Die Bundesregierung bezeichnet ihr Bankenabgabegesetz nun als "Restrukturierungsgesetz", wird damit einen weiteren Vorsorgetopf schaffen, der jedoch wiederum nur einen Bruchteil des Risikos abdecken kann, aus dem er gespeist werden soll, sonst kommt nämlich gar nichts hinein.
Und "Restruktiert" würde bedeuten, dass frühere Strukturen angestrebt würden, aber welche waren denn so gut, dass sie wieder hergestellt werden müssten?
So blödsinnig der Titel dieses Regierungsprojekts, so dumm auch das Anliegen, denn wenn einzelnen Banken Systemrelevanz eigenschaftlich ist, dann doch aufgrund ihrer Größe, ihrer Verflechtungen, Monopolstellungen im Zahlungsverkehr und durch die Zentralbank privilegierten Stellung im Kreditwesen. Darum forderte der vor wenigen Wochen verstorbene Unternehmer Nicolas George Hayek, dass die Banken vor allem verkleinert werden müssten, die das System Bankenkonkurse verkraften lassen. Die Große Koalition machte das Gegenteil, als sie gar noch die Megafusion von Commerzbank mit der Dresdner Bank und die Megafusion von Deutsche Bank mit der Postbank subventionierte.
Doch auch "kleiner" genügt nicht, denn das schließt den Dominoeffekt weniger aus als wenn die "Universaldienstleister" nach Geschäftsarten gespalten würden, dann auch wieder mehr mit Sachkompetenz konkurrieren als alles und jeden dem Börsenpoker auszusetzen.
An diese Eigenschaften geht ihnen die Regierung nicht ran, sondern verpflichtet sich mit dem Gesetz zu neuen Rettungsaktionen. Falls Banken durch Spekulationen ins Rote geraten, sollen die Schuldenbereiche in eine "Brückenbank" ausgegliedert werden. - "Brückenbank" klingt besser als "Badbank", denn wer würde davon mal Vorstand sein wollen, aber wieder würde es eine Rettung und ab jetzt mit Vorab-Garantie für schlecht wirtschaftende Banken durch den Steuerzahler und durch die besserstehenden Banken. Das ist Irrsinn, denn das hebelt die Verantwortlichkeit der Spekulanten noch weiter aus als ohne dieses Gesetz.
Nicht "Restrukturierung", sondern "Umstrukturierung" hat das Motto zu lauten: Den Wettbewerb durch Erleichterung von Bankenneugründungen zu fördern und keiner Bank mehr sämtliche Geschäftsarten und Beteiligungen zu erlauben, denn dadurch werden Risiken miteinander verflochten, die Bankenkunden überhaupt nicht wollen oder von ihnen, wie in der Bankenkrise geschehen, überrascht werden.
Markus Rabanus >> Diskussion
28 August 2010
Banken: "Restrukturierung" statt Umstrukturierung?
02 August 2010
Ökonomie der Empathie
Seit den Geschehnissen in Duisburg geht es nicht nur um die Aufklärung der Abläufe und der Verantworlichkeiten, sondern auch um die soziopsychische und individuelle Aufarbeitung dieser Tragödie, um ihre emotionale Bewältigung, um die Formen der Trauerarbeit, um semiprofessionell aufgezogene 24h-Mahnwachen und öffentliche Kundgebungen, psychologische Betreuung und Begleitung der Angehörigen und derjenigen, die das ganze miterleben mussten. Die Rede ist von einem Hilfsfond, von der emotionalen Ausnahmesituation, in der sich eine ganze Region befindet, vom Schrecken, der auf einmal in die Normalität eingebrochen ist, von der Traumatisierung, die sogar das Betrachten von Fernsehbildern und Internet-Videos hervorrufen kann. Ich finde, es reicht langsam. Die Medienberichterstattung mit den gewohnten Endlosschleifen ist die in solchen Fällen übliche Routine. Aber dem entspricht auch ein allgemeines Bedürfnis nach emotionaler Beteiligung, das - bei aller Aufrichtigkeit des individuellen Betroffenseins - desto grotesker wirkt, je mehr es einen weiteren, vielleicht sogar globalen Kontext gestellt wird. Sicherlich ist jedem einzelnen und jeder Gesellschaft das Hemd immer näher als die Hose. Aber es gibt eben nicht nur eine Asymetrie des globalen Leids, sondern auch eine Asymetrie der Empathie, die oft genug darüber hinweg geht, welche Schrecken Politik anderen Erdteilen leichtfertig zumutet. In der Perspektive des Mitleidens wird das Unvergleichliche durchaus vergleichbar und man sieht schnell, welchen irrationalen Ökonomien die kollektive Empathie folgt.
martin >> Diskussion
12 Juli 2010
Letzter WM-Splitter: "Über Geld spricht man nicht"
Was zahlten ARD und ZDF für die WM-Übertragungsrechte?
"180 Mio.€" mutmaßte das Handelsblatt in einem Artikel v. 30.06.2005. Genaueres weiß man nicht oder will es nicht recherchieren, es sind immerhin "öffentlich-rechtliche Anstalten".
Die Fifa habe von den EU-Staaten etwa 1 Mrd. € kassiert, 50% mehr als für das damals noch bevorstehende "Sommermärchen 2006". Das sind Preissteigerungen, für die ein Vermieter in Kittchen käme, zurecht.
Und das waren jetzt nur die "Übertragungsrechte", denn die Kosten für das ARD-ZDF-Team in Südafrika kommen hinzu, die Kosten für die Berichterstattung von den Fan-Meilen der Welt, die Honorare für die Experten, die sich noch kleine Nebengeschäfte bescherten, z.B. per Beteiligung an diesem "Fanorakel", als wenn solch Schwachsinn nicht in Eigenregie der GEZ-Sender hätte veranstaltet werden können, aber die Einkaufstour auf fremde Rechnung ist leichter und kein Thema.
Dann wieder "Waldis WM-Club", der möglicherweise ab 2,4 Blutalkohol-Promille die Humor-Latte packt, der "WM-Splitter" ...
Und die Fan-Meile in Berlin? Werden wir die Abrechnung zu sehen bekommen? Was kassierte die Fifa?
12.000 € Standgebühr für zweieinhalb Wochen. Wenn nicht genug gesoffen wurde, blieben Rote Zahlen und die Fans gesünder.
Wulff will für die Dritt-Platzierten in die Ordensschatulle greifen. Vorab düsen die Aktiven mit ihren "Spielerfrauen" in den Urlaub. Jogi Löw weiß angeblich nicht, was werden soll. Zu Rot-Weiß Lüdenscheid wechseln? Oder in die Mongolei? Das sind die wahren Schicksalsfragen der Nation, deren eifrigste Fans um 6 Uhr früh ihren Helden am Flughafen auflauerten, huldigen wollten, aber dafür können die sich nichts kaufen. Nur unsere hypergenialen Superjournalisten schafften es, dem ein oder anderen Fußballer mit Kamera und Mikro den Weg zu verstellen, um nochmals auszukundschaften, was schon in vorherigen Interviews zu hören war. Nicht aber, was uns denn nun der Spaß gekostet hat. Vollends überflüssig gestern dann noch die stundenlange ZDF-Reportage zur Tour de France. - Und die 7,6 Mrd. € Jahresetat reichen den GEZ-Sendern nicht.
DANKE an Südafrika!
Aber was wird aus den Stadien? So fett braucht es das eigentlich nicht. Eine teure Promotion für das Land der Townships und dem dornigen Weg zur wirklichen Regenbogennation. Immerhin billiger als ein Krieg, dennoch bleiben auf Dauer vermutlich teure Ruinen. - Es kommt verdammt teuer, bei allem dabei sein zu wollen, was an Spiel, Spaß und Freude durchkommerzialisiert wird.
Zurück zum Amateursport! Allen Ernstes. Alles andere ist Schwachsinn, ist Doping, ist Betrug, ist Suff, ist Schein statt Sein. Derweil stiegen die Krankenkassenbeiträge auf 15,5 Prozent plus X = "Mehr Brutto vom Netto" für das Geschäft mit der Gesundheit: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" nach seinem Gehalt, allenfalls die Krankenschwester antwortet.
Markus Rabanus >> Diskussion
01 Juli 2010
Zur Wahl von Wulff
Nun hat es Christian Wulff nach neun Stunden Wahlmarathon doch noch ins Schloss Bellevue geschafft.
Ich hab mir gestern im Schnelldurchlauf nochmal beide Kandidaten in Bild- und Text-Interviews angesehen. Gauck hatte ich die letzten Jahre kaum wahrgenommen und hatte dementsprechend keine genaue Vorstellung von ihm als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. In allem, was ich gelesen und gesehen habe, erschien er mir jedoch überzeugender und mit seiner Biographie und seinem Intellekt für die Aufgabe - mit Abstand - geeigneter als Christian Wulff. Natürlich hatte es Gauck als Herausforderer, der nur positiv überraschen konnte, einfacher, sich authentisch und locker zu inszenieren, während der Erfolg des CDU/FDP-Kandidaten mit dem Schicksal der gesamten Regierungskoalition verknüpft wurde. Aber auch jenseits dieser unterschiedlichen Ausgangspositionen wurde in fast jedem Satz, der von den Kandidaten zu hören war, das gänzlich andere Format Gaucks deutlich, seine kluge, querdenkende und abwägende Art mit Blick auf grundsätzliche Ebenen, wo Wulff auf viele Fragen der Journalisten nur trockene Redeschablonen und eingeübte rhetorische Gymnastik anzubieten hatte. Angesichts dieser so offensichtlichen Diskrepanz erstaunt es allenfalls, dass das Abstimmungsergebnis nicht noch viel knapper ausgefallen ist.
Der Satz Sigmar Gabriels, Gauck bringe ein Leben mit in seine Kandidatur, Wulff lediglich eine politische Laufbahn, ist ausgiebig kritisiert worden, nicht zuletzt von Gauck selbst, der darin ein gefährliche Diskreditierung des Berufspolitikers erblickte. Dennoch ist der Impuls absolut nachvollziehbar, die Sehnsucht, im obersten repräsentativen Staatsamt ohne reale Machtbefugnisse keinen Politprofi zu erblicken, sondern einen etwas kantigeren Charakter mit anderen Eigenschaften als man sie für Parteikarrieren benötigt.
Die wirklich tragischen moralischen Verlierer des Abends aber waren die Deligierten der Linkspartei. Ein Mann von Gaucks Zuschnitt unwählbar wegen tagespolitischer Differenzen: Mit dieser erbärmlichen Ausflucht haben die Linken eine historische Chance vertan, bei der Bewältigung ihres totalitären Erbes Glaubwürdigkeit zu erlangen.
martin >> Diskussion
Gratulation an Wulff, aber wozu überhaupt dieses Amt?
Nichts ist für Journalisten schlimmer als ein Tag, über den es an sich wenig zu berichten gibt, denn die "Formate" müssen gefüllt werden. So auch gestern, als die Bundesversammlung den Mehrheitskandidaten zweimal durchfallen ließ, bevor er dann mit immerhin doch absoluter Mehrheit gewählt wurde. Das sei "Regierungskrise". Die gibt es zwar tatsächlich, aber in viel grundsätzlicher Hinsicht, wenn im Grunde niemand sagen kann, wo es lang gehen soll. Da hilft auch kein Personen-Roulette.
Im ersten und zweiten Wahlgang - wozu überhaupt der zweite? - kam nichts zustande, weil die Kandidatin der Linkspartei erst vor dem dritten Wahlgang aufgab. Ihre Delegierten machten dann auf beleidigte Leberwurst (Gysi: "Uns hat niemand gefragt!!!" oder so ähnlich) und enthielten sich.
Wulff bekam nun doch die Stimmen aus dem Regierungslager, hielt eine der für ihn typisch netten Reden, alles klatschte - nein, die Opposition klatschte nicht, allem vorherigen Gerede von der Art des Amtes zum Trotz, schlechte Verlierer im Parteienpoker, als sei ihr ein Roland Koch oder Stoiber beschert. Gauck klatschte artig - sicherlich dankbar, stand er doch als Freiheitskämpfer (DDR und Hindukusch) für einige Tage im Rampenlicht, eine Freiheit, die sozialdemokratische Klientel millionenfach zu Kunden von "Jobcentern" macht. Welch kühner Schachzug gegen Merkel ... und verheimlichtes Eingeständnis, dass Rot-Grün keinen wirklich eigenen Kandidaten für das größere Ganze hat.
Und nun? Deutschland hat einen vergleichsweise vorzeigbaren Politiker an der protokollarischen Spitze, der sich in seine Sekretärin (ich weiß es nicht) verknallte, was jedem passieren kann, der Popmusik hört, auch mal gern gar nichts macht, wozu das neue Amt allemal besser passt.
Ich gönne es ihm. Mich ärgert halt nur, dass nicht einer der vielen Volksvertreter mal einbrachte,
- dass dieses Amt verzichtbar ist,
- dass ehrenamtlicher sein könnte usw.
Und mich ärgert natürlich immer auch, dass die Bürger so bescheuert sind, dass sie sich so viel Administration überhelfen lassen.
Markus Rabanus >> Diskussion
19 Juni 2010
Lohndumping der Lifestyler im "Arbeiterparadies" China
Seit Jahresbeginn wurden allein bei dem in China tätigen taiwanischen Konzerns "Foxconn" mehr als zehn Arbeitnehmer-Selbstmorde bekannt.
"Foxconn"? Nie gehört, aber ist der weltgrößte Elektronikhersteller und produziert für Marken wie Apple, Dell, Hewlett-Packard und Nokia.
Als Motiv für die Selbstmorde werden die enorme Arbeitsbelastung und die Hungerlöhne vermutet. Das passt dann nicht ganz so gut zur Lifestyle-Werbung der genannten Marken und hat endlich bzw. angeblich auch den Effekt, dass zumindest die Löhne angehoben werden. Laut ARD-Tagesschau steige der monatliche Lohn von 900 ab sofort 1200 Yuan und bis Oktober auf 2000 Yuan. Das seien dann 244 Euro pro Monat. Noch immer ein Hungerlohn, denn das Leben in den chinesischen Industriemetropolen ist teuer.
'Es gibt für allerlei Label, die uns beim Kauf beraten, aber wie es denjenigen geht, die uns den Krams produzieren, welchen Giften sie ausgesetzt sind, welcher Arbeitsbelastung zu welchem Lohn, sagt auch das "Fairtrade"-Label nicht.
Interessant wäre ein Label, auf dem der niedrigste Stundenlohn in der Produktionskette verzeichnet ist. Zumindest braucht es mehr Öffentlichkeit, zumindest bei den Produkten, die uns auf "Lifestyle" tun, aber die Produzenten tot machen.
Markus Rabanus >> Diskussion
18 Juni 2010
NRW: Minderheitsregierung und wer wen "duldet"
Da geschieht nun nach einigem Hin und Her, was die Wähler zwar zu knapp, aber wohl am ehesten wollen, dass Rot-Grün Schwarz-Gelb ablöst, und das wohl auch mehrheitlich ohne die Linkspartei. Genau das macht nun Frau Kraft.
Das ist also nicht undemokratisch, sondern einfach nur schwieriger, wenn eine Minderheitsregierung sich für jeden Krams die Zustimmung über die Parteigrenzen hinaus suchen muss. Prompt lallen die Abgewählten, die noch vor Tagen Frau Kraft "fehlenden Gestaltungswillen" vorwarfen, dass sie sich jetzt auf ein verkapptes Mitregieren der Linkspartei einlasse.
Herr Rüttgers, was soll denn das?
Sie sind doch ein gescheiter Mann und können zählen, dass Rot-Grün mehr Sitze als Schwarz-Gelb hat. Also kann es Rot-Grün nur dann zur Mehrheit fehlen, wenn Schwarz-Gelb in der Opposition mit der Linkspartei kollaboriert.
Also einfach mal enthalten, wenn es Ablehnung sein soll und "keine Union mit Extremisten", sonst ist Ihr rot-rotes Schrecksgespenst einfach nicht mehr glaubwürdig.
Markus Rabanus >> Diskussion
02 Juni 2010
Nachfolge für Köhler
Die Wirtschaftszahlen könnten kaum besser sein, gleichwohl gibt es viel Frust in der politischen Klasse, die nicht so recht weiß, wie mit Staatsdefizit und Wahlergebnissen umzugehen ist. Da sorgte der Köhler-Rücktritt für Verdruss, zumal ohne ausreichenden Grund, aber keinesfalls eine "Staatskrise", zu der es einige machten, so auch einige Medien, wenn sie von "politischem Erdbeben" sprechen usw.
Es steht die Nachfolge an. Wer soll Bundespräsident/in werden?
www.faz.net titelt: "FAZ.NET-Leser würden Lammert wählen" - Na, wer sich der Leserschaft unserer Webseiten schämt, kann sich in Lektüre der FAZ-Leserzuschriften trösten, dass es noch dusseliger geht. Aussichtsreich dürfte im Volk und für Frau Merkel vor allem Ursula von der Leyen sein, aber zwei Frauen an der Staatsspitze sind manchen Blödis schon drei zuviel.
"Bürgerpräsident" und demnächst "Bundespräsidentin der Herzen"?
Köhler galt als "Bürgerpräsident", was ja nun wirklich kein Schimpfwort ist, auch wenn jetzt schwadroniert wird, dass es ihm "an Härte und politischer Erfahrung gefehlt" habe. - Aber man sah schon Typen weglaufen, die als "härter" galten. Reihenweise rannten sie davon, tauchten ab, waren tagelang oder wochenlang verschwunden: Berlins CDU-Bausenator Rastemborski (Studentenverbindung A.V. Cheruskia) tauchte 1983 für Wochen bei seiner Mama ab. Mehr Aufsehen erregte das Abtauchen von Lafontaine im März 1999, der kurz zuvor noch die Bundesbank überrumpeln wollte. Napoleons mit beschränkter Haftung - da trifft es sie hart, wenn es sie trifft. Und Köhler trat wenigstens vor die Kameras.
Von der Leyen bewies in zahlreichen Streitigkeiten die Durchhaltekraft der "gesunden Mutter", wenn es das gibt, die einfach tut, was sie für erforderlich hält, pragmatisch und geduldig, auch wenn es für das "Kindeswohl" mitunter die falschen Mittelchen sind, z.B. das "Stoppschild" anstelle konsequenter Strafverfolgung auch international. Zumeist aber intelligent und haushoch dem "Parteifreund" überlegen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass wenn sie Bundespräsidentin wird, dann eben nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern eine "Bundespräsidentin der Herzen".
Markus Rabanus >> Diskussion
06 Mai 2010
Fehlurteil in Sachen Karlheinz Schreiber
Das Augsburger Gericht verurteilte Karlheinz Schreiber zu 8 Jahren Freiheitsstrafe "wegen Steuerhinterziehung", obwohl diese bloß der Verdeckung der eigentlichen Verbrechen diente, der Korruption im Waffengeschäft und der Politikerbestechlichkeit.
Das Urteil ist so, als würde ein Millionen-Bankräuber nicht wegen Bankraubs verurteilt, sondern dafür, dass er die Millionen nicht versteuerte.
Markus Rabanus >> Diskussion
03 Mai 2010
"Thierse, blockier se"
Nachdem die Rechtsextremisten am 1. Mai mehr oder weniger unverrichteter Dinge wieder abgefahren sind, wozu der friedliche Protest weiter Bevölkerungsteile maßgeblich beigetragen hat, wird nun vor allem über das Verhalten oder Fehlverhalten von Wolfgang Thierse diskutiert. Thierse hatte neben anderen Lokalpolitikern selbst an einer Sitzblockade teilgenommen und erst die Strecke verlassen hat, als ihm Polizeibeamte dabei ihre physische Unterstützung angetragen haben.
Die Gewerkschaft der Polizei fordert nun lautstark seinen Rücktritt und hält ihm "Würdelosigkeit" und Rechtsbruch vor. Die Unterscheidungen, die sich daran anschließen, sind nicht gerade neu: Wo genau verläuft nun die Grenze zwischen Verfassungstreue und zivilem Ungehorsam, sind Legalität und Legitimität immer kongruent, berechtigt ein übergeordnetes moralisches Interesse zum Begehen von Ordnungswidrigkeiten, ist eine Sitzblockade eine Nötigung etc. Diese und verwandte Szenarien werden diskutiert, seit es überhaupt Sitzblockaden und andere Formen vermeintlich passiven Protestierens gibt, und man wird nicht erwarten können, dass ausgerechnet die GdP den diskursiven gordischen Knoten durchschlägt.
Die Polizei hatte ohne Zweifel ein schwieriges Wochenende, allein schon aufgrund der Vielzahl der Schauplätze und unterschiedlichen Veranstaltungen in der Stadt. Und es ist auch nachvollziehbar, wenn es die Verantwortlichen bei den Ordnungshütern ärgert, dass Politiker mit Immunität einen Polizeieinsatz stören. Andererseits könnte ein Blick über den Rand der eigenen Einsatzstrategie nicht schaden. Denn gerade in Sachen Extremismus kann eine ordnungsgemäß durchgeführte und ohne Störungen abgelaufene Demonstration natürlich keine gesellschaftliche Auseinandersetzung ersetzen, die ja sonst allenthalben gefordert wird. Der Raum politischer Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit endet ja nicht dort, wo ein Gericht Grundrechte gewichtet oder gar einen Verbotsantrag ablehnt.
Martin >> Diskussion
01 Mai 2010
Forderungen zum 1. Mai 2010
Arbeitszeit gesetzlich verkürzen
Eine Gesellschaft, in der immer weniger Menschen immer länger arbeiten sollen, um für immer mehr Menschen ohne Arbeit mitzuarbeiten, ist nicht solidarisch, sondern dämlich organisiert, macht die Arbeitenden krank und die Arbeitslosen ebenfalls. Darum braucht es Verteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und eine Höherbesteuerung bei Überschreitung von gesetzlich kürzern Regelarbeitszeiten, damit sich die Einstellung von Arbeitslosen stärker LOHNT.
Den Sozialversicherungsstaat zum SOZIALSTAAT umbauen
Das gesamte Lohnsteuer- und Pflichtversicherungssystem gehört auf das Einkommensteuersystem umgestellt, gerechter und solidarischer nach Einkommenshöhe und steuerlicher Lebensleistung, vereinfacht und mit klarer Progression, die nicht dort ihr oberes Ende haben darf, wo der übermäßige Reichtum seine Anfänge hat.
Zeitarbeitslöhne müssen höher als die Stammbelegschaftslöhne sein
Wenn gemindert werden soll, dass Arbeitnehmer durch Zeitarbeit schlechter gestellt werden als durch ordentliche Beschäftigung, dann muss die Zeitarbeit spürbar teurer sein als die ordentliche Anstellung. Desgleichen muss für befristete Beschäftigung gelten.
Markus Rabanus >> Diskussion
Nazis und 1. Mai? Nazi-Demos verbieten!
Direkt nach der Machterlangung begannen die Nationalsozialisten mit der Verfolgung von Gewerkschaftlern. Nächtliches "Abholen", Folter und Konzentrationslager - das war der Regime-Typus, wie ihn sich Nazis wünschen.
Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften verboten, das Vermögen beschlagnahmt und in die "Deutsche Arbeitsfront" überführt, die in keinerlei Weise Arbeitnehmerinteressen gegenüber Arbeitgebern und Staat geltend machen durfte, sondern wie jede andere NS-Organisation für den Gleichschritt nach Stalingrad und andere Massenverbrechen sorgte.
Das sollte Grund genug sein, dass Nazi-Organisationen und Nazi-Strolche auf Mai-Demonstrationen nichts zu suchen haben. Auch nicht am Straßenrand. Und schon gar nicht mit Nazi-Veranstaltungen. Trotzdem gestatten unsere Gerichte immer wieder Nazi-Demonstrationen, so auch heute in Berlin und anderswo:
Der Bereich um den S-Bahnhof "Bornholmer Straße" (Berlin-Pankow), wo Rechtsextremisten ihren Hass gegen Einwanderer und Zivilgesellschaft zelebrierten, war polizeilich weiträumig abgesperrt. Es gab eine Vielzahl von Gegendemonstrationen.
Markus Rabanus >> Diskussion
Es braucht Sozialarbeit für "Bandidos"
In Schleswig-Holstein wurden die Rocker-Gangs "Hells Angels" und "Bandidos" verboten. Polizeikräfte demontierten von den Clubhäusern die Banden-Embleme und sicherten bei Wohnungsdurchsuchungen zahlreiche Waffen und Beweismaterial.
Folgerichtig müssten nun die Rocker ihre Mopeds neu bemalen, die Lederjacken zivilisieren und Banden-Tattoos abdecken. Reichlich Arbeit und Aufwand für ein Hobby, das sich zu sehr ins Kriminelle verirrte.
Anlass für die Verbote war ein sogenannter "Rockerkrieg", als sei der neu und nicht urtypisch für das Selbstverständnis solcher Gangs. - Sozialarbeit in diese Kreise gibt es nicht und wundert sich dann über "Parallelgesellschaften". Sozialarbeit und Auflagen in diese Kreise wäre eine seriöse Alternative zum Organisationsverbot. Dazu würde es eines mutigen Staates bedürfen, aber der ist nun mal in der Bandenprävention nicht mutiger als der einzelne Beamte tatsächlich wäre, allenfalls bei Kollektivauftritten. Und weil sich das kaum ändern lässt, müsste die Sozialarbeit eben notfalls in "Truppenstärke" stattfinden.
In den Biographien von Leuten, die sich den "Hells Angels" und "Bandidos" anschließen, lässt sich vieles entdecken, was auch bei Rechtsextremisten keine Seltenheit ist, z.B. "vaterlose" Kindheit und/oder Jugend, Misstrauen gegenüber liberalen Anschauungen und Verhältnissen. Die ideologischen Schlussfolgerungen von Rockern und Rechtsextremisten überschneiden sich deshalb häufig.
Und der Unterschied? - Beispielsweise, dass die Show von Rockern besser als die von den Möchtegern-Trommel-Faschos ist.
Markus Rabanus >> Diskussion
Urteilsschelte: Braune Bezirksschornsteinfeger
Das Verwaltungsgericht Halle gab der Klage eines Bezirksschornsteinfegers statt, dass seine rechtsextremistische Aktivität für die NPD keine ausreichende Begründung für den Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister sei.
"Es gebe noch kein Urteil zu dieser Rechtsfrage, ob ein Bezirksschornsteinfegermeister bis ins Private verfassungstreu sein müsse", wird das Urteil zitiert. Offenbar verkennt das Gericht, dass es nicht um das Private des Schornsteinfegers oder um Staatsschutz geht, sondern um die Sicherheit und Privatsphäre derjenigen, die sich ihren Bezirksschornsteinfeger bislang nicht aussuchen können, also in ihre Häuser und Wohnungen einlassen müssen.
Was tun?
Jeder demokratische Bürger sollte solch einem Schornsteinfeger den Zutritt verwehen, denn es ist unzumutbar, dass der Staat Rechtsextremisten mit hoheitlichen Aufgaben in Wohnungen von Menschen schickt, denen Rechtsextremisten die Bürger- und Existenzrechte bestreiten.
Es geht keinesfalls um die Frage eines allgemeinen Berufsverbots für Rechtsextremisten, denn kaum etwas ist wichtiger für die politische Vernunft als die Teilhabe am Berufsleben, aber für hoheitliche Aufgaben bis in die Privatsphäre fehlt es Rechtsextremisten aus Gründen ihrer Hass-Ideologie an persönlicher Eignung.
Die Hallenser Richter können hingegen gern für ihren Berufsstand einen eigenen Kehrbezirk fordern, in dem sich braune Schornsteinfeger umtun dürfen.
Markus Rabanus >> Diskussion
28 April 2010
Würdigung für Aygül Özkan
Aygül Özkan ist die erste Türkischstämmige und erste Muslimin, die in Deutschland zur Ministerin berufen wurde - und es sich nicht einfach gemütlich macht, sondern mutig z.B. für die religionspolitische Neutralität des Staates stritt.
Zu ihrer Webseite >> www.aygueloezkan.de
Eine zutreffende Würdigung findet sich bei STERN.de von Sönke Wiese >> KLICK
msr >> Diskussion
27 April 2010
Belgiens unwürdiger Sprachenstreit
Der Rücktritt von Ministerpräsident Yves Leterme aus Gründen des Sprachenstreits zwischen flämischen und frankophonen Belgiern - solch Belgien möchte am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz übernehmen? Und Brüssel als Hauptstadt unseres vielsprachigen Europas?
Belgien gibt sich zur Zeit alle Mühe - oder merkt es nicht, keine Empfehlung für das geeinte Europa und die gemeinsame Welt zu sein. Das ist bedauerlich. Und eine Niederlage des belgischen Intellekts.
Markus Rabanus >> Diskussion
26 April 2010
Anforderungen an Elektro-Mobile
Die Produktlinie "Sportwagen" von TESLAR ist schick, aber wirtschaftlich erfolglos, denn durch den Reichweiten-Anspruch mit den Akkus zu teuer und zu unpraktisch anbetrachts einer für E-Mobilität noch weitgehend fehlenden Infrastruktur.
Der zunächst sinnvollste Einsatzbereich für Elektromobile ist die Stadt, der Nahbereich und die geringere Geschwindigkeit; als Dienstfahrzeug von Behörden, Serviceunternehmen usw., als Zweitwagen für den Kindertransport, größere Einkäufe usw.
An diesen Ansprüchen scheitern die Studien des Fiat 500 oder des Smart schon in den Sitzverhältnissen und an zu knappen Gepäckräume. Teilweise wären bei diesen Minis zwar noch die Raumaufteilungskonzepte nachzubessern, z.B. durch leichter entfernbare Beifahrersitze, um wenigstens die Sachtransportoptionen zu erweitern, aber der Durchbruch würde wohl erst mit der Kompaktklasse geschafft, z.B. dem VW Fox, dem Opel Corsa usw., denn genau diese Größe wird nicht zufällig von vielen Branchen flottenweise gekauft.
Es müssten "Steckdosen-Autos" sein, die möglichst mit kostengünstigerem Nachtspeicherstrom aufgeladen werden können.
Die Akkus müssten leicht auswechselbar sein, um einen Zweitakku-Betrieb zu gewährleisten, solange nach dem Stand der Technik die Aufladezeiten lang dauern.
Wenn die Elektro-Motoren auf Geschwindigkeiten von 70 Stundenkilometer ausgelegt wären, so entspräche das ausreichend dem städtischen und Kurzstreckenprofil und könnte in der Kfz-Steuer begünstigt werden, um diese Technologie zu fördern.
Die Hybridtechnik ist zu reinen Elektromobilen allenfalls eine umweltsnobistische Alternative, denn durch die Doppelmotorisierung und die technisch höhere Komplexität des Zusammenwirkens und Antriebswechsels zu kostspielig und in der Ökobilanz unverzeihlich.
Beim reinen Elektromobil hingegen könnte der Motorenpreis schon aus Gründen der getriebetechnischen Einfachheit erheblich preisgünstiger sein.
Markus Rabanus >> Diskussion
Was Deutschland der Afghanistan-Krieg kostet
Zunächst mal kostet der Krieg viele Menschenleben, aber auch Geld. Laut http://www.Wirtschaftswoche.de vom 24.04.2010 verausgabt Deutschland allein in diesem Jahr mehr als 1,5 Mrd. € für den Afghanistan-Krieg:
1,059 Milliarden Euro aus dem Verteidigungsministerium,
250 Millionen Euro aus dem Entwicklungshilfeministerium,
181 Millionen Euro aus dem Außenministerium,
12 Millionen Euro aus dem Innenministerium.
Bislang habe der "Afghanistan-Einsatz" Deutschland ca. 6,2 Milliarden Euro gekostet.
msr >> Diskussion
25 April 2010
Sündenfall Griechenland: "45 Mrd. €"
Zu Jahresbeginn wurden Finanzhilfen für Griechenland noch kategorisch ausgeschlossen. Begründung: Unvereinbar mit geltendem Recht in der EURO-Zone, das im Gegenteil sogar Strafzahlungen für den Fall der Defizitüberschreitung vorsieht. Wenige Wochen später wurden Umgehungsfinanzierungen erwogen, der IWF könne helfen, sonst schaffe sich die EURO-Zone einen Präzedenzfall für Portugal, Spanien, Italien, ...
Mit vagen Stützungszusagen wurde experimentiert, wahrscheinlich zugleich die griechische Regierung zu dem Spruch verpflichtet, keine Hilfen zu benötigen, damit die Spekulation auf den Staatsbankrott nachlassen, aber Griechenlands Kreditwürdigkeit verschlechterte sich weiter. Experiment gescheitert. Aus Regierenden-Sicht allerdings positiv: Die Steuerzahler der EURO-Zone werden an den Gedanken griechischer Belastungen gewöhnt. Und letzte Woche kam dann der Dreizeiler aus Griechenland, dass 45 Mrd. € benötigt würden. Wer rechnet das nach?
Vorbehaltlich eines "glaubwürdigen Sparpakets" gelten jetzt Finanzhilfen/Bürgschaften als nahezu unvermeidlich, auch wenn Schäuble mit einem Veto droht. Die Zusammensetzung: IWF 15 Mrd. € und die EU-Zone 30 Mrd. €. Am Paket der EURO-Zone ist Deutschland mit 28 Prozent dabei, also 8,4 Mrd. €; bislang fehlen Nachrichten, wie hoch der deutsche Beitrag an der IWF-Hilfe ist. Sicherlich auch nicht zu knapp. Bundeskanzlerin Merkel redet von "Bürgschaft" und erwartet angeblich, dass Griechenland zahlungsfähig bleiben werde, was schon beim "Bankenrettungsschirm" nicht stimmte. Es macht eben einen Unterschied, ob jemand Bürge für Produktiv-Investitionen oder für Umschuldungen ist. Das erklären auch die Leitmedien den Bürgern nicht, bereiten allenfalls auf noch höhere Belastungen vor, wie das Zinsrechnen zeigt, wenn der Zins nicht steigt.
Vorerst werde die Bürgschaft durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) begeben, die sozusagen zur "Bad Bank" des Bundesfinanzministeriums wird, denn den Unterschied zwischen KFW-Zusage und Etatposten im Bundeshaushalt ist einzig, dass uns das Staatsdefizit geschönt wird. Das ist ein weiteres Beispiel für die Trickserei, die Finanzkrisen verschärft, in denen auch die Politiker die Übersicht und Steuerungsmöglichkeiten verlieren.
"Athen muss sparen" klingt menschlicher als "die Griechen sollen sparen", aber politisch dürfte ein noch schärferer Sparkurs schon daran scheitern, dass er den Griechen nicht notwendig scheint, solange andere für sie zahlen - und zwar aus Verschuldung, also (können). Und die griechische Wirtschaft verzeichnet alles andere als Wachstum, hat also nichts zur Gegenfinanzierung.
Eine gemeinsame Währung ohne eine gemeinsame Finanzpolitik, wie es das EURO-Modell vorsieht, braucht entweder entweder den Ausschluss von Mitgliedern bei Verfehlung der Stabilitätskriterien oder ist illusorisch.
Markus Rabanus >> Diskussion
Internet-Journal
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