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16 November 2015

Zu den Anschlägen von Paris und anderswo

Jede Religion hat gute und schlechte Gebote, weil (so denke ich als Atheist) so vieles aus guten oder bösen Köpfen, mal besser, mal schlechter gelaunt, wie es die Tagespolitik der Menschen so oft im Kampf gegen den Menschen zu brauchen glaubt - und es für Politiker praktischer ist, wenn es als "Gotteswort" gilt - nicht hinterfragt werden darf.

Und weil so oft schlechte und gute Gebote im Widerspruch zueinander stehen, bleibt dem Gläubigen nichts anderes als die eigene Wahl, welche ihm wichtiger sind, wie er sie für sich interpretiert.
Die Feindseligen interessieren sich nur für die schlechten Gebote; wenn man ihnen mit den guten kommt, um ihnen ein bisschen die Feindschaft zu stutzen, dann überkommt sie das Kotzen - und dann schreien sie: "Verrat!", als würden sie nicht fortlaufend Verrat betreiben am Guten.

Nun, wir könnten den Feindseligen die Welt überlassen, wenn sie sich bloß gegenseitig erschlügen, aber das tun sie leider nicht, sondern sie führen ihre Kriege so,

a) dass sich möglichst die gesamte Menschheit in einander verfeindete Lager teilt,

b) dass dem Feind nichts heile bleibt - und weil auf Gegenseitigkeit, dann sieht es halt aus wie in Warschau; Berlin 1945 oder Damaskus 2015.

Deshalb verlaufen mir die Fronten anders, eben nicht zwischen den Feindseligen, denn die machen gemeinsame Sache, wie in der Ukraine und in Syrien zu sehen, sondern zwischen den Guten und Schlechten, wenngleich das oft schwer zu unterscheiden ist, aber es macht Sinn, wenn die Guten über alle Ansinnen der Schlechten hinweg zusammen den Schlechten die Grenzen aufzeigen.
Das wäre zugleich anderer Krieg, als er üblich ist. Kobane hätte nicht "rückerobert" werden dürfen, wie es durch Bewaffnung einer Bürgerkriegspartei vollkommen abwegig geschah, als würde mir die Polizei, die ich gegen Einbrecher rufe, mir eine Waffe zuwerfen anstatt mich zu verteidigen.

Kobane hätte eingekesselt gehört von uns Guten, weil wir uns sonst nicht von den Schlechten unterscheiden.
Wir müssen unsere Feinde nicht töten wollen, sondern zur Kapitulation Gelegenheit geben und fragen:

"Hallo @Abu-DingsdaBummms, alias Marvin aus Neukölln, was hast du in Kobane zu suchen und Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben oder gar zu ermorden?"

Und Abu-DingsdaBumms würde vielleicht sagen, dass er es aus religiösen Gründen tun müsse, weil es der rechte Weg sei, denn er durfte in die Neuköllner Disco nach drei Schlägereien nicht mehr hinein.

Also dann lesen wir ihm mal andere Suren aus dem Koran vor, die ihm offenbar zu wenig gepredigt wurden:

1.) 'Ihr sollt glauben und gute Werke tun' (25:70). Gott liebt diejenigen, die Gutes tun.' (2:195).

2.) 'Gott verbietet, was schändlich, abscheulich und gewalttätig ist.' (16.90).

3.) 'Wehrt das Böse durch das Gute ab.' (13:22).

4.) 'Richtet auf Erden kein Unheil an.' (2:60).

5.) 'Stiftet Frieden unter den Menschen.' (2:224).

6.) 'Wer vergibt, ruht sicher bei Gott.' (42:40).

7.) 'Bringt Euch nicht selbst ums Leben!' (4:29). (Verbot des Selbstmords).

8.) 'Wenn Ihr einen Menschen tötet, so ist es, als hättet Ihr die ganze Menschheit getötet' (5:32).

Tja, mein missratener Abu, dann musst du nun in ein Strafgefangenenlager; wirst fortan nur noch diese Suren zu lesen bekommen, denn offenbar bist du zu dämlich, die anderen Suren so zu verstehen, dass du nicht zum Sünder bzw. Verbrecher wirst.

29 Oktober 2015

@SigmarGabriel, don't do it !!!

"Natürlich will ich Bundeskanzler werden, wenn mich die SPD aufstellen will." - So gebrabbelt im Interview mit dem STERN.

Das wird nichts, zumindest nichts Gutes, falls du es werden solltest im koalitionären Getuschel um die Pöstchen, denn du bist zu ideenlos, zu prinzipienlos, zu selbstverknallt, wenngleich auf die ödeste Tour all solcher, die sich Glück daraus erhoffen, dass ihnen die Gier aus den maßgeschneiderten Nähten platze.
Du bist kein Dummer, aber genau deshalb kann keine Ausrede sein, dass du so oft und derart schlimm versagst,
- wenn bspw. der schwarz-rote Koalitionsvertrag hinsichtlich der Atomwaffenabzugsforderung Meilen hinter den schwarz-gelben Koalitionsvertrag zurückfiel,

- wenn dir & deinem Außenminister zum Nahostkonflikt, zur Ukraine, zu Syrien, Iran usw. außer blöden Mäßigungsforderungen rein gar nichts einfiel, was zur Mäßigung hätte beitragen können, dass sich in den Konflikten die Vetomächte ihrer Rivalitäten entweder zu enthalten oder den Vereinten Nationen zu fügen haben,

- wenn du trotz geheim-schiedsgerichtlicher Vattenfall-Klage gegen uns Steuerzahler zum Thema Freihandelsabkommen die TTIP-Kritiker lächerlich zu machen versuchtest anstatt auf Offenlegung der Vertragsentwürfe zu bestehen, wie es gestern Bundestagspräsident Norbert Lammert wenigstens, aber leider nur für die Bundestagsabgeordneten forderte, als gehe es die Vertretenen nichts an,

- wenn du zur Flüchtlingskatastrophe den Macker gegen Merkel machst und von ihrem Ärger mit Seehofer zu profitieren versuchst, anstatt mit brauchbaren Vorschlägen und auch die Fluchtursachen anzugehen, denn du weißt es doch, dass wenn wir Waffen an einander Verfeindete liefern, sie entweder sofort oder später morden werden & du weißt es doch, dass eine Weltsozialcharta dringlicher ist keinen "Freihandel", der die Stärkeren noch stärker privilegiert.

All das und noch viel mehr weißt du - und versagst. Darum ändere dich sofort oder wechsle fixer als Schröder, Fischer & Pofalla dorthin, wo es zumindest nicht mehr "Volksvertreter" heißt - ohnehin ein Mistbegriff, wenn ohne Subsidiaritätsbewusstsein, denn jeder Volksvertreter ist gleichermaßen den Menschheitsinteressen verpflichtet oder bloß nationalistischer Populist & kann mich mal.

Liebe Grüße, Markus S. Rabanus / Berlin

07 Mai 2015

Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht und Völkerrecht

Prinzipienlose Menschen tun sich leicht, in ihnen beliebigen Angelegenheiten aus dem Bauch heraus oder schönrednerischer "aus dem Herzen" zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden. Diese Prinzipienlosigkeit in wichtigsten Fragen macht uns wenig verlässlich und zum Spielball von Machtpolitikern in gemeinsamer Geschichte.

Die persönliche Haltung zum Kriegsdienstverweigerungsrecht ist eine solche Frage, der sich viele Menschen unzureichend stellen, sondern die Antwort dem Schicksal überlassen, von dem sie letztlich gewiss auch abhängig sein würde = von den Möglichkeiten, den Krieg zu überstehen, ob als Soldat oder Verweigerer, als Flüchtling oder versteckt.

Trotzdem ist diese Frage wichtig, denn die Antwort hat Kontext in unserem Denken über den Umgang mit den militärischen Konflikten dieser Welt und den Flüchtlingen, hat Kontext mit Beistandspflichten, Interventionspflichten im völkerrechtlichen Maßstab - den Zielvorstellungen einer zivilisierteren Welt mit organisatorischen Konsequenzen.

Zwar lassen sich Situationen vorstellen, in denen wünschenswert wäre, dass sich jeder zur Gewalt berufen fühlen sollte - vergleichbar der gesetzlichen Pflicht zur Hilfeleistung, aber beschauen wir uns den § 323c StGB näher, so räumt er dem Hilfspflichtigen immerhin ein, dass die Zumutbarkeit ihre Grenzen dort hat, wo die erhebliche Selbstgefährdung beginnt (oder andere Rechtsgüter konkurrieren).

Also bekennt sich unser Strafrecht dazu, dass in Friedenszeiten, in denen Anstand und Vernunft Dominanz gegenüber Gewalt und Hinterhalt haben sollen, niemand ein Helfer oder gar Held sein muss - und etwaiges Versagen auch nur moderat bestraft werden darf, "bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe".

Das ist richtig so, denn die Wertung lautet im Unterschied zum grundgesetzlichen Kriegsdienstverweigerungsrecht, dass es keine Gewissensgründe sein müssen, die ohnehin niemals erwiesen oder widerlegt werden können, sondern jegliches Motiv genügt, um sich dem Risiko zu entziehen.

Festzuhalten: "Auch Feigheit ist ein Menschenrecht", wenngleich moderat zu bestrafen, falls nonkonform zum Gemeinsinn. Solch (Zwischen-)Ergebnis deckt sich mit grundlegenderen (humanistischen) Wertungen, bspw. der Rücksichtsnahmepflicht jeglich Zivilisiertem gegenüber (etwaig) Schwachen.
Nicht dem Schwachen, nicht dem Feigen ist strengeres Recht zu machen, sondern eher den Stärkeren und Mutigeren.

Weiteres (Zwischen-)Ergebnis, denn es kommt darauf an, dass die menschenrechtlichen Wertungen auch völkerrechtliche Wertungen werden, denn wir dürfen uns nicht den Trugschluss einreden lassen, dass in den weltpolitischen Dimensionen anderes gelten dürfe als sich innergesellschaftlich bewährt hat.

Darum : "Jeder Staat soll von Fall zu Fall entscheiden dürfen, ob er Kriegsdienstverpflichtungen seitens der Vereinten Nationen folgen mag und hat allenfalls politische und wirtschaftliche Konsequenzen zu fürchten, aber das jederzeitige Recht zur nationalen Kriegsdienstverweigerung soll jedem Staat gewährt sein, wie es jedem einzelnen Menschen ebenfalls zu gewähren ist."

Aktueller Hintergrund

Handelsblatt: "Allein in Kiew entziehen sich 95 Prozent der Wehrfähigen dem Militärdienst."

http://www.handelsblatt.com/politik/international/militaerdienstverweigerer-in-der-ukraine-alles-nur-nicht-in-die-armee/11695580.html

18 Februar 2015

Ukraine-Krieg anders stoppen

Trotz "Minsk2" geht der Krieg in der Ost-Ukraine weiter. - Grund sei die unterschiedliche Interpretierbarkeit des Abkommens, aber solche Ausreden sind keine Rechtfertigungsgründe.

Zur Lesart von Verträgen: Wenn "Waffenstillstand" drüber steht und verkündet wird, dann ist alles, was zwischen den Zeilen und an Kleingedrucktem steht, entweder im Sinne des Titels auszulegen oder irrelevant.
Weichen rechtliche und politische Lesarten von solch Prinzip ab, so sind solche Lesarten unmoralisch und nicht legitim.
Verabredet war u.a. immerhin, dass es zu demokratischen Gebietsentscheidungen kommen solle. Stattdessen wird weiterhin versucht, Gebietsentscheidungen militärisch herbeizuführen. Das steht im eklatanten Widerspruch zum Abkommen.
Hinsichtlich der Schuldfrage lassen sich keine Unterschiede zwischen den Kriegsparteien erkennen - und die Beobachtungsinstanzen sind zu unvorbereitet oder gar ungeeignet in dieses Abkommen gegangen, denn nicht hinreichend neutral.
OSZE, Beobachter aus Russland und NATO-Staaten dürfen zwar "beobachten", aber sind zu sehr in diesem Streit involviert, um verlässliche Aussagen zu treffen.

Die Vetomächte des Weltsicherheitsrat wären verpflichtet gewesen - und sind es weiterhin, sich auf geeignetere Beobachtungsinstanzen zu verständigen und diese auch gegen den Willen der unmittelbaren Konfliktparteien durchzusetzen.
Überdies hätte es UN-Streitkräfte zur Überwachung des Abkommens bedurft, die militärischen Abkommensverletzern erforderlichenfalls militärisch Einhalt gebieten können.

All das ist nicht, so dass der Konflikt weiterhin der Selbstjustiz nicht annähernd verlässlicher Streitparteien belassen wurde.

"Das Wiederaufflammen des Krieges war absehbar." - Stimmt, aber das ist kein Automatismus und überhaupt kein Grund, die Konfliktparteien aus der Erwartung i.S.v. Forderung zu entlassen, den vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten.
Darum muss der Weltsicherheitsrat den Führern der Kriegsfortsetzung mit lebenslanger Haft drohen, so dass sie wissen, dass es wenigstens für sie persönlich militärisch nichts zu gewinnen gibt.

Ob Poroschenko oder Separatistenführer - allen muss verboten werden, auch nur irgendwie der weiteren Selbstjustiz das Wort zu reden, einschließlich der Floskeln "zulässiger Selbstverteidigung", denn das Recht zur Selbstverteidigung taugt nicht zur Beilegung des militärischen Konflikts.

15 Oktober 2014

Kobane "bis zum letzten Atemzug"

Nein, @Herr Salih Mu...,

solch "Bis-zum-letzten-Atemzug"-Gerede ist dummes Zeug.
- Und eine zerstörte Stadt im Ergebnis ebenfalls verantwortungslos

Und wer ein Massaker durch Flucht vermeiden kann, aber die Flucht nicht antritt, macht sich am Massaker mitschuldig, ob Sie nun von der Türkei, vom Westen enttäuscht sind oder nicht, denn das wäre ich auch, hätte ich nicht schon damit gerechnet, während Sie das im Unverstand für Politik verkannten.
Wenn schon misslungen ist, die angreifenden IS-Kämpfer vor der Stadt abzuwehren, dann wäre es jetzt richtiger, Kobani zu verlassen.
Wenn die IS-Kämpfer glauben, dort wüten zu dürfen und den Ort zerstören, dann sollte man tatsächlich mal nichts tun, denn würde IS aus der Luft oder in der Stadt bekämpft, würde Kobane ebenfalls zum Trümmerfeld.
Stattdessen käme es jetzt darauf an, Kobane einzukesseln, zu belagern und Ausbruchversuche zu verhindern.
Aber ansonsten möglichst Gewaltzurückhaltung und Warten, ob sich die IS-Kämpfer ergeben und der Frage stellen, was sie in Kobane zu suchen hatten.
Wenn uns hingegen das Leben dieser Terroristen vollends gleichgültig ist, dann bewegen wir uns moralisch auf deren Level.
Und auf höhere Moral kommt es an, @Herr Muslim, nicht bloß auf die Entschlossenheit, für Hordeninteressen - und seien sie noch so berechtigt - über Leichen zu gehen.
Ist solche Forderung "illusorisch" ??? Nein, denn
- militärisch machbar, wenn Zusammenwirken der Streitkräfte der Weltsicherheitsmächte wäre,
- politisch machbar, denn im gemeinsamen Interesse aller Weltsicherheitsratsmächte.
Wenn es nicht so gemacht wird, dann ist es Versagen der Mächte des Weltsicherheitsrates, vielleicht wegen des Ukraine-Konflikts usw.
Politische Forderungen sind nur dann "illusorisch", wenn ihre Erfüllung unmöglich wäre oder fehlschlagen würde. - Wenn die gegenseitige Bockigkeit der Weltmächte Hinderungsgrund sind, dann ist deren Kampf gegen den IS-Terror "illusorisch".

09 August 2014

Kiews seltsame Sanktion: Gas-Sperre für EU

Bei Lektüre russischer Staatsmedien braucht man nicht vom Geheimdienst zu sein, um zu erkennen, dass sich Putins Ukraine-Politik auch nicht durch die m.E. falsche EU- und NATO-Osterweiterung rechtfertigen lässt, aber die von Merkel und Gabriel unterstützte Regierung in Kiew muss ebenfalls einen an der Waffel haben, wenn sie jetzt Russland mit einem Durchleitungsstopp für russisches Erdgas nach Westeuropa droht.
Mit wem mag Kiews Regierungschef Arseni Jazenjuk das abgesprochen haben? Mit Steinmeier, um den es trotz seiner vermeintlich genialen Diplomatie etwas still geworden ist, weil sich Merkel die Sanktionspolitik offenbar zur Chefsache machte? Aber kann Merkel solchen Pipelineboykott wollen? Oder hat sich Kiew mit Obama abgestimmt? Oder ist es der Alleingang, weil unser neuer EU-"Assoziierter" übergeschnappt ist? - Danach schaut es mir am ehesten aus, denn tiefgreifendere Auswirkungen des Konflikts kann die EU und Weltwirtschaft eigentlich nicht brauchen.

16 April 2014

Ukrainekrise und Goldkurs

Eine unserer führenden Wirtschaftszeitungen beschäftigt sich mit der Frage, warum der Goldpreis trotz Ukraine-Krise bei 1.290 $ pro Feinunze stagniere. Selbstverständlich wird es netter formuliert, aber nach Ansicht der zitierten Experten kapiert das dämliche Anlegervolk mal wieder nicht den Ernst der Lage, denn Gold als Krisenwährung "schlechthin" funktioniert todsicher, wenn das Krisenmanagement unserer Politiker versagt. So offenbar das Urteil der Experten über die Politik und recht ähnlich meinen Eindrücken. 

Wenn wir jetzt unsere Jungs vom Hindukusch in die Ukraine verlegen, könnte das den Goldkurs etwas beflügeln; RedBull-Effekt.
Bevor die Jungs Weihnachten wieder nach Hause geholt werden, müsste man rechtzeitig Kasse machen; Zalando-Effekt.

Richtig? Sorry. das will ja niemand. Und darum geht es auch nicht, sondern um nüchterne Wirtschaftsanalyse und Anlageberatung. Goldjournalismus ist echt schwierig. Trotzdem würde ein bisschen Krieg dem Goldkurs nicht schaden. Es dürfte halt nur nicht ein bisschen zuviel Krieg werden, sonst geht so ein Barren am Ende für einen Sack Kartoffeln drauf.

15 April 2014

Ferndiagnose Ukraine

Ferndiagnosen sind zwar fehlerträchtig, aber Diagnosen aus dem Kugelhagel sind auch nicht immer verlässlich.
Also mein Eindruck ist, dass je länger der Westen und Moskau an der Ukraine zerren und dabei auf Extremisten setzen, desto wahrscheinlicher wird, dass die Großmächte unmittelbar in Kämpfe schlittern, denn die Extremisten "lösen" ja nichts an Problemen, sondern vergrößern sie nur.
Da allerdings auch ein Krieg zwischen NATO und Russland weder die Krim noch Kiew aufblühen lässt, müssten die Großmächte allmählich mal eher auf gemäßigtere Stellvertreter in der Ukraine setzen und den Scharfmachern die Unterstützung entziehen, ansonsten könnte es doch glatt noch zu größeren Missverständnissen führen, für die sich schlussendlich dann niemand mehr entschuldigen kann. Sowohl auf Seiten der NATO als auch Moskaus denken einige "Experten" inzwischen laut über militärische Szenarien nach, allerdings recht dusselig, weil dann die Handbremse fehlt.

Hallo Herr Lawrow, 

als prowestliche Strolche in Kiew Regierungsgebäude stürmten, waren es Ihnen keine "Demonstranten", aber nun, wenn prorussische Strolche anderswo Regierungsgebäude stürmen, sollen es "Demonstranten" sein? Wir beide würden uns schon verstehen, aber die Lügerei, mit der sich jetzt Ost und West begegnen, führt auf den Schlachthof. Lohnt sich das?

Liebesgrüße aus Pankow.
Markus S. Rabanus

12 März 2014

Was darf die Krim?

Hallo Herr Steinmeier,
Putin versündigt sich, aber auch die Stellungnahmen unserer Regierung sind völkerrechtlich dürftig und einseitig, denn wie wäre es im umgekehrten Fall, wenn sich der Maidan prorussisch positioniert, die Regierung in Kiew gestürzt und sich die immerhin Autonome Republik Krim per Unabhängigkeitserklärung in Richtung EU und NATO von der Ukraine verabschiedet hätte? Würden wir dann das "Selbstbestimmungsrecht der Krim" hochloben?

MfG Markus Rabanus

02 März 2014

Ukraine - was ich Politikern sagen würde

Lieber Herr Putin, das russische Parlament kann Ihnen zwar innenpolitisch den Rücken stärken, aber nicht völkerrechtlich über das eigene Staatsgebiet hinaus. Ein Krieg wäre also eine richtig schlimme Sünde. Keine Angst vorm lieben Gott? Ich auch nicht, aber deshalb muss man ja keinen Mist bauen.

Und so dumm, einen Konflikt militärisch lösen zu wollen, der wirtschaftlich humaner und preisgünstiger zu lösen wäre, weil die EU gar nicht die Mittel hat, den 45 Mio. Ukrainern all das zu geben, was allein schon für die 11 Mio. Griechen fehlt.

"Schutz der russischen Bevölkerung"? Mit ähnlichen Sprüchen zog Hitler los und zuweilen andere Schurken, aber wäre es humanitäre Sorge, dann erleichtern Sie solchen "Russen" die Einwanderung anstatt zu versuchen, eine Volksgruppe den anderen Volksgruppen überzuhelfen, denn wenn Kiew wie Grosny ausschaut, ist Ihr Spielplatz zwar groß, aber Ruine.

Lieber Herr Janukowitsch, dass Sie flüchteten und Asyl erhielten, finde ich gut, denn es ist oft besser für alle, wenn Strolche fortlaufen und nicht in die Ecke getrieben bis zur letzten Patrone die eigene Haut über die Zeit zu retten versuchen.

Lieber Herr Steinmeier, Sie sahen die "Lunte brennen", aber mochten nicht auf mich hören, als ich Sie bat, für die Ukraine eine NATO-Osterweiterung auszuschließen und dem Maidan keine albernen Versprechen zu machen, die wir nicht finanzieren können oder vielleicht auch gar nicht möchten, denn der Rechtsextremismus und Oligarchismus dort ist unübersehbar.

Lieber Herr Obama, Sie wissen um die Dummheit und den Hass im eigenen Land. Wie können Sie dann glauben, dass die Russen schlauer oder besser würden, indem man ihre Sorgen und Interessen nicht ernst nimmt, ob berechtigte oder nicht, denn darüber seriös zu verhandeln, wäre so erforderlich wie über die US-Politik bzw. die offenen und verdeckten Kriege sowie Korrumpierung von Regierungen anderer Staaten gegen deren Völker. Neunzig Minuten haben Sie mit Putin telefoniert. Glauben Sie bitte niemals, dass Sie oder Putin auch nur irgendetwas dürfen, ohne dazu wenigstens das Votum aller eingeholt zu haben, die solch Plausch angehen würde.

22 Februar 2014

Ukraine im Umbruch - und wie weiter?

Präsident Janukowitsch wurde vom Parlament mit vielen Stimmen auch seiner Partei für abgesetzt erklärt und die sofortige Freilassung der frühere Präsidentin Julia Timoschenko beschlossen und vollzogen. Janukowitsch sei in den östlichen Landesteil geflüchtet und wies per TV-Ansprache seine Absetzung zurück. Polizei und Armee scheinen ihm die Gefolgschaft aufgekündigt zu haben. Führende Beamte seien nach Russland geflohen. Timoschenko hielt auf dem Maidan eine Ansprache und scheint die Regierungsübernahme zu beanspruchen.

Putin wird keinen Schatten auf die Olympischen Winterspiele fallen lassen wollen, aber vermutlich anschließend zu hindern versuchen, dass mit der Ukraine ein weiteres Interessengebiet Russlands an die EU und "NATO-Osterweiterung" verloren geht, zumal es keine gegenteiligen Zusicherungen aus Berlin oder Washington gibt, sondern ziemlich unverblümt für die Abkehr der Ukraine von Russland plädiert.
Mit oder ohne weitere, äußere Einmischung ist nicht mehr auszuschließen, dass die Ukraine in Teilstaaten zerfällt. Es gibt zwar Gründe zur Hoffnung, dass sich die Entwicklung vom Zerfall Jugoslawiens unterscheidet, aber da im Zwist zwischen Moskau und NATO noch immer militärische Phantasien und imperiale Interessen im Spiel sind, können sich aus geografischen Lage der Ukraine ganz anders dimensionierte Risiken ergeben.
Wie wäre dem zu begegnen? Meines Erachtens vor allem durch die völkerrechtlich verbindliche Zusicherung an Moskau, die Ukraine auch künftig weder in irgendwelche NATO-Strukturen noch in Waffenlieferungen einzubeziehen.
Da auch solche Zusicherung Moskau nicht kompensieren kann, was mit der Ukraine verloren geht, müsste zusätzlich geprüft werden, ob nicht auch für die vorherige "NATO-Osterweiterung" der Rückwärtsgang eingelegt gehört und militärische Neutralität der betreffenden Staaten die bessere Sicherheitspolitik wäre anstatt bündnismäßig Russland auf den Pelz zu rücken.
Es soll mit solchen Forderungen nicht darum gehen, dem russischen Imperialismus einen Gefallen zu tun, aber auch westliche Begierden militärischer oder wirtschaftlicher Art gehören in die Schranken gewiesen, wenn sich die Verhältnisse entspannen sollen.

08 Februar 2014

Kommentar zu den Olympischen Winterspielen von Sotschi

"Zu Gast bei Freunden" - so lautete das Motto der deutschen Sportveranstalter.
"Als Feinde nach Sotschi" - so wirkt auf mich der letzte ARD-"Deutschlandtrend".

Da empören sich Kommentatoren über die Kostenexplosion von Sotschi, als hänge uns Griechenland nicht am Tropf oder als sei Berlins neuer Flughafen bezahlt.
Da ist die doppelmoralische Kritik an Putins Homophobie, als stünde nicht die russisch-orthodoxe Kirche dahinter, wie auch die katholischen Oberhäupter in unserem eigenen Land.
Da wird Russlands Einmischung in der Ukraine beklagt, als sei von unserer Seite keine oder zum Wohle von Menschen und nicht zur NATO-Osterweiterung mit all dem Waffengeschäft.

In Russland werden Menschenrechte verletzt, wie auch ich in vielen Artikeln beklage, aber ich wäre erneut für Atlanta trotz Todesstrafe und Irakkrieg, es sei denn, dass wir die nächsten Olympischen Spiele auf eine Zeit verschieben möchten, die allen gefällt. Und ohne Atomwaffen gegeneinander zu richten. Für solch Moratorium spricht tatsächlich vieles, aber der Weltfrieden ist nicht durch andauernde Anfeindung zu erlangen.

Olympische Spiele ohne Russen, Chinesen, Iraner, Amerikaner wären keine Olympischen Spiele, wären kein Sport - so jedenfalls aus Sicht der Sportler. Aber wer Teilnehmer sein darf, soll auch Gastgeber sein dürfen. Das ist die Goldene Regel. Und viele Kommentatoren haben sich olympisch disqualifiziert.

Nein, ich würde mich als Sportler dafür schämen, in Sotschi ein Deutschland zu vertreten, das wieder so antirussisch ist.

Ich wünsche den Olympischen Winterspielen von Sotschi einen sportlich-friedlichen Verlauf.

Die Eröffnungsfeier war ein imposanter Auftakt.

Markus S. Rabanus

zur offiziellen Webseite: http://www.sochi2014.com/en

07 Februar 2014

Deutsch-Amerikanische Freundschaft

US-Diplomatin: "Weißt du, fuck die EU."

Liebe Frau Merkel,

ich akzeptiere Nulands Äußerung, denn Interessenwidersprüche gehören auf den Tisch, um sie verhandeln zu können.
Allenfalls hätte sie es ein bisserl netter formulieren sollen, denn "Ficken" dürfte auch nach US-Recht irgendwie beiderseitiger Wunsch voraussetzen oder hätte zu unterbleiben, aber Nuland hat es sicherlich "anders gemeint".
Wichtig ist mir im Moment nur, dass Russland, USA und EU die innenpolitisch zerstrittene Ukraine nicht zusätzlich der internationalen Zerreißprobe aussetzen, denn unter Trümmern lebt es sich mitunter schlechter als unter missliebiger Herrschaft.

MfG Markus Rabanus

11 Dezember 2013

ZDF-Reportage zur US-Industriespionage

Das ZDF berichtete gestern in der Sendereihe "Frontal21" über konkrete Fälle von Industriespionage, die seitens der US-Botschaften, US-Regierung und US-Geheimdienste gegen deutsche Unternehmen zu Wettbewerbsverzerrungen geführt haben. Zudem ergab eine ZDF-Umfrage, dass sich jedes dritte Unternehmen allein innerhalb der letzten 12 Monate Angriffen auf die technische Kommunikationsstruktur ausgesetzt sah, wovon nur wenige angezeigt wurden, weil es an Vertrauen in die staatliche Spionageabwehrfähigkeiten fehle und weitere Nachteile gefürchtet würden. Folglich würden die Unternehmen ihre eigenen Schutzvorkehrungen verstärken, die innerbetriebliche Kommunikation straffen usw.
In der Reportage kamen einige Mitarbeiter von Landesämtern für Verfassungsschutz zu Wort, die im Grunde genommen nur ihre Unwissenheit und Ohnmacht ausplauderten, von all diesen Spionagevorgängen erst durch die Snowden-Veröffentlichungen erfahren zu haben. Als technisches Beispiel wurde ausgerechnet ein simpler Stecker gezeigt, der zwischen PC und Datenkabel den Datenverkehr abgriff, als seien solche plumpen Methoden unser Problem und nicht der Datenabgriff ganz anderer Dimension, a) an den Knotenpunkten der internationalen Datennetze und b) durch Regierungen verbündeter Staaten betrieben.
Jetzt werde das Personal aufgestockt, ... beim "Verfassungsschutz"? Ich hätte die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes oder des Bundesnachrichtendienstes vermutet, aber einmal spielt uns die Klein-Klein-Politik unter dem Vorwand des Föderalismus einen Effizienzstreich und der Ausspähung durch Drittstaaten in die Hände.
Die Dimension der US-Spionage ist derart groß, dass es hier/mir müßig wurde, sie auch nur annähernd zu protokollieren oder gar zu kommentieren. Demgegenüber befindet sich unsere Politik im Dauerstillstand bzw. mit sich selbst beschäftigt, mit Wahlkampf und jetzt der monatelangen Pöstchenverteilung. Der deshalb noch amtsführende Außenminister treibt sich in der Ukraine herum und schürt die dortigen Widersprüche, der Bundespräsident verteidigt derweil die Menschenrechte durch Brüskierung Putins, indem er seine Olympia-Teilnahme absagte, wobei es allerdings nur um den Tribünenplatz ging. - Mit solch Politikstillstand ist den Problemen nicht beizukommen.

http://frontal21.zdf.de/

03 Dezember 2013

Ukraine vor Zerreißprobe bewahren

Allein in Anbetracht der Probleme, vor denen sich die EU mit den älteren Mitgliedsstaaten sieht, erscheint äußerst fraglich, ob die EU-Lockvögel Richtung Ukraine sinnvoll sind, die das Land im hegemonialen Wettstreit zwischen EU und Russland zu zerreißen bzw. in einen Bürgerkrieg zu treiben drohen. Die EU verspricht Wirtschaftshilfen für den Fall, dass die Ukraine ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet, während Russland seinen westlichen Nachbarn mit Erdgas-Rechnungen zu binden versucht. - Für die Ukraine dürfte es besser sein, wenn sich EU, NATO und Russland an einen Tisch setzen und überlegen würden, auf welche Weise der Ukraine tatsächlich zu helfen wäre, denn dazu braucht es sicherlich Hilfe aus beiden Himmelsrichtungen, die im Moment nur versuchen, aus der Not dieses Landes politisches Kapital gegeneinander zu schlagen. Kommt es zum Bürgerkrieg, drohen auch die internationalen Spannungen zu eskalieren. Ohne Diplomatie mit Putin ist das ein unverantwortbares Spiel mit dem Feuer, denn weder Putin noch EU taugen dann als Feuerwehr, sondern müssten jetzt vorbeugen und mäßigend auf die Konfliktparteien in Kiew einwirken.

13 April 2011

Weltgesundheitsversammlung soll IAEO-Abkommen aufkündigen

Die Ärzteorganisation IPPNW fordert die deutsche Bundesregierung auf, bei der Weltgesundheitsversammlung im Mai in Genf einen Antrag einzubringen mit dem Ziel, das über 50 Jahre alte Abkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) bezüglich der Folgen von radioaktiver Strahlung aufzukündigen. „Die WHO muss in ihrer Arbeit hinsichtlich der Gefahren von Radioaktivität unabhängig arbeiten und agieren können. ...

Das tut sie bisher nicht. Die Gesundheit der Menschen sollte wieder zum Primat der WHO werden“, erklärte die langjährige IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen heute vor den Mitgliedern des Umweltausschusses bei einer öffentlichen Sitzung zum 25. Tschernobyl-Jahrestag.

In dem Abkommen mit der IAEO vom Mai 1959 verpflichtete sich die WHO dazu, „bevor sie ein Forschungsprogramm oder eine Maßnahme“ zu Folgen radioaktiver Strahlung einleitet, „die IAEO zu konsultieren, um die betreffende Frage einvernehmlich zu regeln“. Doch der Hauptzweck der IAEO besteht laut Satzung darin, die Nutzung der Atomenergie zu fördern. Ein Widerspruch, der nicht aufzulösen ist.

So führt das Abkommen unter anderem dazu, dass die WHO die gesundheitlichen Folgen der Tschernobylkatastrophe bis heute herunterspielt und Dokumente zu den Risiken der Atomtechnologie nicht veröffentlicht. In ihren offiziellen Verlautbarungen manipulieren IAEO und WHO sogar die eigenen Daten. Bei den im September 2005 vom „Tschernobylforum der Vereinten Nationen“ unter Federführung der IAEO und der WHO vorgelegten Arbeitsergebnissen zu den Folgen von Tschernobyl gab es gravierende Unstimmigkeiten zwischen Presseerklärung, WHO-Bericht und den zugrunde liegenden Quellen.

Die neueste Publikation des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR) von Ende Februar lässt die zahlreichen Ergebnisse der Tschernobylfolgen aus den betroffenen drei Ländern nicht gelten. Lediglich eine Zahl von 6.000 Fällen von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen sowie Leukämien und Linsentrübungen bei Liquidatoren werden berücksichtigt. UNSCEAR kommt sogar zu dem Schluss, „dass es für die große Mehrheit der Bevölkerung keinen Anlass gibt, ernsthafte Gesundheitsfolgen zu befürchten, die von dem Tschernobylunfall herrühren“.

Dieses makabere Herunterspielen der Zahlen verhöhnt die Opfer der strahlenbelasteten Zonen in Russland, Weißrussland und der Ukraine, aber auch in ganz Europa, wo 53 % des radioaktiven Fallouts von Tschernobyl niedergingen. Laut einer aktuellen Studie der IPPNW und der Gesellschaft für Strahlenschutz sind bereits jetzt mehr als 100.000 Menschen an den Tschernobylfolgen verstorben.

Die Studie zu den gesundheitlichen Folgen von Tschernobyl finden Sie unter http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Tschernobyl_Studie_2011_web.pdf

31 Dezember 2009

Buchbesprechung: Jonathan Littell - Die Wohlgesinnten

„Die Wohlgesinnten“ vom französisch-amerikanischen Schriftsteller Jonathan Littell breitet auf 1400 Seiten ein infernalisches Panorama des nationalsozialistischen Völkermordes aus. Bisher hat es kein Buch gegeben, das einen Täter zum Protagonisten und perspektivischen Mittelpunkt eines Textes über den Holocaust gemacht hat. So war es jedenfalls beim Erscheinen des Buches 2006 (deutsch 2008) in den Ankündigungen zu lesen. Ob das stimmt oder nicht: Der mit dem Prix Goncourt geehrte Autor hat mit den „Wohlgesinnten“ ein literarisches Werk über den Holocaust geschaffen, das seinesgleichen sucht.

Geschildert wird die Karriere des fiktiven Protagonisten Dr. jur. Maximilian Aue – Jurist, Homosexueller, Mitglied des SD der SS, zuletzt im Rang eines Obersturmbannführers – aus dessen eigener Perspektive, in Form einer Art autobiographischer Erzählung, die in großen Textblöcken im historischen Geschehen aufgeht, aber immer wieder durch direkte Ansprache des Lesers an die Erzählgegenwart zurückgebunden wird. Littell schickt seinen Erzähler mitten hinein in die Schauplätze von Krieg und Völkermord. Als Mitglied der Einsatzgruppe C der Sicherheitspolizei und des SD unter Otto Rasch ist er Teil der Tötungsmaschinerie, der in der Ukraine 1941/42 Zehntausende zum Opfer fielen. Strafversetzt in den Kessel von Stalingrad wohnt Aue dem Untergang der 6. Armee bei. Die nüchternen Schilderungen der Bedingungen von Stalingrad, wo eine zerlumpte und verhungerte Armee größtenteils erfroren und von Ungeziefer aufgefressen worden ist, gehört zu den stärksten Passagen des Buches. Aue entkommt schwer verwundet dem Kessel und bewegt sich nach längerer Rekonvaleszenz auf den Höhepunkt seiner NS-Karriere zu. Im Dienste des „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler inspiziert und analysiert er die Welt der Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager und operiert dabei im Spannungsfeld der komplizierten Interessenkämpfe zwischen den Verfechtern der schnellen physischen Vernichtung und denjenigen, die im Angesicht der drohenden militärischen Niederlage die Arbeitskraft der Deportierten auszubeuten gedachten.

Recherchiert man bei perlentaucher.de eine Gesamtschau der Rezensionen, die Anfang 2008 in den überregionalen Blättern erschienen sind, so fällt der weitgehend negative Tenor dieser Besprechungen sofort ins Auge. Kritisiert wurde dabei vor allem der realistische Stil mit seiner Neigung zur pornografischen Schilderung von Gewaltexzessen und fäkalen Körperfunktionen, der Mangel an einer spezifisch literarischen Aufarbeitung sowie die mangelnde Plausibilität des Charakters des Protagonisten Max Aue. Dessen Handlungsmotive und Antriebsmomente blieben trotz der ausufernden Breite des Textes im Grunde im Dunkeln.

Das sind gewichtige Einwände gegen die Qualität des Buches, die ich größtenteils für einschlägig halte. Was nervt sind weniger die sexuellen Obsessionen des Protagonisten selbst – seien sie nun hetero-, homosexuell oder inzestuös – als vielmehr die permanente Suggestion, dass diese Dinge mit der Täterschaft Aues zu tun haben könnten. Komplizierter verhält es sich mit der Plausibilität der Charakterzeichnung. Sicherlich wird enttäuscht, wer darauf hofft, dass hier ein Tätercharakter ausgeleuchtet und in seinem Funktionieren begreifbar gemacht wird. Wo die Motivation nicht reiner Karrierismus ist, bleibt sie widersprüchlich. Aue – selbst ein Intellektueller mit sensibler musisch-literarischer Erziehung – bezweifelt die völkische Rassentheorie und belächelt die fanatischen Antisemiten mit ihren wahnhaften und kruden bakteriologischen Metaphern. Dennoch besetzt Aue seine Funktionsstellen im Vernichtungsapparat nicht nur mit willenlosem Gehorsam, sondern auch mit dem Ehrgeiz, die ihm übertragenen Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Man mag das bezogen auf den Einzelcharakter trivial finden. Im größeren Kontext fügen sich die Widersprüche allerdings in ein Bild, das den Holocaust nicht mehr als monolithischen Komplex auffasst, sondern als selbst extrem widersprüchliches Ineinander der Instanzen, Kompetenzen und Interessen mit – allerdings stets – mörderischen Konsequenzen.

Nun ist die geschichtswissenschaftliche NS-Forschung seit Jahren mit nichts anderem beschäftigt, als eben jenes 12-jährige Gesamtgeschehen in seinen Verästelungen und Zerfaltungen transparenter zu machen. Und „Die Wohlgesinnten“ ist bis zum Rand gesättigt mit diesem historischen Wissen und diesen historiographischen Diskursen. Es dürfte kaum Veröffentlichungen der NS-Forschung geben, die Littell nicht bekannt sind. Der präzise recherchierte Detailreichtum des Buches ist erschlagend. Das bezieht sich nicht nur auf das äußere Geschehen, sondern auch explizit auf Forschungsansätze, Erklärungsmodelle und biographische Skizzen. Größerer Raum wird beispielsweise Otto Ohlendorf, SS-Gruppenführer und Befehlshaber der Einsatzgruppe D, oder auch Adolf Eichmann gewidmet. Überaus präsent ist beispielsweise die Täter-Mentalitätsforschung in der Spur von Christopher Browning: Das Selbstmitleid derjenigen, die tagtäglich Massenerschießungen vornehmen und über Leichenberge gehen. Wie überaus schwer ist doch die Aufgabe, die wir zu erfüllen haben. Präsent ist auch diese von Michael Wildt beschriebene, aufstrebende, karrierebewusste, Sachlichkeit mit Ideologie verbindende, extrem junge Generation, aus der das Reichssicherheitshauptamt sein Führungscorps rekrutiert hat. Die Liste ließe sich endlos weiter fortsetzen, vom Wirken der Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF), über das beinahe undurchdringliche organisatorische Gestrüpp des NS-Staates bis hin zu den ökonomischen Verwertungsinteressen des SS-Wirtschaftsimperiums der späteren Kriegsjahre. Littell bietet mit den „Wohlgesinnten“ eine Art ausladende und penibel ausgearbeitete Geschichtsforschungs-Prosa.

Diese literarische Verwertung funktioniert als Text und ist interessant. Das Problem dabei ist nur, dass „Die Wohlgesinnten“ kaum über das hinausreicht, was die Wissenschaft bereits als Status Quo des Wissens angehäuft hat. Um ein Eigenrecht als Literatur zu behaupten, müsste der Text einen Mehrwert produzieren, wo er lediglich wissenschaftliche Diskurse, Modelle und Perspektiven sowie bekannte Rollenprosa erzählerisch anordnet und gruppiert – so könnte man mit Fug und Recht fordern. Und dennoch führt der Text den irrsinnig-monströsen Plan des Nationalsozialismus, alle Juden im deutschen Zugriffsgebiet zu töten, auf eine Weise vor Augen, die zumindest in herausragenden Passagen in ihrer Suggestivkraft über das Beschreibungsarsenal wissenschaftlicher Texte hinausreicht. Ein Beispiel dafür sind die Posener Reden von Heinrich Himmler, jene berühmt-berüchtigten Vorträge, in denen er die Ermordung der Juden in ungewöhnlicher Offenheit und Direktheit ausspricht und über die Verbrechen als historische Notwendigkeit räsonniert. Hier gelingt es Littell durchaus, die nervöse Atmosphäre zu verdichten, in der im Oktober 1943 diese Reden gehalten worden sind: Die bewusste Herstellung von Komplizen- und Mitwisserschaft sollte den anwesenden Gauleitern und SS-Führern zu verstehen geben, dass alle Brücken zurück abgerissen sind und dass eine Niederlage gleichbedeutend sein musste mit dem Ende jedes Einzelnen der Anwesenden, deren Signatur fortan unter dem Völkermordverbrechen zu finden sein würde.

martin >> Debatte

13 Januar 2009

"Alle Jahre wieder ..." - Gasstreit?

Ukraine blockiert Pipeline noch immer

Wer hatte sich da nicht alles gerühmt, für den Durchbruch bei den zwischen Russland und Ukraine strittigen Gasfragen gesorgt zu haben - und nun blockiert die Ukraine die Pipelines doch noch: "Wegen unzumutbarer Transitbedingungen"

Eigentlich sind die Informationen zu dünn, zu unzuverlässig, um den Gasstreit zu thematisieren: Es sei Gas gestohlen worden, das Gas sei gar nicht geliefert worden, es sei bezahlt worden, das Geld sei nicht angekommen usw.

Und auch wieder so ein unsäglich bekloppter Auftritt von Putin im russischen TV: Gazprom-Chef nimmt vor Putin Platz, Putin fragt, was gewünscht werde, Gazprom-Chef wünscht, der Ukraine den Gashahn abzudrehen, Putin sagt: "Tun Sie das" - und Ende des Video-Clips. Ich bin zutiefst beeindruckt:-)
Aber immerhin frieren irgendwo in Osteuropa Wohnhäuser ein; und hierzulande gehen Debatten los, wie sicher die Versorgung durch Russland sei, obwohl Putin ohne den Kunden Europa ebenfalls kalte Füße bekommen würde. Darum baut Gazprom die Ostseepipeline und bietet "großzügig" an, in Deutschland den größten Gas-Speicher zu bauen. Aber Gazprom ist längst mächtig genug, soll das, was es hat, ordentlich machen, während die Gasspeicher vielleicht eher eine Sache des Bundes wären, Teil des "Konjunkturpakets" und um Abhängigkeiten zu "mildern", denn "mindern" kann nur, wer entschiedener sparen würde, z.B. "Klimaanlagen" nur noch für Notfälle gestattet, energetische Alternativen entwickelt, z.B. die Geothermie. -msr- >> Diskussion

16 Oktober 2008

Finanzkrise beeinträchtigt Wirtschaftswachstum

16.10.2008 – In mehreren Ländern wird aufgrund des mit viel Mühe gerade noch abgewendeten Zusammenbruchs der internationalen Finanzmärkte mit einer deutlichen Abschwächung des Wirtschaftswachstums gerechnet. Als Folge der globalen Krise der Finanzwirtschaft mehren sich in einigen großen nationalen Volkswirtschaften die Anzeichen für einen bevorstehenden Konjunktureinbruch. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erwartet für das kommende Jahr nur ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. In ihrem Herbstgutachten hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute davon gesprochen, dass Deutschland „kurz vor einer Rezession“ stehe. Auch für Österreich wird nur noch mit einem realen Wachstum von 0,9 Prozent für 2009 gerechnet.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet für die führenden westlichen Industrieländer insgesamt eine spürbare Abschwächung der Wirtschaftsentwicklung. Besonders stark wird der Abschwung nach Ansicht der OECD Deutschland treffen. Entsprechende Indikatoren, die die OECD bei ihren Prognosen zugrunde legt, weisen für Deutschland deutlich nach unten. Gegenüber dem Vorjahr brach der monatliche Konjunkturindex (CLI) für den Bereich Deutschlands um 7,6 Punkte ein. Zum Vergleich: für die USA sank der entsprechende Wert um 5,3 Punkte, für den Euro-Raum um 6,4 Punkte, in Indien gab der Index um 7,1 Punkte nach. Einen positiven Trend bei der Wirtschaftsentwicklung der OECD-Mitgliedsländer wurde für Brasilien registriert. Der CLI-Index stieg um 3,4 Punkte im Vergleich zum Vorjahr. Die Prognosen der OECD wurden bereits Anfang des Monats veröffentlicht.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) teilt die pessimistischen Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland jedoch nicht. Der DIHK erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum zwischen 0,5 und 1,9 Prozent. Die Erwartungen der deutschen Unternehmen, so DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben, seien „weit davon entfernt, Anlass zur Panik zu bieten“.

Auch einige andere Länder (außerhalb des OECD-Raums) erwarten trotz internationaler Finanzkrise ein weiteres Wirtschaftswachstum. Die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko sagte heute: „Trotz der globalen Finanzkrise zeigt die Ukraine ein festes BIP-Wachstum. In den ersten neun Monaten dieses Jahres betrug das BIP-Wachstum 6,9 Prozent, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 5,5 Prozent.“ Allerdings ist die Situation in der Ukraine ebenfalls durch sinkende Aktienkurse und starke Schwankungen der Wechselkurse gekennzeichnet. Auch Südafrika erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,0 Prozent. +wikinews+

16 September 2008

Karsten D. Voigt zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen

„Amerika vor der Wahl – Obama oder McCain – Was wird sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen ändern?“ Vortrag vor Amerika Gesellschaft und Harvard Club
Hamburg am 16. September 2008 Presseerklärung

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.
[size=16]„Amerika vor der Wahl – Obama oder McCain – Was wird sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen ändern?“ Vortrag vor Amerika Gesellschaft und Harvard Club Hamburg am 16. September 2008[/size]

16.09.2008 Presseerklärung
Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.[size=16]„Amerika vor der Wahl – Obama oder McCain – Was wird sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen ändern?“ Vortrag vor Amerika Gesellschaft und Harvard Club Hamburg am 16. September 2008[/size]

16.09.2008 Presseerklärung
[b]Karsten D. Voigt[/b] ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.