen Anstrengungen (und die entsprechenden kolossalen Ausgaben) berücksichtigen, die die Europäer unternehmen, um ihre Energiebilanz halbwegs ins Gleichgewicht zu bringen und den Anteil der fossilen Brennstoffe an dieser Bilanz zu verringern. Bedeutend sind auch die Bemühungen um die Nutzung energiesparender Technologien. Man kann nicht ausschließen, dass all das in zehn bis 15 Jahren zu einer realen Verringerung des Gasverbrauchs führt.
Die Konkurrenz um die Absatzmärkte führt unumgänglich zu einer Preiskonkurrenz. Diese Risiken zeichneten sich bereits ab, als die staatlichen Gasunternehmen Turkmeniens, Kasachstans und Usbekistans solidarisch verkündet haben, sie stellen ihre Verträge mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom auf die europäischen Tarife um. Gazprom musste dem zustimmen, obgleich dies für den russischen Konzern eine Verringerung des Handlungsspielraums im Falle einer Preiskonkurrenz um die Absatzmärkte bedeutet. Zugleich spekuliert Iran derzeit auf das Streben der EU, nicht nur die Abhängigkeit von den russischen Energielieferungen zu verringern, sondern auch Geld einzusparen. So wird der Wert des 25-jährigen Vertrags von NIGEC mit dem Schweizer Konzern EGL auf zehn bis 22 Milliarden Euro geschätzt. 1000 Kubikmeter Gas würden somit 90 bis 200 Euro kosten. Der europäische Durchschnittstarif von Gazprom liegt derzeit bei 240 Euro und könnte gegen Ende des Jahres auf 260 Euro pro 1000 Kubikmeter steigen.
Vorerst kann der iranische Gasexport in die EU-Länder umfangsmäßig die Gazprom-Interessen nicht wirklich ernsthaft gefährden: Der russische Konzern deckt derzeit rund 30 Prozent der europäischen Gas-Nachfrage (150 bis 160 Milliarden Kubikmeter im Jahr). Selbst bei einer Inbetriebnahme des Projekts Nabucco (31 Milliarden Kubikmeter im Jahr) und TAP (zehn bis 20 Milliarden Kubikmeter) - zum geplanten Zeitpunkt von 2012 bzw. 2013 würden die beiden Projekte kaum die Situation auf dem Markt ändern. Der Zeitfaktor ist aber dabei entscheidend.
Die jüngste Milderung bedeutet indes nicht, dass die USA ihre Vorwürfe an Iran endgültig zurückgenommen haben. Es gibt auch keinen Grund, von einer freien Wahl für die Europäer zu sprechen: Washington hat bereits gefordert, das iranisch-schweizerische Gasgeschäft gründlich hinsichtlich der Sanktionen gegen Iran zu prüfen.
In dieser Hinsicht wäre eine andere Version für die weitere Entwicklung aktuell, die für Gazprom viel vorteilhaft wäre. Gemeint ist eine Umorientierung der Gasschätze Irans in Richtung Osten - China, Pakistan und Indien. Lohnt es sich denn für Iran, eine Änderung der US-Position abzuwarten, wo es Abnehmer im Osten gibt, die bereit wären, eine kolossale Nachfrage nach Energie zu gewährleisten, ohne dabei auf Washington Rücksicht zu nehmen?
Indiens Ölminister Murli Deora teilte kürzlich mit, dass Neu Delhi weiterhin an einer Gaspipeline aus Iran interessiert ist. Indien will Verhandlungen mit Pakistan über den Bau einer Gasfernleitung für den Transport aus Iran wieder aufnehmen. Bisher hieß es, die Vereinigten Staaten seien gegen ein solches Projekt. Indien ist aber scheinbar nicht allzu stark davon beeindruckt.
Es ist allerdings überaus wahrscheinlich, dass nicht eine Konkurrenz zwischen Iran und Russland, sondern, im Gegenteil, eine Koordinierung der Absatzpolitik der beiden größten Gasproduzenten der Welt in ihrem Interesse liegen würde. Immerhin hat der iranische Präsident seinem russischen Amtskollegen mehrmals vorgeschlagen, diese Interessen bis hin zu einer Aufteilung der Märkte gegenseitig abzustimmen: Russland würde demnach der größte Lieferer Europas bleiben, während sich Iran auf Lieferungen in den Osten konzentrieren und damit die europäischen Pläne einer Diversifizierung der Gaslieferquellen durchkreuzen würde.
Es mehren sich Anzeichen für die Entstehung eines Gaskartells: Bei einem für den Sommer geplanten Forum der Gas exportierenden Länder in Moskau könnte eine „Gas-OPEC“ schon organisatorisch gestaltet werden. Jedenfalls ist in Teheran die Satzung der neuen Organisation bereits vorbereitet. In dem Fall könnten auch viele halbformelle Kartell-Abmachungen, die man heute höchstens erahnen könnte, deutliche Umrisse bekommen.
Igor Tomberg ist leitender Mitarbeiter des Zentrums für Energiewirtschaftsstudien des Instituts für die Weltwirtschaft und die internationalen Beziehungen der Russischen Wissenschaftsakademie und Professor an der Moskauer Hochschule für internationale Beziehungen.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.
KOMMENTAR: "Die Meinung des Verfassers" wird vermutlich überhaupt nicht von der Novosti-Meinung verschieden sein, denn Igor Tombergs Analyse dürfte russischen Nationalisten gefallen und Grund sein, den USA und Westeuropäern nicht nur mit dem Iran, sondern auch mit dem Irak Schwierigkeiten zu bescheren.
Aber wer nun denkt, man könnte dem Kreml dieses Spiel mit dem Feuer verleiden, ohne gute Alternativen zu bieten und dürfte Russland obendrein noch mit Nato-Osterweiterung ärgern, also Russland weitere (auch Waffen-)Märkte abspenstig machen, dann wird man die Störfeuer aus Moskau nicht los und bekommt noch neue Probleme hinzu. Siehe >> Artikel + Kommentar
-markus rabanus- >> Diskussion
18 April 2008
Russlands Interesse am Iran-Konflikt
Labels:
Energiepolitik,
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