06 April 2009

Obama: Schritte zur atomwaffenfreien Welt

Gestern bekräftigte US-Präsident Obama in einer Rede vor der Prager Burg das Streben nach einer atomwaffenfreien Welt, wenngleich das kein rascher Prozess sein werde. An Schritten kündigte er signifikante Verringerungen der amerikanischen und russischen Atomwaffenbestände an, auf die er sich prinzipiell mit Medwedew geeinigt habe, desgleichen die Bedeutung des Atomwaffenteststoppabkommens und die wirksamere Kontrolle des gesamten Komplexes durch die IAEO.

Das sind wichtige Schritte und im gemeinsamen Interesse der beiden wichtigsten Atommächte dann auch realistisch, zugleich im Interesse der kleineren Atommächte, die sich daraus zunächst eigenen Bedeutungszuwachs erhoffen werden, wenn nicht sie nicht stärker im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (Überprüfungskonferenz 2010) in den Prozess einbezogen und ihrerseits in die Abrüstungspflicht genommen werden.

Kaum eine Partei, die Obama nicht zustimmt, als sei die atomwaffenfreie Welt nicht jahrzehntelang als "Spinnerei" abgetan worden. Und das wäre jetzt nicht anders, denn bei allen Ehren würde man locker Weizsäcker, Helmut Schmidt, Kissinger, Baradai, Carter, Schultz, Gorbatschow, Westerwelle, ... einfach vorbei, die sich schon länger oder erst jetzt für "Global Zero" aussprechen, wäre da nicht Obamas ungeheure Popularität, die den Diskurs auf die Tagesordnung setzt.

Und wie ist der Umgang damit? Während deutsche Politiker im Superwahljahr einfach nur Trittbrett fahren, es aber am eigenen Zutun fehlen lassen, obwohl es für solch Vorhaben jede Menge Begründung und Planung braucht, versuchen es die Lobbyisten der Kalten Kriege mit Kommentaren wie "Welt ohne Atomwaffen – Obamas populärer Irrtum" (Welt-Online) und "Atomwaffen: Nordkorea schießt Obamas Vision ab" (DiePresse).
Diese großmäuligen Strolche propagieren die Fortsetzung des Rechtsbruchs, was noch immer nur wenigen auffällt, weil jahrzehntelang in der von ihnen mitpräparierten Öffentlichkeit schlicht unterschlagen wird, dass die atomwaffenfreie Welt eine Verpflichtung aus Art.6 Atomwaffensperrvertrag ist. Und im Kalten Krieg gab es diesbezüglich vom jeweiligen Gegenüber auch keinen Widerspruch, denn auf beiden Seiten des Konflikts definierten Atomwaffenmächte, was an den Verträgen wichtig oder unwichtig und einzuhalten oder aufzuschieben sei.

Diese Desinformation hat den Kalten Krieg überdauert, wird im Konflikt mit dem Iran und Nordkorea erneut mobilisiert, sogar auch Obama argumentiert vorsichtig unverbindlicher mit moralischen Motiven und seitens einer Großmacht ungewohnt selbstkritisch, während es aber eigentlich um rechtliche, vertragliche Gründe geht, also um längst geltende Verbindlichkeit - und das seit dem 1. Juli 1968.

Überhaupt gar nichts fällt den Kritikern Obamas dazu ein, wie den Verpflichtungen entsprochen werden müsste. Da werden jede Menge Szenarien konstruiert, als stehe bevor, dem "Großen Führer" Nordkoreas oder Achmedineschad Atomwaffen zu tolerieren, während man selbst bis zur Erpressbarkeit entwaffnet sei und daraus geschlussfolgert, dass der Raucher anderen das Rauchen verbieten dürfe.

Selbstverständlich kann eine atomwaffenfreie Welt nicht im Wege bloßer Verzichtserklärungen real werden, sondern einzig auf die Weise, dass die Bewaffnung nicht mehr als "innere Angelegenheit" von Staaten betrachtet wird. Genau das sieht Art.6 Atomwaffensperrvertrag vor, denn dort ist die "strenge und wirksame internationale Kontrolle" die Conditio sine qua non für die atomwaffenfreie Welt.

Allein um diese Bedingungen gilt es endlich mit allen Staaten zu feilschen, zu verhandeln, möglicherweise sogar Kriege zu führen, denn das Ziel ist erreichbar, wenn die Staatsführer unter dem Druck einer vom Nationalismus zumindest in Bezug auf Atomwaffen emanzipierten Weltöffentlichkeit nachgeben müssen.
Dafür braucht es Ressourcen, globale Aufklärungsarbeit - und das ist sicherlich billiger als die Modernisierung von Atomwaffen oder erweitertes Wettrüsten durch eine Atomwaffenabwehr.

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