09 Februar 2000

Friedens-Memorandum 2000

Presseerklärung zum Friedens-Memorandum 2000

Kassel, den 09. Februar 2000

Friedensbewegung legt Memorandum vor

Eine "katastrophale Bilanz" der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zieht die Friedensbe-wegung für das erste Jahr der rot-grünen Bundesregierung. Dies geht aus dem "Friedens-Me-morandum 2000" hervor, das der Bundesausschuss Friedensratschlag nun der Öffentlichkeit vorstellte.

Der außenpolitische Teil der Koalitionsvereinbarung vom Oktober 1998, der mit dem Satz beginnt: "Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik", sei durch die praktizierte Regierungspo-litik zunehmend zur Makulatur geworden. Mit der Beteiligung am NATO-Krieg gegen Jugo-slawien habe die Bundesregierung nicht nur gegen das Völkerrecht, das Grundgesetz und den 2-plus-4-Vertrag verstoßen, sondern auch die letzte außenpolitische Zurückhaltung Bonns/Berlins aufgegeben. Beunruhigend sei außerdem der weitere Ausbau der Bundeswehr im Sinne einer strukturellen Interventions- und Angriffsfähigkeit. Hierfür würden die Weichen durch die laufenden Beschaffungsprogramme gestellt. Die wenigen positiven Ansätze stammen meist nicht aus dem Außen-, und schon gar nicht dem Verteidigungsministerium, sondern aus anderen Ressorts. So sei beispielsweise die wieder aufgenommene institutionelle Förderung der Friedensforschung durch die Forschungsministerin Bulmahn oder die Ausbildung von Frie-densarbeiterinnen und -arbeitern im Rahmen eines "zivilen Friedensdienstes" durch Entwick-lungsministerin Wieczorek-Zeul zu begrüßen.

Doch das "Friedens-Memorandum 2000" befasst sich nicht nur mit der Politik der Bundesre-gierung. In einem umfassenden Kapitel (Teil 1: Das Kriegsjahr 1999) wird auf die vielen Kriege, Bürgerkriege und bewaffneten Konflikte in der Welt hingewiesen, die im abgelaufenen Jahr neben dem Kosovo-Konflikt auch stattgefunden haben, in der Öffentlichkeit aber viel zu wenig beachtet wurden. Auch wenn der afrikanische Kontinent Hauptkriegsschauplatz blieb, darf nicht übersehen werden, dass sich Krieg und Gewalt immer mehr auch auf dem bevölke-rungsreichsten Kontinent, Asien, einnisten werden. Weitere Negativ-Entwicklungen der Welt-politik im vergangenen Jahr waren
die zunehmende Aushöhlung des kodifizierten Völkerrechts und die Ausschaltung der Ver-einten Nationen als Akteur des weltpolitischen Geschehens,
der empfindliche Rückschlag, den die atomaren Abrüstungsbemühungen durch die Nichtratifizierung des Atomteststoppvertrags durch den US-Senat erhalten haben,
der neuerliche Anstieg der weltweiten Ausgaben für Rüstung und Militär sowie der neuerli-che Boom des internationalen Waffenhandels, woran die NATO-Staaten einen gehörigen Anteil haben.


Hinter all diesen besorgniserregenden Tendenzen fallen die friedenspolitischen "Lichtblicke" mager aus: Genannt werden z.B. die Veränderungen in Algerien, der Friedensschluss in Sierra-Leone oder der "Trippelschritt zum Frieden", den die Konfliktparteien in Nordirland gemacht haben.

Weitere Themen, mit denen sich das "Friedens-Memorandum 2000" befasst, sind:
das neuen "Strategischen Konzepts" der NATO,
die Rolle des Rechtsradikalismus in der Bundeswehr,
die Krisenregion Kaukasus,
die Rolle der Medien im Krieg (am Beispiel des Kosovo-Konflikts),
zivile Alternativen zu Krieg und Gewalt.

Es ist nach 1999 das zweite Mal, dass die Friedensbewegung ein "Memorandum" herausgibt. Enstanden ist es aus einem breiten Diskussionsprozess, der vor, während und nach dem "Friedensratschlag" (dem bundesweiten Informations- und Strategiekongress der Friedensbe-wegung, der seit 1994 jährlich in Kassel stattfindet) geführt wurde. Das Friedens-Memoran-dum 2000 wird von rund 160 friedensbewegten Menschen, Vertretern lokaler und regionaler Friedensinitiativen und -organisationen sowie von Friedenswissenschaftlerinnen und -wissen-schaftlern unterstützt. Es soll die sicherheits- und friedenspolitische Diskussion anregen und Informationen und Argumente für die Auseinandersetzung mit der herrschenden Außen- und Sicherheitspolitik bereitstellen. Wie im letzten Jahr (Friedens-Memorandum 1999) wird das Memorandum 2000 auch der im Auftrag des Verteidigungsministes arbeitenden Wehrstruktur-kommission zur Kenntnisnahme zugeleitet.

Bundesausschuss Friedensratschlag