11 Dezember 2003

Deutschland zeichnet UN-Konvention gegen Korruption

Presserklärung - Mérida / Berlin, 11. Dezember 2003

Deutschland hat heute in Mérida (Mexiko) neben den EU-Partnern und zahlreichen weiteren Staaten die UN-Konvention gegen Korruption gezeichnet. „Die Zeichnung der UN-Konvention ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die internationale Korruption. Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft reicht eine noch so entschlossene Korruptionsbekämpfung auf nationaler Ebene nicht aus. Korruption muss auf internationaler Ebene bekämpft werden. Dazu bedarf es eines koordinierten Vorgehens der Staatengemeinschaft. Deshalb hat Deutschland das Zustandekommen der Konvention mit Nachdruck gefördert und gehört zu den Erstunterzeichnern", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Die am 31. Oktober 2003 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Konvention ist das Resultat zweijähriger Verhandlungen, an denen sich Deutschland aktiv beteiligt hat. Sobald 30 Staaten die Konvention ratifiziert haben, tritt sie in Kraft.

Die Konvention schafft ein weltweit anwendbares und umfassendes Regelungswerk gegen Korruption. Sie enthält unter anderem Regelungen für den präventiv-organisatorischen und strafrechtlichen Bereich, einschließlich der internationalen Zusammenarbeit.

Bei den präventiven Maßnahmen (Artikel 5 bis 14) ist das weltweit zwingende Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern hervorzuheben.
Die Ausgestaltung der mit Korruption zusammenhängenden Strafvorschriften (Artikel 15 bis 42) folgt bestehenden internationalen Regelungen. Insbesondere verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, die Bestechung nationaler und ausländischer Amtsträger strafrechtlich zu sanktionieren. Die Konvention bezieht auch Abgeordnete in den Amtsträgerbegriff ein, so dass die weite Strafvorschrift über Amtsträgerbestechung auch auf Parlamentarier Anwendung findet.
Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit (Artikel 43 bis 50) konnten die traditionellen Rechtsprinzipien bei der Auslieferung und der sonstigen Rechtshilfe durchweg aufrechterhalten werden. Das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit bei Rechtshilfemaßnahmen ohne Zwangscharakter wurde jedoch gelockert. Zukünftig kann Rechtshilfe, die zu keinen Zwangsmaßnahmen führt, nur noch eingeschränkt mit der Begründung verweigert werden, dass das ersuchensgegenständliche Verhalten in Deutschland nicht strafbar ist.
Für Entwicklungsländer ist insbesondere die Rückgabe von illegal ins Ausland transferierten Vermögenswerten von Bedeutung (Artikel 51 bis 59). Die Konvention erleichtert zukünftig die Rückgabe. Es besteht nun auf der Basis eines rechtskräftigen Urteils im ersuchenden Staat eine grundsätzliche Rückgabepflicht, wobei der für die Rechtshilfe festgeschriebene Katalog von Verweigerungsgründen anwendbar ist.
Schließlich werden die Grundlagen für einen Überwachungsmechanismus zur Umsetzung und Anwendung des Übereinkommens (Artikel 63 ff.) geschaffen. Die Einzelheiten soll eine Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens zu einem späteren Zeitpunkt festlegen.

Die Bundesrepublik Deutschland genügt den Vorgaben der Konvention in weiten Teilen bereits jetzt. Deshalb ist der Umsetzungsbedarf für Deutschland begrenzt. Notwendig wird unter anderem eine Neugestaltung des Straftatbestandes über die Abgeordnetenbestechung sein. Das bisher geltende Recht enthält für inländische Abgeordnete in § 108e StGB eine eigenständige Regelung. Danach ist strafbar, wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen. Nach der Konvention muss zudem künftig das verwerfliche Beeinflussen eines Abgeordneten auch bei der sonstigen Wahrnehmung seines Mandats erfasst werden.

  • Korruption
  • 24 September 2003

    BVerfG: Lehrerin mit Kopftuch

    Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zutragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage.
    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden.

    Auf die Verfassungsbeschwerde der Lehrerin, die ihre Einstellung als Beamtinauf Probe in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg anstrebt, hat der Zweite Senat festgestellt, dass die entgegenstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg die Beschwerdeführerin (Bf) in ihren Rechtenaus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 und mit Art. 33 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzen.

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswurde aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Die Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.

    Wegen der Einzelheiten des dem Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 40/2003 vom 16. Mai2003 verwiesen.

    1. Der Senat hat im Wesentlichen ausgeführt:Der zu Grunde liegende Sachverhalt betrifft mehrereverfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen: Jedem Deutschen ist nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnet. Dabei ist ein Zusammenhang zwischen der Zulassung zu öffentlichen Ämtern und dem religiösen Bekenntnis ausgeschlossen.

    Das Tragen eines Kopftuchs durch die Bf in Schule und Unterricht fällt unter den Schutz des Grundrechts der Glaubensfreiheit.

    Mit diesem Grundrecht treten neben dem staatlichen Erziehungsauftrag die Verfassungsgüter des elterlichen Erziehungsrechts und die negative Glaubensfreiheit der Schulkinderin Widerstreit.
    Dazu heißt es in der Entscheidung unter anderem: Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule.

    Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein.

    In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Indem die Bf durch das Tragen des Kopftuchs in Schule und Unterricht die Freiheit in Anspruch nimmt, ihre Glaubensüberzeugung zu zeigen, wird die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler, nämlich kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben, berührt.

    In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.

    Die Länder haben im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit. Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots hat der demokratische Landesgesetzgeber zu lösen, der im öffentlichen Willensbildungsprozess eine für alle zumutbare Regelung zu suchen hat.
    Dabei können die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen. Bei dem zufindenden Mittelweg dürfen auch Schultraditionen, konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starkereligiöse Verwurzelung berücksichtigt werden.
    Diese Grundsätze gelten auch, wenn Lehrern unter Beschränkung ihres individuellen Grundrechts der Glaubensfreiheit für ihr Auftreten und Verhalten in der Schule mit Rücksicht auf die Wahrung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates Pflichten auferlegt werden sollen.
    Bringen Lehrkräfte religiöse oder weltanschauliche Bezüge in Schule und Unterricht ein, kann dies den in Neutralität zu erfüllenden staatlichen Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen. Es ist zumindest möglich, dass dadurch Schulkinder beeinflusst und Konflikte mit Eltern ausgelöst werden, die den Schulfrieden stören und die Erfüllung des Erziehungsauftrags der Schule gefährden können.
    Auch die Bekleidung von Lehrern, die als religiös motiviert verstanden werden kann, kann so wirken. Dies sind aber lediglich abstrakte Gefahren. Sollen bereits derartige bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konflikts auf Grund des Auftretens der Lehrkraft und nicht erst deren konkretes Verhalten als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten oder als Eignungsmangel bewertet werden, so ist eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich. Denn diese Bewertung geht mit einer Einschränkung des vorbehaltlos gewährten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einher.

    Der Senat führt hierzu im Einzelnen aus:

    Der Aussagegehalt des von Musliminnen getragenen Kopftuchs wird höchst unterschiedlich wahrgenommen.

    Es kann ein Zeichen für als verpflichtend empfundene, religiös fundierte Bekleidungsregeln wie für Traditionen der Herkunftsgesellschaft sein.
    In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen.
    Die Deutung des Kopftuchs kann jedoch nicht auf ein Zeichengesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden. Dies zeigen neuere Forschungsergebnisse. Junge muslimische Frauen wählen dasKopftuch auch frei, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
    Insoweit ist nicht belegt, dass die Bf allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde.

    Für die Frage, ob das Tragen eines Kopftuchs in Schule und Unterricht einen Eignungsmangel begründet, kommt es darauf an, wie das Kopftuchauf einen Betrachter wirken kann.
    Hinsichtlich der Wirkung religiöser Ausdrucksmittel ist entscheidend, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung der Schulbehörde oder aufgrund eigener Entscheidung voneiner einzelnen Lehrkraft in Ausübung ihrer Glaubensfreiheit verwendet wird. Duldet der Staat in der Schule eine religiös deutbare Bekleidung von Lehrern, die diese auf Grund individueller Entscheidung tragen, sokann dies mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in derSchule anzubringen, nicht gleichgesetzt werden.

    Der Staat macht mitder Hinnahme einer bestimmten Bekleidung einer einzelnen Lehrerin dieseAussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auchnicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.
    Ein von der Lehrerin aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch kann allerdings deshalb besonders intensiv wirken, weil die Schüler für die gesamte Dauer des Schulbesuchs mit der im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehenden Lehrerin ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind. Es fehlt jedoch eine gesicherte empirische Grundlage für die Annahme, dass vom Tragen des Kopftuchs bestimmende Einflüsse auf die religiöse Orientierung der Schulkinder ausgehen. Die in der mündlichen Verhandlung dazu angehörten Sachverständigen konnten von keinen gesicherten Erkenntnissen über eine solche Beeinflussung von Kindern aus entwicklungspsychologischer Sicht berichten.
    Für ein mit der Abwehr bloß abstrakter Gefährdungen begründetes vorbeugendes Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, reicht die im Land Baden-Württemberg geltende beamten- und schulrechtliche Gesetzeslage nicht aus. Dies wird in der Entscheidung im Einzelnen näher begründet.
    Dem zuständigen Landesgesetzgeber steht es frei, die bislang fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen. So kann er im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen.
    Dabei hat er die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Lehrer, der Schüler, der Eltern und die Pflichtdes Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität angemessen zu berücksichtigen.

    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass sein, das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.

    Die Schule ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinandertreffen und wo sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt.
    Es lassen sich Gründe dafür anführen,die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten.

    Mit der beschriebenen Entwicklung ist aber auch ein größeres Potential möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.

    Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, hat nicht die Exekutive zu entscheiden.

    Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Nur er verfügt über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können.
    Ein Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen als Element einer gesetzgeberischen Entscheidung über das Verhältnis von Staat und Religion im Schulwesen kann die Religionsfreiheit zulässigerweise einschränken. Diese Annahme steht im Einklang mit Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gilt vor allem dann, wenn die betroffenen Grundrechte - wie hier -von der Verfassung ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet sind und eine Regelung damit notwendiger Weise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss.
    Solche Regelungen sind dem Parlament vorbehalten, um sicher zu stellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.

    2. Die Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff führen im Sondervotum aus:

    a. Der von der Senatsmehrheit angenommene Gesetzesvorbehalt für dieBegründung von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Beamten wurde bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Bf selbst vertreten. Aufgrund dieser Annahme bleibt die verfassungsrechtliche Grundsatzfrage nach der staatlichen Neutralität im Bildungs- und Erziehungsraum der Schule unentschieden.
    Außerdem kommt es zu einer im Grundgesetz nicht angelegten Fehlgewichtung im System der Gewaltenteilung sowie imVerständnis der Geltungskraft der Grundrechte beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.
    Schließlich gibt die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf die von ihr angenommene neue Verfassungsrechtslage einzustellen und versäumt es, Rechtsprechung und Verwaltung zu sagen, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzesverfahren sollen.

    Dazu heißt es in der abweichenden Meinung im Einzelnen: Der Grundrechtsschutz für Beamte ist funktionell begrenzt.

    Wer Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Beamtete Lehrer genießen bereits vom Ansatz her nicht denselben Grundrechtsschutz wie Eltern und Schüler: Sie sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie teilhaben an der Ausübung öffentlicher Gewalt.

    Die Dienstpflicht des Beamten ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Beamten gegenübertritt.

    Mit Dienstpflichten sichert der Staat in seiner Binnensphäre die gleichmäßige, gesetzes- und verfassungstreueVerwaltung. Die Rechtsstellung des Bewerbers, der keinen Einstellungsanspruch hat, darf nicht aus der Abwehrperspektive eines Grundrechtsträgers gegen den Staat gesehen werden.
    Mit dem freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis entscheidet sich der Bewerber in Freiheit für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherrn.

    Die Geltung des Gesetzesvorbehalts im Schulrecht ist in der Vergangenheit nicht zum Schutze der beamteten Lehrer, sondern um der Eltern und Schüler willen ausgeweitet worden. Wer im grundrechtsverpflichteten Lehrer primär den Grundrechtsträger sieht und seine Freiheitsansprüche damit gegen Schüler und Eltern richtet, verkürzt deren Freiheit.

    Beamte sollen freiheitsbewusste Staatsbürgersein, sie sollen zugleich aber den grundsätzlichen Vorrang der Dienstpflichten und den darin verkörperten Willen der demokratischenOrgane achten. Das Beamtenverhältnis als besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat ist gerade keine vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägte Rechtsbeziehung. Die hier zu beurteilende Eignungsbeurteilung darf nicht mit einem Eingriff in die Glaubensfreiheit verwechselt werden.

    Die Neutralitätspflicht des Beamten ergibt sich aus der Verfassung selbst. Die Begründung der Senatsmehrheit ist deshalb mit grundlegenden Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat nicht vereinbar. Verkannt wird insbesondere die Stellung des öffentlichen Dienstes bei der Verwirklichung des demokratischen Willens.

    Im Einzelnen heißt es dazu: Wer Beamter werden will, strebt die Nähe zur öffentlichen Gewalt an undbegehrt - wie die Bf - die Begründung eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Staat.
    Diese Pflichtenstellung überlagert den grundsätzlich auch für Beamte geltenden Schutz der Grundrechte, soweitAufgabe und Zweck des öffentlichen Amts dies erfordern.
    Die dem Beamten obliegenden Verpflichtungen sind entscheidend für das Vertrauen der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben des demokratischen Rechtsstaats. Hieraus folgt das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot der Beamten, das der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Staates auch für den religiösen und weltanschaulichen Bereich entspricht.
    Es kennzeichnet das Berufsbeamtentum, dass der Dienstherr Dienstpflichten nach den jeweiligen Bedürfnissen einer rechtsstaatlichen und sachlich wirksamen Verwaltung festlegt. Diese Prinzipien gelten unmittelbar von Verfassungs wegen. Die Anforderungen an Zurückhaltung und Neutralität des Beamten bedürfen deshalb weder allgemein noch im Schulverhältnis weiterer gesetzlicher Konkretisierung.

    b. Nach diesen Maßstäben ist das von der Bf begehrte kompromisslose Tragen des Kopftuchs im Schulunterricht mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot eines Beamten nicht vereinbar.

    Um die Eignung eines Beamtenbewerbers zu verneinen, bedarf es keiner "konkreten Gefährdung des Schulfriedens". Diese Annahme verkennt den Beurteilungsmaßstab für die Eignungsbeurteilung. Die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeitaus dem Dienst wegen Verletzung seiner Dienstpflichten ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb muss der Dienstherr bereits zuvor imRahmen der Eignungsprüfung dafür sorgen, dass niemand Beamter wird, der nicht die Gewähr dafür bietet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Dienstpflichten einzuhalten.
    Auch auf eine abstrakte Gefahrenlage kommt es in einem solchen Konfliktfall nicht an. Es widerspricht vielmehr dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt, wenn sich der Staat gegen seine eigenen Beamten, die ihn verkörpern und durch die er handelt, auf die polizeirechtliche Gefahrenschwelle berufen müsste, um deren Verhalten im Dienst zu reglementieren. Zur Konkretisierung einer Dienstpflicht von Beamten bedarf es auch nicht des wissenschaftlich-empirischen Nachweises einer Gefahrenlage.
    Durch die Verwendung signifikanter Bekleidungssymbole erscheint ein Konflikt in nachvollziehbarer Weise oder sogar naheliegend. Davon sind die Fachgerichte zu Recht ausgegangen.
    Das Kopftuch, getragen als kompromisslose Erfüllung eines von der Beschwerdeführerin angenommenen islamischen Verhüllungsgebotes der Frau, steht gegenwärtig für vieleMenschen innerhalb und außerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft für eine religiös begründete kulturpolitische Aussage, insbesondere dasVerhältnis der Geschlechter zueinander betreffend. Die Senatsmehrheithat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Sie hat sich deshalb auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Auffassung, eine Verhüllung der Frauen gewährleiste ihre Unterordnung unter dem Mann, offenbar von einer nicht unbedeutenden Zahl der Anhänger islamischen Glaubens vertreten wird und deshalb geeignet ist, Konflikte mit der auch im Grundgesetz deutlich akzentuierten Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorzurufen.

    c. Der baden-württembergische Landtag hat ausdrücklich bekundet, aus Anlass des Falles der Bf kein formelles Gesetz zu erlassen. Dies übergeht die Begründung der Senatsmehrheit. Die dem Landesgesetzgeber anheimgestellte Aufgabe, sich unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebende Beschränkungen deklaratorisch nachzuzeichnen, ist aber nicht seine Sache, zumal ein solches Gesetz möglicherweise in späterenVerfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut auf den Prüfstand gestellt wird.
    Zudem wird die Volksvertretung im Unklaren gelassen, wie eine verfassungsgemäße Regelung aussehen kann. Die offenen Fragen zählt das Sondervotum auf.
    Schließlich kann sich der Landesgesetzgeber nicht auf die angenommene neue Verfassungsrechtslage einstellen. Rechtsprechung und Verwaltung erfahren nicht, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzes verfahren sollen.

    Der Senat lässt eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage trotz Entscheidungsreife unbeantwortet. Mit der unerwarteten Forderung der Senatsmehrheit nach einem Gesetzesvorbehalt für die Begründung von Dienstpflichten wird das auch dem Staat als Verfahrensbeteiligtem zustehende Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend berücksichtigt. Ein solcher Gesetzesvorbehalt war auch in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthafter Gegenstand des Rechtsgesprächs. Das Land hätte dazu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssen. Angesichts dieses prozessualen Versäumnisses hätte dem Landesgesetzgeber auch nach der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt eine angemessene Übergangsfristgewährt werden müssen. Dies hätte die Auswirkungen einer Überraschungsentscheidung gemindert. Der Landesgesetzgeber hätte dann auch für den vorliegenden Fall eine wirksame gesetzliche Grundlage schaffen können.

    Schließlich bleibt auch unklar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit dem zurückverwiesenen Rechtsstreit weiter verfahren soll. Einerseits müsste es auf der Grundlage der Annahme der Senatsmehrheit der Klage zur Zeit stattgeben, was zu beamtenrechtlich vollendeten Tatsachen führen würde, andererseits käme auch eineAussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Betracht, bis der Landtag eine lehrerdienstrechtliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat.

    Urteil vom 24. September 2003 - Az. 2 BvR 1436/02 -Karlsruhe, den 24. September 2003

    BVerfG: Kopftuch und Arbeitsrecht

    Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zutragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage.
    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden.

    Auf die Verfassungsbeschwerde der Lehrerin, die ihre Einstellung als Beamtinauf Probe in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg anstrebt, hat der Zweite Senat festgestellt, dass die entgegenstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg die Beschwerdeführerin (Bf) in ihren Rechtenaus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 und mit Art. 33 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzen.

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswurde aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Die Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.

    Wegen der Einzelheiten des dem Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 40/2003 vom 16. Mai2003 verwiesen.

    1. Der Senat hat im Wesentlichen ausgeführt:Der zu Grunde liegende Sachverhalt betrifft mehrereverfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen: Jedem Deutschen ist nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnet. Dabei ist ein Zusammenhang zwischen der Zulassung zu öffentlichen Ämtern und dem religiösen Bekenntnis ausgeschlossen.

    Das Tragen eines Kopftuchs durch die Bf in Schule und Unterricht fällt unter den Schutz des Grundrechts der Glaubensfreiheit.

    Mit diesem Grundrecht treten neben dem staatlichen Erziehungsauftrag die Verfassungsgüter des elterlichen Erziehungsrechts und die negative Glaubensfreiheit der Schulkinderin Widerstreit.
    Dazu heißt es in der Entscheidung unter anderem: Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule.

    Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein.

    In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Indem die Bf durch das Tragen des Kopftuchs in Schule und Unterricht die Freiheit in Anspruch nimmt, ihre Glaubensüberzeugung zu zeigen, wird die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler, nämlich kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben, berührt.

    In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.

    Die Länder haben im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit. Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots hat der demokratische Landesgesetzgeber zu lösen, der im öffentlichen Willensbildungsprozess eine für alle zumutbare Regelung zu suchen hat.
    Dabei können die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen. Bei dem zufindenden Mittelweg dürfen auch Schultraditionen, konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starkereligiöse Verwurzelung berücksichtigt werden.
    Diese Grundsätze gelten auch, wenn Lehrern unter Beschränkung ihres individuellen Grundrechts der Glaubensfreiheit für ihr Auftreten und Verhalten in der Schule mit Rücksicht auf die Wahrung der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates Pflichten auferlegt werden sollen.
    Bringen Lehrkräfte religiöse oder weltanschauliche Bezüge in Schule und Unterricht ein, kann dies den in Neutralität zu erfüllenden staatlichen Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen. Es ist zumindest möglich, dass dadurch Schulkinder beeinflusst und Konflikte mit Eltern ausgelöst werden, die den Schulfrieden stören und die Erfüllung des Erziehungsauftrags der Schule gefährden können.
    Auch die Bekleidung von Lehrern, die als religiös motiviert verstanden werden kann, kann so wirken. Dies sind aber lediglich abstrakte Gefahren. Sollen bereits derartige bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konflikts auf Grund des Auftretens der Lehrkraft und nicht erst deren konkretes Verhalten als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten oder als Eignungsmangel bewertet werden, so ist eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich. Denn diese Bewertung geht mit einer Einschränkung des vorbehaltlos gewährten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einher.

    Der Senat führt hierzu im Einzelnen aus:

    Der Aussagegehalt des von Musliminnen getragenen Kopftuchs wird höchst unterschiedlich wahrgenommen.

    Es kann ein Zeichen für als verpflichtend empfundene, religiös fundierte Bekleidungsregeln wie für Traditionen der Herkunftsgesellschaft sein.
    In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen.
    Die Deutung des Kopftuchs kann jedoch nicht auf ein Zeichengesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden. Dies zeigen neuere Forschungsergebnisse. Junge muslimische Frauen wählen dasKopftuch auch frei, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
    Insoweit ist nicht belegt, dass die Bf allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde.

    Für die Frage, ob das Tragen eines Kopftuchs in Schule und Unterricht einen Eignungsmangel begründet, kommt es darauf an, wie das Kopftuchauf einen Betrachter wirken kann.
    Hinsichtlich der Wirkung religiöser Ausdrucksmittel ist entscheidend, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung der Schulbehörde oder aufgrund eigener Entscheidung voneiner einzelnen Lehrkraft in Ausübung ihrer Glaubensfreiheit verwendet wird. Duldet der Staat in der Schule eine religiös deutbare Bekleidung von Lehrern, die diese auf Grund individueller Entscheidung tragen, sokann dies mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in derSchule anzubringen, nicht gleichgesetzt werden.

    Der Staat macht mitder Hinnahme einer bestimmten Bekleidung einer einzelnen Lehrerin dieseAussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auchnicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.
    Ein von der Lehrerin aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch kann allerdings deshalb besonders intensiv wirken, weil die Schüler für die gesamte Dauer des Schulbesuchs mit der im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehenden Lehrerin ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind. Es fehlt jedoch eine gesicherte empirische Grundlage für die Annahme, dass vom Tragen des Kopftuchs bestimmende Einflüsse auf die religiöse Orientierung der Schulkinder ausgehen. Die in der mündlichen Verhandlung dazu angehörten Sachverständigen konnten von keinen gesicherten Erkenntnissen über eine solche Beeinflussung von Kindern aus entwicklungspsychologischer Sicht berichten.
    Für ein mit der Abwehr bloß abstrakter Gefährdungen begründetes vorbeugendes Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, reicht die im Land Baden-Württemberg geltende beamten- und schulrechtliche Gesetzeslage nicht aus. Dies wird in der Entscheidung im Einzelnen näher begründet.
    Dem zuständigen Landesgesetzgeber steht es frei, die bislang fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen. So kann er im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen.
    Dabei hat er die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Lehrer, der Schüler, der Eltern und die Pflichtdes Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität angemessen zu berücksichtigen.

    Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass sein, das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.

    Die Schule ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinandertreffen und wo sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt.
    Es lassen sich Gründe dafür anführen,die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten.

    Mit der beschriebenen Entwicklung ist aber auch ein größeres Potential möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.

    Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, hat nicht die Exekutive zu entscheiden.

    Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Nur er verfügt über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können.
    Ein Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen als Element einer gesetzgeberischen Entscheidung über das Verhältnis von Staat und Religion im Schulwesen kann die Religionsfreiheit zulässigerweise einschränken. Diese Annahme steht im Einklang mit Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

    Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gilt vor allem dann, wenn die betroffenen Grundrechte - wie hier -von der Verfassung ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet sind und eine Regelung damit notwendiger Weise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss.
    Solche Regelungen sind dem Parlament vorbehalten, um sicher zu stellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.

    2. Die Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff führen im Sondervotum aus:

    a. Der von der Senatsmehrheit angenommene Gesetzesvorbehalt für dieBegründung von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Beamten wurde bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Bf selbst vertreten. Aufgrund dieser Annahme bleibt die verfassungsrechtliche Grundsatzfrage nach der staatlichen Neutralität im Bildungs- und Erziehungsraum der Schule unentschieden.
    Außerdem kommt es zu einer im Grundgesetz nicht angelegten Fehlgewichtung im System der Gewaltenteilung sowie imVerständnis der Geltungskraft der Grundrechte beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.
    Schließlich gibt die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf die von ihr angenommene neue Verfassungsrechtslage einzustellen und versäumt es, Rechtsprechung und Verwaltung zu sagen, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzesverfahren sollen.

    Dazu heißt es in der abweichenden Meinung im Einzelnen: Der Grundrechtsschutz für Beamte ist funktionell begrenzt.

    Wer Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Beamtete Lehrer genießen bereits vom Ansatz her nicht denselben Grundrechtsschutz wie Eltern und Schüler: Sie sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie teilhaben an der Ausübung öffentlicher Gewalt.

    Die Dienstpflicht des Beamten ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Beamten gegenübertritt.

    Mit Dienstpflichten sichert der Staat in seiner Binnensphäre die gleichmäßige, gesetzes- und verfassungstreueVerwaltung. Die Rechtsstellung des Bewerbers, der keinen Einstellungsanspruch hat, darf nicht aus der Abwehrperspektive eines Grundrechtsträgers gegen den Staat gesehen werden.
    Mit dem freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis entscheidet sich der Bewerber in Freiheit für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherrn.

    Die Geltung des Gesetzesvorbehalts im Schulrecht ist in der Vergangenheit nicht zum Schutze der beamteten Lehrer, sondern um der Eltern und Schüler willen ausgeweitet worden. Wer im grundrechtsverpflichteten Lehrer primär den Grundrechtsträger sieht und seine Freiheitsansprüche damit gegen Schüler und Eltern richtet, verkürzt deren Freiheit.

    Beamte sollen freiheitsbewusste Staatsbürgersein, sie sollen zugleich aber den grundsätzlichen Vorrang der Dienstpflichten und den darin verkörperten Willen der demokratischenOrgane achten. Das Beamtenverhältnis als besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat ist gerade keine vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägte Rechtsbeziehung. Die hier zu beurteilende Eignungsbeurteilung darf nicht mit einem Eingriff in die Glaubensfreiheit verwechselt werden.

    Die Neutralitätspflicht des Beamten ergibt sich aus der Verfassung selbst. Die Begründung der Senatsmehrheit ist deshalb mit grundlegenden Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat nicht vereinbar. Verkannt wird insbesondere die Stellung des öffentlichen Dienstes bei der Verwirklichung des demokratischen Willens.

    Im Einzelnen heißt es dazu: Wer Beamter werden will, strebt die Nähe zur öffentlichen Gewalt an undbegehrt - wie die Bf - die Begründung eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Staat.
    Diese Pflichtenstellung überlagert den grundsätzlich auch für Beamte geltenden Schutz der Grundrechte, soweitAufgabe und Zweck des öffentlichen Amts dies erfordern.
    Die dem Beamten obliegenden Verpflichtungen sind entscheidend für das Vertrauen der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben des demokratischen Rechtsstaats. Hieraus folgt das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot der Beamten, das der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Staates auch für den religiösen und weltanschaulichen Bereich entspricht.
    Es kennzeichnet das Berufsbeamtentum, dass der Dienstherr Dienstpflichten nach den jeweiligen Bedürfnissen einer rechtsstaatlichen und sachlich wirksamen Verwaltung festlegt. Diese Prinzipien gelten unmittelbar von Verfassungs wegen. Die Anforderungen an Zurückhaltung und Neutralität des Beamten bedürfen deshalb weder allgemein noch im Schulverhältnis weiterer gesetzlicher Konkretisierung.

    b. Nach diesen Maßstäben ist das von der Bf begehrte kompromisslose Tragen des Kopftuchs im Schulunterricht mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot eines Beamten nicht vereinbar.

    Um die Eignung eines Beamtenbewerbers zu verneinen, bedarf es keiner "konkreten Gefährdung des Schulfriedens". Diese Annahme verkennt den Beurteilungsmaßstab für die Eignungsbeurteilung. Die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeitaus dem Dienst wegen Verletzung seiner Dienstpflichten ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb muss der Dienstherr bereits zuvor imRahmen der Eignungsprüfung dafür sorgen, dass niemand Beamter wird, der nicht die Gewähr dafür bietet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Dienstpflichten einzuhalten.
    Auch auf eine abstrakte Gefahrenlage kommt es in einem solchen Konfliktfall nicht an. Es widerspricht vielmehr dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt, wenn sich der Staat gegen seine eigenen Beamten, die ihn verkörpern und durch die er handelt, auf die polizeirechtliche Gefahrenschwelle berufen müsste, um deren Verhalten im Dienst zu reglementieren. Zur Konkretisierung einer Dienstpflicht von Beamten bedarf es auch nicht des wissenschaftlich-empirischen Nachweises einer Gefahrenlage.
    Durch die Verwendung signifikanter Bekleidungssymbole erscheint ein Konflikt in nachvollziehbarer Weise oder sogar naheliegend. Davon sind die Fachgerichte zu Recht ausgegangen.
    Das Kopftuch, getragen als kompromisslose Erfüllung eines von der Beschwerdeführerin angenommenen islamischen Verhüllungsgebotes der Frau, steht gegenwärtig für vieleMenschen innerhalb und außerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft für eine religiös begründete kulturpolitische Aussage, insbesondere dasVerhältnis der Geschlechter zueinander betreffend. Die Senatsmehrheithat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Sie hat sich deshalb auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Auffassung, eine Verhüllung der Frauen gewährleiste ihre Unterordnung unter dem Mann, offenbar von einer nicht unbedeutenden Zahl der Anhänger islamischen Glaubens vertreten wird und deshalb geeignet ist, Konflikte mit der auch im Grundgesetz deutlich akzentuierten Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorzurufen.

    c. Der baden-württembergische Landtag hat ausdrücklich bekundet, aus Anlass des Falles der Bf kein formelles Gesetz zu erlassen. Dies übergeht die Begründung der Senatsmehrheit. Die dem Landesgesetzgeber anheimgestellte Aufgabe, sich unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebende Beschränkungen deklaratorisch nachzuzeichnen, ist aber nicht seine Sache, zumal ein solches Gesetz möglicherweise in späterenVerfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut auf den Prüfstand gestellt wird.
    Zudem wird die Volksvertretung im Unklaren gelassen, wie eine verfassungsgemäße Regelung aussehen kann. Die offenen Fragen zählt das Sondervotum auf.
    Schließlich kann sich der Landesgesetzgeber nicht auf die angenommene neue Verfassungsrechtslage einstellen. Rechtsprechung und Verwaltung erfahren nicht, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzes verfahren sollen.

    Der Senat lässt eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage trotz Entscheidungsreife unbeantwortet. Mit der unerwarteten Forderung der Senatsmehrheit nach einem Gesetzesvorbehalt für die Begründung von Dienstpflichten wird das auch dem Staat als Verfahrensbeteiligtem zustehende Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend berücksichtigt. Ein solcher Gesetzesvorbehalt war auch in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthafter Gegenstand des Rechtsgesprächs. Das Land hätte dazu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssen. Angesichts dieses prozessualen Versäumnisses hätte dem Landesgesetzgeber auch nach der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt eine angemessene Übergangsfristgewährt werden müssen. Dies hätte die Auswirkungen einer Überraschungsentscheidung gemindert. Der Landesgesetzgeber hätte dann auch für den vorliegenden Fall eine wirksame gesetzliche Grundlage schaffen können.

    Schließlich bleibt auch unklar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit dem zurückverwiesenen Rechtsstreit weiter verfahren soll. Einerseits müsste es auf der Grundlage der Annahme der Senatsmehrheit der Klage zur Zeit stattgeben, was zu beamtenrechtlich vollendeten Tatsachen führen würde, andererseits käme auch eineAussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Betracht, bis der Landtag eine lehrerdienstrechtliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat.

    Urteil vom 24. September 2003 - Az. 2 BvR 1436/02 -Karlsruhe, den 24. September 2003

    22 August 2003

    Schill - ein Nachruf

    Ronald Barnabas Schill, der allseits beliebte Nachwuchspolitiker aus dem Schanzenviertel, der König der Herzen, Anwärter auf den Friedensnobelpreis 2015, ist Anfang dieser Woche schnöde kaltgestellt worden. Eben war er noch Anwärter auf das Innenministeramt in Weißrussland *und* das höchste deutsche Staatsamt (Führer), jetzt muss er sein Gesäß auf einer der harten Hinterbänke ("Holzklasse") der Bürgerschaft plattdrücken.
    Erinnern wir uns noch enmal an seinen kometenhaften Aufstieg:
    Bekannt wurde er durch seine kauzigen Urteile, in denen er z.B. Schwarzfahrer mit der Todesstrafe belegte und durch die er sich schnell den Kosenamen "Richter Tassenlos" erwarb. Leider wurden diese Urteile in höherer Instanz meist aufgehoben. Wenn er mal wieder einen Delinquenten fertigmachen wollte, rief er vorher Vertreter der Lokalpresse an: "Schauen Sie mal bei mir im Gerichtssaal vorbei, ich mach heute wieder einen fertig." Schon damals trat er seinen Siegeszug durch die mediale Landschaft an; gern wurde er in Talkshows eingeladen (Offener Kanal, Vera am Mittag, Larry King).
    Einen ersten Dämpfer erhielt seine Karriere, als er bei einem Verfahren zwei Zuschauern "aus der linksextremistischen Szene" (Schill) als Ordnungsstrafe zwanzig Stockhiebe verabreichen ließ, weil sie "nicht richtig standen" (Schill). Er wurde daraufhin strafversetzt und durfte fortan nur noch als Linienrichter bei Spielen der Kreisliga wirken.
    Doch Schill ließ sich nicht unterkriegen. Er gründete die rechtsorientierte Partei Rechter Orientierung, die auf Anhieb 19,4% bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Hamburg schaffte, und wurde Innensenator. Als solcher glänzte er durch seine Fürsorge zu den Polizisten, deren Spinde er mit dem aktuellen Playmate des Monats ausstatten ließ. Sein Wahlkampfversprechen, die Zahl der Schwarzfahrer innerhalb eines Jahres zu halbieren, wollte er durch neue Fahrpläne (Wegfall der Hälfte der U-Bahnen und Busse) realisieren - sein Vorhaben scheiterte leider an der Uneinsichtigkeit der Koalitionspartner. Unvergessen ist sein Auftritt im Bundesrat, in dem er Bundeskanzler Schröder nicht nur für die Elbflut, sondern auch für die Ausländerflut und die Sintflut verantwortlich machte.
    Dies alles scheint nun ein jähes Ende gefunden zu haben. Bürgermeister Ole von Beust ließ für seinen Innensenator die Entlassungspapiere ausstellen, nachdem Schill ihm damit gedroht hatte, ihn als angeblichen Schuhfetischisten zu outen, der einen Schuhverkäufer zum Senator ernannt haben soll (Schill: "Es gibt mehrere Zeugen, die bestätigen können, dass es in einem gewissen Laden zu *Kauf-Akten* kam!").
    Schill wird nun wohl unsterblich werden. In Moskau gibt es dafür die Kremlmauer, in Paris den Pantheon, in Hamburg zieht man in den Olymp der Hamburger Originale ein. "Richter Tassenlos" wird seinen gebührenden Platz zwischen Hummel und der Zitronenjette einnehmen. Hummel Hummel? Schill Schill!

    -Londo Mollari- Diskussion

    08 August 2003

    Kopfgeld-Jagd im Irak

    Zuerst brachten die USA ein Kartenspiel in den Irak, um die wichtigsten Mitglieder des diktatorischen Regimes zu jagen,

    dann wurden die beiden Söhne Husseins getötet und an den irakischen Informanten 30 Mio.US-Dollar ausgezahlt,

    nun wird Saddam Hussein plakatiert mit seinen zwei durchgestrichenen Söhnen.

    Wie wirken Kartenspiele, die Millionen für durchgestrichene Söhne auf die Muslime im Irak?

    Bush brach nicht nur das Völkerrecht, sondern ist dabei auch dumm.
    Doch wie in allen historischen Vergleichen: Da sind eine Menge Leute um so einen herum nicht anders.


  • Diskussion
  • 23 Juli 2003

    Kein Anti-Diskriminierungsgesetz?

    KOALITION IM BUND WILL KEIN ANTI-DISKRIMINIERUNGSGESETZ
    Nach einem Bericht des "Spiegel" vom 14.7.2003 will die rot-grüne Regierungskoalition im Bund in dieser Legislaturperiode kein Anti-Diskriminierungsgesetz beschließen. Eigentlich hätte die Bundesregierung bis zum 19.7. die Richtlinie der Europäischen Union über den Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Herkunft umsetzen müssen. Damit würde beispielsweise verhindert, dass Vermieter, Kneipiers oder Versicherungen Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Staatsangehörigkeit schlechter behandeln. Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte jedoch angeblich keine neuen Regelungen, die von der Wirtschaft als Hemmnisse empfunden werden könnten.

    -Sergiu- >> Diskussion

    15 Juli 2003

    US-Staatsverschuldung

    Die Bush-Politik ist katastrophal schuldentreibend: für 2003 rechnet das Präsidialam mit einem Haushaltsdefizit i.H.v. 455 Mrd. Dollar, für das Jahr 2004 sogar mit 475 Mrd. Dollar.
    Der bisherige Rekord wurde von Bushs Vater im Jahr 1992 mit 290 Mrd. Dollar aufgestellt.
    Dabei gab es unter Clinton bessere Zeiten: in den Jahren 1998 bis 2001 gab Haushaltsüberschüsse.
    Für das Jahr 2006 sei eine Halbierung der Defizite geplant, heißt es aus dem Weißen Haus, aber bis dahin dürfte George W. Bush längst Geschichte sein.

    -msr- >> Diskussion

    12 Juli 2003

    Irak-Krieg und die "Drohkulisse"

    In Washington und London werden gerade die Aktendeckel geschlossen. Den Regierenden war in Untersuchungsausschüssen vorgeworfen, den Irak-Krieg durch Täuschung der Weltöffentlichkeit begründet zu haben.

    Manch einer wird sich daran erinnern, wie oft Merkel, Schäuble und andere der Bundesregierung vorwarfen, dass durch das frühzeitige Veto gegen den drohenden Krieg die "Drohkulisse" gegenüber Saddam Hussein unterminiert worden sei, weshalb dieser sich erforderlicher Abrüstung entzogen habe.

    Tatsächlich aber brachte der Krieg die Gewissheit, dass Saddam Hussein so gut wie nichts abrüsten hatte, dass also eine ganz andere "Drohkulisse" aufgebaut war: "die Bedrohung durch Saddams Massenvernichtungswaffen", die "binnen 45 Minuten" zum Einsatz gebracht werden könnten (Tony Blair) oder die Uran-Käufe im Sudan, die es also nie gegeben hat, wie nun der CIA-Chef einräumte, um US-Präsidenten vom Vorwurf zu entlasten, in seiner Januar-Ansprache gelogen zu haben.

    Merkel und Schäuble sollten Konsequenzen ziehen, die sie alle Nase lang von anderen verlangen: Rücktritt. Denn sie haben sich skrupellos an der Bedrohungslüge beteiligt.

  • Debatte
  • 10 Juli 2003

    Italiener, ich liebe Euch!

    Nun besucht Euch unser Bundeskanzler nicht, weil er meint, dass Euer Tourismus-Stefani die Deutschen nicht für "einförmige, supernationalistische Blonde" halten solle. Aber wenn der keine anderen kennt? Claudia Schiffer ist blond. Frau Merkel weniger. - Geschmacksache.

    Warum eigentlich so verstimmt, Herr Bundeskanzler?
    Warum nicht einfach fragen, wie Stefano Stefani sein Statement meint?
    Was haben die Bayern nicht schon alles von den Preussen gehört und umgekehrt - trotzdem fahren wir in Berlin zuweilen ganz gern BMW.
    Warum bleibt der Kanzler nicht locker und sagt: "Italiener, ich liebe Euch! Und den Stefani etwas weniger."

    -msr- >> Diskussion

    08 Juli 2003

    Fall Friedman: Moralische Verurteilung eines "Moralapostels"?

    So oft ich mich über ihn ärgerte, wenn es um seine Parteipolitik und um den Irak-Krieg ging, so sind mir keinerlei Moralappelle Friedmans erinnerlich, in denen es um Drogen, Alkohol oder Prostitution gegangen wäre.
    Friedmans Bekanntheit resultiert einzig aus seiner Aktivität als politischer Fernsehmoderator, Journalist und Funktionär des Zentralrats der Juden.
    Als Privatperson versagte er strafrechtlich. Als politische Person zog er mit Rücktritt die Konsequenz daraus, dass sein privates Versagen anderen politisch schade.
    Das ist höhere Moralität. Alle Achtung für solch seine Entschuldigung.
    Und ich wünsche uns, für ihn und für das Ganze, dass Menschen, deren Fehler öffentlich wurden, zurückkommen können. - Es wäre ein Beitrag gegen die Scheinheiligkeit des Ganzen und des Individuums.
    Ich wünsche, dass der hessische Rundfunk mit Friedman eine Pause und eine Rückkehr verabredet.

    -msr- Diskussion

    07 Juli 2003

    Eichel, Staat und Börsenmafia

    Hedge-Fonds sind Aktien-Wetten, bei denen auf teil minimale Veränderungen an den Märkten Gewinne oder Verluste gemacht werden können.

    Es gibt zur Zeit weltweit über 6000 Hedge-Fonds, die überwiegend in Steuerparadiesen wie den Bermudas verwaltet werden, während sie in Deutschland unzulässig sind.

    Heute meldeten die Agenturen, dass Bundesfinanzminister Eichel (SPD) die Hedge-Fonds auch in Deutschland zulassen möchte, um den Finanzstandort Deutschland "attraktiver" zu machen.

    Warum? Weil unser Staat fortlaufend nach Dingen sucht, mit denen er seine unsoliden Haushalte zu stützen sucht. Dass Eichel "strenge Auflagen" machen will, um den Kleinanleger zu schützen, ist barer Unsinn, denn man bräuchte gar nicht erst zu gestatten, was Wette und Betrug in Deutschland größere Spielräume verschafft.

    Wenn Deutschland etwas gegen seine vermeintliche "Benachteiligung" als Finanzplatz tun möchte, dann sollte sich der Außenminister dafür einsetzen, dass die internationalen Finanzplätze ihre Wettbuden schließen. Die Gier des Staates geht den heutigen Politikern vor die Interessen der Verbraucher.

  • Diskussion
  • Irak-Kommentar: Die erfolglosen "Pragmatiker"

    Irak, Kosovo, Afghanistan, Irak - zu welchem Krieg auch immer sich "unser Westen" aufmachte und dafür warb, waren es Lügen und Übertreibungen, mit denen sich die westliche Weltöffentlichkeit für den Krieg gewinnen ließ.

    Verhandlungen wurden nicht konsequent geführt und die westliche militärische Überlegenheit verleitete zum Angriff.

    In keinem der Kriege waren die Gründe rechtlich gegeben, in keinem der Kriege waren die Ziele ausgearbeitet oder rechtlich gedeckt. Solche Politik ist völkerrechtswidrig und kann auch nicht durch UNO-Verhalten "geheilt" werden, allenfalls werden die Völkerrechtsverstöße durch UN-Sicherheitsratsbeschlüsse in ihrer Dimension "gemildert".

    Auch die unrechtliche, "pragmatische" Beurteilung des Kriegs gegen den Irak zeigt, dass der Krieg kein probates Mittel war, um Saddam Hussein zu entmachten. Fast jeden Tag werden nach dem offiziellen Kriegsende "Befreier" getötet und die Soldaten von USA und GB können einem eigentlich nur leid tun, von den Befreiten so wenig Rückhalt zu bekommen, dass es möglich ist, beispielsweise auf dem Gelände der Universität und vor dem Nationalmuseum buchstäblich hingerichtet zu werden.

    US-Soldaten und GB-Soldaten ließen sich von ihren Regierungen in eine aussichtslose Situation manövrieren, in der sie den Befreiten als Befreier nicht genügen können.

    Für die Abrüstung des Iraks gab es Alternativen zum Krieg, für die Demokratisierung auch.

    Notwendig waren und sind politische und rechtliche Reformen der UN, die sehr wohl auch militärische Mittel zur Rechtsdurchsetzung vorsehen, aber die archaische Gewaltpolitik muss der Vergangenheit angehören.

    Diesen Prozess der internationalen Rechtsentwicklung muss Anliegen deutscher und europäischer UNO-Politik sein.

    "Kein staatliches Handeln ohne Gesetz" muss zur obersten Politik-Maxime werden. Innerstaatlich ist das anerkannt. Außenpolitisch ist diese Maxime nicht weniger erforderlich.

    -msr-

    Die Farce: Freispruch für Tony Blair

    Ein Untersuchungsausschuss des britischen Unterhauses sprach Premierminister Tony Blair und dessen Minister von dem Vorwurf frei, das Parlament über die Gründe für den Irak-Krieg getäuscht zu haben.

    Das parteiübergreifende Gremium hielt lediglich an der Kritik fest, dass Blair "übermäßig betont" habe, Saddam Hussein könne binnen "45 Minuten mit seinen Massenvernichtungswaffen zuschlagen".

    Dass sich eine demokratisch gewählte Regierung überhaupt leisten kann, die Welt in Fragen von Krieg und Frieden derart zu täuschen und dabei Geheimdienst-Dossiers verwendete, die von einer studentischen Arbeit abgeschrieben und vollkommen veraltete Szenarien als akute Bedrohung verbreiteten, ist m.E. allein schon Grund genug, Blair und Co. vor den Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.

    Wenn es keine "Täuschung" war, sondern "Irrtum", dann könnte Blair strafrechtliche Entlastung dadurch suchen, dass er seinerseits getäuscht wurde, aber Verantwortlichkeit in der Politik kann und wird es eben nur geben, wenn man Menschen in die persönliche und gegebenenfalls strafrechtliche Verantwortung für ihr Tun nimmt.

    -msr- Diskussion

    03 Juli 2003

    Silvio Berlusconi und die "Betroffenheit"

    2.7.2003 - Italiens Medienunternehmer und Ministerpräsident Silvio Berlusconi gab in seiner ersten Rede als turnusmäßiger EU-Ratspräsident vor dem Straßburger Parlament ein Beispiel seiner moralischen Unbefangenheit, als er in Replik auf eine Kritik des Sozialdemokraten Schulz sagte:
    "Herr Schulz, ich weiß, dass in Italien derzeit ein Produzent einen Film über Nazi-Konzentrationslager dreht. Ich würde Sie für die Rolle des Kapos vorschlagen. Sie wären perfekt dafür."

    Nach einer Sitzung der konservativen Fraktion entschuldigte sich Berlusconi "beim deutschen Volk, dessen historische Empfindsamkeit mit der Äußerung nicht treffen wollte".
    In Berlin und Rom wurden diplomatische Protestnoten ausgetauscht.

    Kommentar:

    Wer die Bilder zeigten, dass Berlusconi seinen Spruch für eine humorvolle Polemik hielt, mit der er Martin Schulz in Sekundenschnelle zu einem medien-prominenten Mann machte. Man könnte ihn allenfalls seiner politischen Dummheit schelten und am Verstand der italienischen Wähler zweifeln, die einen solchen Mann in der Politik zu dulden. Aber vor allem letzteres werden die Berlusconi-Kritiker in ihrem Normal-Opportunismus nicht wagen. Den Wähler beschimpft man nicht.
    Stattdessen eilte man nach dem Spruch von Berlusconi in die für solche Vorfälle typische "Betroffenheit". Europa werde durch Berlusconis Ratspräsidentschaft Schaden nehmen usw. Der Mann sei unberechenbar. -
    Ja, das stimmt alles. Aber wer sich ernsthaft daran stört, dass Politiker von ihrer Selbstherrlichkeit Gebrauch machen, sollte in Europa für Gesetze sorgen, die der Selbstherrlichkeit begegnen, etwa dadurch, dass nationale Gesetze, die führenden Politikern besondere Immunität zusichern, gegen EU-Recht verstoßen. Und Silvio könnte ab sofort wieder wegen der Korruptionsvorwürfe vor Gericht.
    Oder eben auch durch ein EU-Gesetz, dass die Ämterverquickung von Wirtschaftsunternehmen und Politik verbietet, aber damit würde man sich in fast jeder EU-Parlamentsfraktion ins eigene hungrige Fett schneiden.
    Und von solchen Forderungen war auch der Rede von Martin Schulz nichts zu entnehmen, der zwar zurecht die persönliche Integrität Berlusconis angezweifelt hatte, aber keinen Verstand dafür andeutete, wie das anders als durch moralisches Gejammer politisch, also vor allem gesetzlich zu regeln ist.
    Viele Parlamentarier scheinen nicht zu wissen, was ihre eigentlich parlamentarische Aufgabe ist: Gesetzgebung, Gesetzesverbesserung. Stattdessen vertun sie Zeit und Steuergeld mit mehr oder minder dummen Wahlkampfrhetorik.
    Berlusconi, kein Nervenkitzel für mich, sondern nur ein etwas krasseres Symptom für die Demokratiedefizite Europas.


  • Diskussion

  • http://www.dialoglexikon.de/berlusconi.htm

    15 Juni 2003

    Die Europa-Blocker kommen durch die "Hintertür"

    Da redeten sie jahrelang, dass es der Welt an der "Stimme Europas" fehle - und jetzt, wo sie mit der vorgelegten EU-Verfassung nicht mehr lange darauf warten müssten, da blasen sie zum Rückzug. - Warum eigentlich?
    Der EU-Verfassungsentwurf verlangt auf den wichtigsten Politikfeldern die Mehrheitsentscheidung anstelle des ineffektiven Konsensprinzips. Vorbei wäre es mit EU-Gipfeln, von denen kaum mehr bleibt als das Gruppenfoto von Nasen, die solange nach dem minimalsten Minimalkonsens suchten, bis sich für ihre Luftblasen niemand mehr zu interessieren brauchte, weil viel wichtiger war, welche EU-Staaten kraft alter Souveränität ihre Heere auf die Schlachtfelder befahlen oder in heimischen Kasernen beließen.

    Und nun? Nur noch Provinzchef und vorbei ist es mit Audienzen bei Bush, weil die Politik der großen, weiten Welt künftig in Brüssel gemacht wird?

    Bayerns Stoiber mag in solchen Bedeutungsverlust nicht einwilligen und will die EU-Verfassung im Bundesrat blockieren, also die letzte Chance nutzen, am Dualen System der bisherigen Machtvollkommenheit aus Bundestag und Bundesrat festzuhalten, um sich nicht eine Etage tiefer wiederzufinden, sobald oben eine europäische Etage aufgestockt wurde. Und Stoiber traut dem Mehrheitsprinzip nicht, denn des Landesvaters Veto im Bundesrat kann in Europa nur wirken, solange es in Brüssel beim Konsensprinzip bleibt und die deutsche Stimme vom europäischen Chor nicht überstimmt werden kann.

    Aber womit versucht der Lastminute-Nörgler das Volk für seine Demokratie-Blockade zu gewinnen?

    Stoiber wörtlich: "Über die Hintertür könnte es dazu kommen, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende von der EU per Mehrheitsabstimmung geregelt wird."

    Fällt einem nichts Gescheites ein, dann müssen es eben Appelle an die niederen Sinne im Ländle sein, gegen die "Asylsuchenden" also und durch die "Hintertür" dazu. Das sind die Stichworte mit Streubombenwirkung, also Stichworte für den hessischen Christenmenschen Roland Koch, der sogleich verkündet, dass Deutschland "extrem schlechte Erfahrungen mit Europa bei der Zuwanderung" gemacht habe.

    Wirklich "extrem", aber das war uns Bürgern so noch gar nicht bewusst, dass Europa so schlecht zu uns gewesen sein soll. Man darf gespannt sein, wie nun die CDU-Vorsitzende Merkel die scharfe Rechtskurve nehmen will, denn sie hatte bislang den Verfassungstext als "großen Erfolg für Europa" gelobt.

    Vielleicht überraschen die Parteibuch-Christen nach ihrer Unterstützung für den Irak-Krieg nun durch eine Unterschriftenkampagne unter dem Motto: "Kinder statt Asylsuchende!" -msr-

  • EU-Verfassung ohne Referendum?
  • 02 Mai 2003

    Alljährlicher Mai-Krawall und Dilettantismus



    Bei den gestrigen Mai-Krawallen wurden mehr als 170 Polizeibeamte verletzt und erhebliche Sachschäden verursacht. Angaben über die Verletztenzahl auf Seiten der Krawallmacher und Krawallunbeteiligter liegen nicht vor. Es gab mehr als 200 Festnahmen. Insgesamt scheinen die Schäden geringer als in den Vorjahren. -

    Nun zanken wieder die Parteien um die "Härte", mit der Polizei gegen Krawallmacher vorzugehen habe. Um vernünftige Analysen und tatsächliche Problemlösungen geht es in der diesjährigen Debatte so wenig wie in den Vorjahren. Stattdessen Profilierungsversuche auf Kosten der öffentlichen Sicherheit auch gerade von denen, die mit "Law and Order" für ihre oppositionelle Hauptstadtpolitik werben wollen, aber in den vielen Jahren ihrer eigenen Regierungszeit nichts zu Wege brachten, ob sie nun die Knüppel schwingen ließen oder entgegen ihren schroffen Sprüchen doch pragmatische Zurückhaltung übten, beispielsweise durch ihren damaligen CDU-Bausenator Rastemborski mir persönlich die Schlüssel zu einem großen leerstehenden Mietshaus aushändigten, um eine gewaltsame Besetzung durch Extremisten zu vermeiden und "Ruhe" in der Stadt vorzutäuschen.

    Die Gesamtstrategie und Taktik der Polizeiführung war in diesem Jahr immerhin besser als in den Vorjahren und Eskalationen wurden durch die Begrenzung von Aktionsräumen klug vermieden.

    Noch liegen uns keine näheren Informationen vor, aber ich nehme an, dass es auch dieses Jahr weder Prävention gegeben hat noch die Vorraussetzungen für die Ergreifung von Straftätern geschaffen wurden, Markierungsmittel, Videodokumentation, ...

    Prävention wäre beispielsweise, wenn Personen, die wegen Demonstrationsstraftaten verurteilt wurden, mit einem Demonstrationsverbot belegt würden. Bei Wiederholungstätern (=häufig nach Aktenlage der Fall) wären solche Personen unter Hausarrest zu stellen.

    Die Mängel in der Videodokumentation sind mir seit Jahrzehnten absolut schleierhaft. Wer mal das Vergnügen hatte, sich solche "Polizei-Videos" anschauen zu können, könnte annehmen, dass die dafür eingesetzten Beamten in Diensten der Krawallmacher stehen, jedenfalls waren die aus den Videos geschnittenen Fotos vom 1.Mai 2002 unbrauchbar und wurden somit vollkommen überflüssig auch noch auf Vielfarb-Fahnungsplakaten gedruckt. Das LKA sollte mal Auskunft geben, ob überhaupt ein einziger Straftäter auf diese Weise ermittelt werden konnte. Ansonsten war es Steuermittelverschwendung und kontraproduktive Diffamierung des Demonstrationsrechts.

    Erklärbar ist solch Versagen nur mit einer außerordentlich schlechten Ausbildung der Einsatzkräfte, an der sich also bis 2002 nichts geändert hatte. Auf die diesjährigen "Fotos" bin ich gespannt.

    Markierungsmitteln wären keine Allheilmittel, können sogar Verwechslungen bewirken, wenn zwischentretende Fried-Demonstranten getroffen werden, aber die Polizei hat ohnehin keine Ergriffenen zu schlagen usw., sondern im Abgleich mit anderen Dokumentationsarten die Verdächtigten der Strafverfolgung zuzuführen (und nicht selbst zu "strafen"). Auch letzteres scheint vielen Polizeibeamten nicht hinreichend bewusst zu sein, wenn sie auf Demonstranten eindreschen, was auch dieses Mal reichlich stattfand.

    Wenn ich verbesserte Prävention, Dokumentation etc. fordere, dann darf das nur in Kombination mit verbessertem Datenschutz einher gehen. Also müssten die Videos Datenschützern vorgelegt werden und binnen einer zu begrenzenden Zeit um alle Sequenzen geschnitten werden, die Unverdächtige dokumentieren, denn tatsächlich hat der Staat kein Recht zur Erfassung politischer Aktivitäten gesetzeskonformer Bürger.

    Hinsichtlich der Reaktionslosigkeit von Fried-Demonstranten gegenüber mitmarschierenden Krawallmachern äußerte ich mich in den Vorjahren oft genug und verweise auf die Webseite.

    -msr-

    01 Mai 2003

    "Wachstum und Beschäftigung fördern - Sozialstaat erneuern"

    Die Wachstums- und Beschäftigungskrise in Deutschland erfordert nach Ansicht des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer klare Reformen in der Finanz- aber auch der Sozialpolitik. Auf der zentralen 1.Mai-Kundgebung des DGB in Neu-Anspach (Hessen) verurteilte Sommer den Sparkurs der rot-grünen Koalition. "Richtig wäre es, die Steuerreform insbesondere für die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen vorzuziehen, um die Massenkaufkraft zu stärken", sagte Sommer. Außerdem müsse der Bund gewerbliche und private Investitionen durch direkte Zuschüsse fördern. Auch die Kommunen bräuchten "direkte Investitionshilfen", damit sie in der Lage seien, "Straßen zu reparieren, Schulen zu renovieren und Ganztagseinrichtungen für Kinder zu schaffen".

    Das Grundübel der Massenarbeitslosigkeit sei nicht ein überbordender Sozialstaat sondern die seit mehr als zwei Jahren andauernde wirtschaftliche Stagnation. In Folge steigender Arbeitslosenzahlen gerieten natürlich auch die sozialen Sicherungssysteme unter Druck.

    Sommer kritisierte die zunehmende Verantwortungslosigkeit vieler Arbeitgeberfunktionäre, Manager und Besitzer großer Vermögen. Während die einen "schwitzen und weinen, gehen diese Herrschaften golfen und greinen". Damit es diesen Leuten noch besser gehe, forderten sie einen Abbau sozialer Sicherheiten. "Sie wollen endlich wieder heuern und feuern wie in Amerika. Und letztlich wollen sie die Löhne drücken."

    Sommer forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, die von ihm am 14. März verkündete Reformagenda 2010 zu überdenken. Er dürfe die seit 20 Jahren erfolglose Politik des Sozialabbaus nicht fortsetzen. "Wer erfolgreich modernisieren will, muss wissen, dass das nur auf Basis sozialer Gerechtigkeit geht." Kürzungen von Arbeitslosengeld und -hilfe, eine Aufweichung des Kündigungsschutzes oder die Senkung der Nettolöhne durch eine Privatisierung des Krankengeldes seien keine geeigneten Wege aus der Wirtschaftskrise.

    Der DGB-Vorsitzende unterbreitete Schröder ein Gesprächsangebot. "Natürlich sind wir bereit, mit Dir über eine sinnvolle Reformpolitik zu diskutieren", sagte Sommer. Allerdings dürfe es dabei "nicht nur um Änderungen von Details gehen".

    Sommer forderte eine Erweiterung der Agenda um eine konjunkturgerechte Reform der Finanzpolitik. Außerdem müssten die sozialen Sicherungssysteme neu finanziert werden. "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass letztendlich nur die Arbeitnehmer und die personalintensiven Betriebe das System bezahlen und der Rest sich fein raushält." Der Faktor Arbeit müsse entlastet werden - aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmer, Erwerbslosen und ihrer Familien. Die Sicherungssysteme müssten stärker über Steuern finanziert werden.

    Quelle: DGB-Presseerklärung

    aber >> Kritik an DGB-Positionen

    26 April 2003

    Forderung: Strengeres Waffenrecht

    An jenem April-Tag 2002, als in Erfurt ein frustrierter Schüler 17 Menschen und sich selbst mit einer "legalen Sportwaffe" erschoss, hatte der Bundestag zwei Stunden zuvor einer Verschärfung des Waffengesetzes zugestimmt:
    Künftig werden u.a. das "Führen" von Gas- und Schreckschusswaffen an einen "kleinen Waffenschein" gebunden und der "Umgang" mit bestimmten Arten von Stichwaffen verboten.

    Meines Erachtens ist auch diese Gesetzesnovelle unzureichend, da die Tathandlungsbeschreibungen "Führen" und "Umgang" nicht die erforderliche Präventionstiefe haben. Der Gesetzgeber hätte den "Besitz" und den Handel einschränken sollen. Warum traut sich der Gesetzgeber nicht?

    Nach Zeitungsberichten sind in Deutschland schätzungsweise 7,2 Mio. Waffen in Privathand von etwa 2,3 Mio. Bürgern. Jeder kann sich das Risikopotential vorstellen, das sich aus solcher Dimension privater Waffenvorhaltung ergibt.

    Diese Zahlen lassen erahnen, dass es beim Privatwaffengeschäft um nicht unerhebliche Wirtschaftsinteressen geht.

    Und es geht um Wählerstimmen, denn Waffenbesitzer identifizieren sich oft fast religiös über "ihre Waffe", denn "Waffen machen stark".

    Wieder einmal scheinen die Parteien mehr darauf zu schielen, dass ihnen ja auch keine "Wählergruppe wegknallt" als auf weitere Erhöhung der öffentlichen Sicherheit, die durch Herstellungs-, Import-, Handels- und Besitzrestriktionen zu erreichen gewesen wären.

    PRESSEMITTEILUNG NR. 251 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
    Datum: 25. April 2003

    Zugang zu Gas- und Schreckschusswaffen erschweren

    Zur Diskussion über das neue Waffenrecht erklärt Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin:

    Rot-Grün hat ein neues verschärftes Waffenrecht geschaffen, das seit Anfang des Monats in Kraft getreten ist.

    Die Kritik an der zu laschen Regelung für Gas- und Schreckschusswaffen im neuen Gesetz ist berechtigt. Die Registrierung beim Verkauf ist nur ein bescheidener Fortschritt gegenüber der alten Regelung. Wir hatten uns bei der Verabschiedung des Gesetzes vehement für eine weitergehende Verschärfung beim Zugang zu diesen durchaus gefährlichen Waffen eingesetzt. Die Bundesländer haben jedoch einen zu großen Verwaltungsaufwand befürchtet. Das Waffengesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig, so dass der Bund hier nicht allein agieren kann.

    Es ist wünschenswert, wenn die neuere Diskussion zu einem Umdenken bei der unionsgeführten Mehrheit im Bundesrat führen würde. Der Zugang zu diesen Waffen muss erschwert werden.


    Kurzkommentar: "Richtig"

    Wir diskutieren die "heißen Eisen" im >> Forum

    08 April 2003

    Trauer um den Journalisten Christian Liebig

    Lieber Herr Markwort,

    mit Entsetzen nahmen wir zur Kenntnis, dass nun auch Christian Liebig auf seiner gefährlichen Mission im Irak Opfer eines Krieges wurde, den wir wie so viele Kriege für vermeidbar hielten und der so unnötiges Leid über die Menschen bringt.

    Doch gerade weil Krieg selbst der Gipfel politischer Verantwortungslosigkeit ist, liegt es in höchster Verantwortung von Journalisten, darüber zu berichten und Weltöffentlichkeit herzustellen.

    Wir bitten Sie, seiner Familie und seinen Freunden auch in unserem Namen das tief empfundene Beileid auszusprechen.

    Markus S. Rabanus
    Internet-Journal
    Berlin, 8.April 2003