27 August 2008

Merkel will NATO-Russland-Kooperation "aussetzen"

"Die russische Anerkennung Südossetiens und Abchasiens nannte die Bundeskanzlerin völkerrechtswidrig und „absolut nicht akzeptabel“. Das Handeln Russlands widerspreche dem Prinzip der territorialen Integrität, einem der grundlegenden Prinzipien des internationalen Völkerrechts.
Die Entscheidung der russischen Regierung vom heutigen Tage erfordere eine Reaktion, sagte Merkel. Deshalb sei die Entscheidung der Nato-Außenminister richtig, die Kooperation zwischen der Nato und Russland auszusetzen. ..."

Quelle: http://www.bundesregierung.de 26.08.08

KOMMENTAR

Frau Merkel müsste (mir) begründen, warum sie den Separatismus gegen Georgien als "völkerrechtswidrig" verurteilt, aber den Separatismus gegen Serbien nicht. Was sind ihre Maßstäbe?
Als Russland die Kosovo-Anerkennung durch Deutschland kritisierte, war die Bundeskanzlerin nicht zu bremsen, diesen Kleinsstaat beim Gang in die "Unabhängigkeit" zu unterstützen, obwohl Kosovo es mit solcher Eigenständigkeit ökonomisch/politisch keinesfalls leichter haben dürfte als Südossetien und Abchasien, wenngleich auch dort keine Souveränität zu erwarten ist, die ohnehin auf überholten Vorstellungen beruht.

Die russischen Erklärungen sind ebenso dürftig, denn wenn sich der Kreml jetzt bei seiner Entscheidung zugunsten des antigeorgischen Separatismus darauf beruft, dass es Gegenzug zum vermeintlich "völkerrechtswidrigen" Separatismus gegen Serbien sei, so würde Moskau "Unrecht mit Unrecht vergelten" wollen, was allein schon aus dieser Logik "völkerrechtswidrig" ist.

Schuldtechnisch lässt sich unterscheiden:
1. Den Auftakt mit den völkerrechtlich zweifelhaften Entscheidungen bescherte die NATO
2. Während der Kreml die entwicklungsbedürftigen Kooperationen unangetastet beließ, vertieft die NATO samt Merkel die Interessenwidersprüche durch Suspendierung diplomatischer Ebenen.

Demokratietechnisch ist es wie folgt:
Das beiderseitige/gegenseitige Versagen im Kreml und in den NATO-Köpfen ist sämtlich verurteilenswert. Es gibt keinerlei Veranlassung zu einer Parteilichkeit nach dem Schema "ich halte zur NATO/ich halte zu Russland", aber auf dem "demokratischen Dienstweg" sollte man sich mit Kritik zuerst an die Adresse derer halten, die einen in politischen Dingen vertreten. Russen müssen sich Putin, Medwedew vorknöpfen, wir müssen es mit Merkel, Steinmeier und deren Verbündeten tun.

Reaktionäre hingegen hätten es gern ganz anders: Volle Konzentration der Kritik gegen die andere Seite, "um das eigene Nest nicht zu beschmutzen", als gelte es nicht, stets zuerst das eigene Nest auszukehren. Setzen sich auf auf beiden Seiten die Reaktionäre durch, so schaukelt sich der Konflikt höher.

Deshalb: @Frau Merkel, Herr Steinmeier,
ob mir die Kreml-Politik passt oder nicht, ob sie verbrecherisch und imperialistisch ist, macht Ihnen keinen Gutschein, schlechte Politik mit schlechter Politik erwidern zu dürfen. Europa darf nicht (wieder) noch tiefer gespalten werden. Dann aber unterlassen Sie es, ausgerechnet einen georgischen Präsidenten, der eben erst noch zum Kriegsverbrecher wurde und vor den IStGH gehört, politisch, wirtschaftlich und militärisch zu unterstützen und zum Frontmann gegen Russland zu machen.
Die Diplomatie gegenüber Russland zu vermindern, wie es durch die Suspendierung des NATO-Russland-Rats geschieht, ist antiquiertes Reagieren, denn in Krisenzeiten gilt es das Gegenteil zu tun: Die diplomatischen Beziehungen zu intensivieren.
www.dialoglexikon.de/diplomatischer-imperativ.htm

-markus rabanus-   Diskussion