11 März 2005

Bundestag segnet Verschärfung des Versammlungsrechtes ab

Berlin (Deutschland), 11.03.2005 – Am heutigen Freitag hat der deutsche Bundestag mit den Stimmen von Rot-Grün und der Union die Verschärfung des Versammlungsrechts abgesegnet. Nur die FDP stimmte dagegen und begründete dies mit verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch die beiden PDS-Abgeordneten haben gegen das Gesetz gestimmt.

In den Gesetzestext wurde folgender Passus aufgenommen: „Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn 1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und 2. nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. (...)“ Der Volksverhetzungsparagraph 130 des Strafgesetzbuches wird mit einem Absatz 4 ergänzt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“

Demnach ist es den Behörden künftig möglich, Aufmärsche von Neonazis im Vorfeld zu verbieten. Wer gegen dieses Gesetz verstößt, wer die Nazi-Diktatur öffentlich verherrlicht oder rechtfertigt, muss künftig mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen.

Dass das Gesetzt recht zügig vor den Bundestag zur Abstimmung kam, liegt daran, dass Bund und Länder vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai Umzüge von Rechtsextremisten an „historisch sensiblen“ Orten verhindern möchten. Insbesondere ist davon das Holocaust-Mahnmal in Berlin betroffen.

Nun fehlt nur noch die Zustimmung des Bundesrates, dessen Mehrheit der Union angehört. Diese Zustimmung gilt jedoch ebenfalls als sicher, da auch die Opposition hinter diesem Gesetzt steht. +wikinews+

Wirtschaftsinstitute für Erhöhung der Mehrwertsteuer

Berlin (Deutschland), 11.03.2005 – Drei Wirtschaftsinstitute haben einen „Drei-Punkte-Plan vorgestellt“, mit dem ihrer Ansicht nach die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft schnell und nachhaltig verbessert werden könnten.

Der Plan der Professoren Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Thomas Straubhaar vom HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg (HWWA) und Klaus F. Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) und dem Institut zur Zukunft der Arbeit Bonn) (IZA) sieht vor, die Abgaben zur Arbeitslosenversicherung um einen Prozentpunkt zu senken sowie den Solidaritätszuschlag vollkommen zu streichen. Dies würde die Einkommen merklich entlasten. Die dadurch fehlenden Einnahmen von 18 Milliarden Euro im Bundeshaushalt sollten durch ein Anheben des Normalsatzes der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte von derzeit 16 Prozent auf 18 Prozent gegenfinanziert werden. Gegenfinanzierungen durch weitere Einsparungen seien unrealistisch, so die Analyse der Wirtschaftsinstitute. Die Absenkung der Arbeitslosenversicherungsabgabe, die anteilig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer entrichtet wird, soll Anreize für neue Arbeitsplätze und mehr beschäftigungsintensive Investitionen schaffen.

Nach dem vorliegenden Programm müsse der Kündigungsschutz weiter gelockert werden. So empfehlen die Institute in ihrem Papier, die Befristung vor Arbeitsverträgen ohne Angabe sachlicher Gründe auf alle Arbeitsverhältnisse auszuweiten. Bisher seien nur Arbeitsverträge bei Arbeitnehmern über 52 Jahren befristbar. Es sei ferner zu prüfen, ob der Kündigungsschutz nicht mittelfristig durch eine Abfindungsregelung zu ersetzen sei.

Die Bundesregierung sei in Zukunft angewiesen, die Entbürokratisierung gerade in den Wachstumsbranchen voranzutreiben und nicht durch neuerliche Programme, wie dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz, zu blockieren, so die Empfehlung des Programmes.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, wollen kommenden Donnerstag über die Möglichkeiten für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Massenarbeitslosigkeit zusammenkommen. Den Zehn-Punkte-Plan der CDU/CSU hatte der Kanzler bereits im Vorfeld der Verhandlungen abgelehnt.

In einem Interview nach dem Spitzengespräch mit der deutschen Wirtschaft in München hat Bundeskanzler Schröder heute eine Anhebung der Mehrwertsteuer ausgeschlossen. Als Begründung gab er an, dies wäre in der gegenwärtigen Situation nicht hilfreich. +wikinews+

10 März 2005

Landser laut BGH eine kriminelle Vereinigung

Karlsruhe (Deutschland), 10.03.2005 – Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die rechtsradikale Berliner Musikband Landser als kriminelle Vereinigung eingestuft und gleichzeitig eine mehrjährige Haftstrafe für den Bandleader bestätigt. Der BGH begründete dies damit, dass sich mehrere Bandmitglieder zusammengetan hätten, um rechtsextremistisches Liedgut zu produzieren und vertreiben. Damit wurde ein Urteil des Berliner Kammergerichtes größtenteils bestätigt. Der BGH widersprach allerdings der Ansicht, dass ein bestimmtes Lied als Aufforderung zu Straftaten anzusehen ist. „Hier werden zwar Vietnamesen auf unflätigste Weise angegriffen“, allerdings sei allgemeine Hetze nicht mit der Aufforderung zu Straftaten zu verwechseln.

Trotzdem muss der Bandleader seine Haftstrafe nun antreten, da sie bestätigt wurde. Das Kammergericht hatte ihn im Dezember 2003 als Rädelsführer eingestuft. Er wurde wegen Gründung und Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung und Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verurteilt. „Landser“ habe in seinen Liedern Ausländer, Juden und Andersdenkende verunglimpft. Die beiden anderen Bandmitglieder haben Bewährungsstrafen anerkannt.

Der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf sagte: „Ohne feste Struktur und gemeinsame Ziele seiner Gruppenmitglieder sei die Band gar nicht erst in der Lage gewesen, bestehende braune Netzwerke zu nutzen.“ Die zwischen 1997 und 2001 entstandenen CDs wurden im Ausland gepresst und konspirativ vertrieben. Die Einstufung einer Band als kriminelle Vereinigung setzt keinen hohen Bekanntheitsgrad in der Szene oder gesellschaftsgefährdende Ziele voraus. Eine gewisse Struktur zur gemeinsamen Verbreitung strafbaren Liedgutes reiche aus. +wikinews+

Liberale gegen Verschärfung des Versammlungsrechts

Berlin (Deutschland), 10.03.2005 – Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle hat in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“ die Ablehnung der Liberalen zu der Verschärfung des Versammlungsrechts im Zusammenhang mit der geplanten NPD-Demonstration am 8. Mai 2005 durch das Brandenburger Tor bekräftigt.

Die Länder könnten bereits das bestehende Recht für Versammlungsverbote nutzen, so Westerwelle. Das würde allerdings den Mut der beteiligten Behörden und Regierungen voraussetzen. Westerwelle weiter: „Die andere Gefahr ist, dass eine Veränderung des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes beschlossen wird, die ebenso wenig vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben könnte wie zuvor das NPD-Verbotsverfahren.“ Es dürfe nicht vergessen werden, dass das gescheiterte Verbotsfahren der NPD mehr Zulauf gebracht habe, als alle Kundgebungen in den letzten Jahren. Eine erfolgreiche Klage der NPD gegen eine Verschärfung des Versammlungsrechts vor dem Bundesverfassungsgericht sähe Westerwelle als „Persilschein“ für den Rechtsextremismus.

Ferner empfiehlt der Bundesvorsitzende der FDP den Demokraten mehr selbstbewusstes Handeln und Denken. Zwar seien Demonstrationen von Rechtsextremisten schreckliche Bilder, jedoch sehe er in der Verschärfung des Versammlungsrechts die Beschneidung von fundamentalen Bürgerrechten. Man könne nicht einzelne Demonstrationen verbieten, ohne nicht die gesamte Demonstrationsfreiheit aller Bürger einzuschränken. +wikinews+

09 März 2005

Paul Spiegel begrüßt Einschränkung der Versammlungsfreiheit

Berlin (Deutschland), 09.03.2005 – Der gestern von Regierungskoalition und Union getroffene Kompromiss zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit, um Aufmärsche neofaschistischer Gruppen an „historisch sensiblen Orten“ zu verhindern, wird vom Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, begrüßt. Er sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, es sei nun garantiert, „dass der braune Mob sich nicht ausgerechnet an den Orten austoben kann, die dem unsäglichen Grauen der Nazizeit gewidmet sind. “ Er geht davon aus, dass das Andenken der Opfer des Nationalsozialismus nun gewahrt sei. Der gefundene Kompromiss bestärkt sein Vertrauen in die demokratischen Parteien Deutschlands sowie in Regierung und Opposition. Seines Erachtens gehe es nicht primär um den Schutz von Minderheiten, sondern um das Ansehen Deutschlands in der Welt, das nicht mehr von rechtsradikalen Kreisen beschädigt werden könne.

Der Innenminister des Freistaates Bayern, Günther Beckstein (CSU), begrüßt ebenfalls die getroffene Regelung. „Der Kompromiss geht in die richtige Richtung, mehr war als Kompromiss nicht zu erreichen“, sagte er im Deutschlandfunk. Er fordert allerdings auch, dass „nicht nur die Billigung von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft, sondern auch die Verharmlosung unter Strafe“ gestellt wird.

Die gestern getroffene Einigung erlaubt es den Behörden, Versammlungen an „historisch bedeutsamen Gedenkstätten“ zu verbieten, wenn die Würde der Opfer des Nationalsozialismus beeinträchtigt wird. Das betrifft Gedenkstätten an ehemaligen Konzentrationslagern und das Holocaustmahnmal in Berlin. Darüberhinaus soll es eine Öffnungsklausel geben, nach der die Bundesländer weitere Orte festlegen können. Bereits am Freitag sollen die Gesetze im Deutschen Bundestag verabschiedet werden.

Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, fordert der Bundesvorstand der SPD einen „Aufstand der Anständigen“. In einem Papier heißt es, dass alle Demokraten dem Rechtsextremismus „entschlossen, mutig und mit Augenmaß rechtsextremen Tendenzen entgegentreten“ müssen. Die SPD will in zahlreichen Aktionen und Bündnissen in die Offensive gegen neofaschistische Tendenzen gehen. (wikinews)

2004 mehr "Abtreibungen" als 2003

Berlin (Deutschland), 09.03.2005 - Im Jahr 2004 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 129.600 Föten abgetrieben worden. Dies sind 1,3 Prozent mehr als 2003.

Drei Viertel der betroffenen Frauen waren zwischen 18 und 35 Jahre alt. Die Zahl der minderjährigen Mädchen, die ihr Kind abtreiben ließen, ist mit sechs Prozent im Vergleich zu 6,1 Prozent im Jahr 2003 nahezu konstant geblieben. Fast alle Abtreibungen wurden nach den in der Bundesrepublik Deutschland vorgeschriebenen Schwangerenkonfliktsberatungsregeln durchgeführt. Bei nur drei Prozent aller Abtreibungen gab es medizinische Gründe. Etwas weniger als die Hälfte der Frauen hatte vor der Abtreibung noch keine Kinder.
Die Zahl der Lebendgeburten lag bei 712.000 und damit 0,5 Prozent niedriger als 2003. +wikinews+

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