16 September 2008

Karsten D. Voigt zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen

„Amerika vor der Wahl – Obama oder McCain – Was wird sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen ändern?“ Vortrag vor Amerika Gesellschaft und Harvard Club
Hamburg am 16. September 2008 Presseerklärung

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.
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16.09.2008 Presseerklärung
Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.[size=16]„Amerika vor der Wahl – Obama oder McCain – Was wird sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen ändern?“ Vortrag vor Amerika Gesellschaft und Harvard Club Hamburg am 16. September 2008[/size]

16.09.2008 Presseerklärung
[b]Karsten D. Voigt[/b] ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. Vorbemerkungen: nicht nur der Präsident, auch der Kongress wird gewählt

Am 4. November 2008 finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Präsidentschaftswahlen sowie die Wahlen zum 111. Kongress statt. Das Interesse an den Wahlen ist in den deutschen Medien und der Bevölkerung außerordentlich. Ausdruck dieses Interesses und gleichzeitig von überzogenen Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der amerikanischen Politik war der Massenandrang beim Besuch des demokratischen Kandidaten Barack Obama Ende Juli in Berlin, als er vor 200.000 Zuhörern an der Siegessäule eine Rede hielt.

Der Fokus des allgemeinen Interesses liegt eindeutig auf der Wahl zum Präsidenten, wobei die Kongresswahlen in ihrer Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden sollten. Durch seine Kompetenzen in der Haushalts-, Steuer- und Handelspolitik nimmt der Kongress nämlich eine wichtige Rolle im amerikanischen Verfassungsgefüge ein. Ohne Zustimmung des Senats kann der Präsident keine Verträge abschließen und keine Minister, Verfassungsrichter und Botschafter ernennen.

Bei der Wahl entscheiden die amerikanischen Bürger über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie über ein Drittel der Sitze im Senat. Derzeit halten die Demokraten eine Mehrheit in beiden Häusern. Im Senat ist diese dabei mit 51 zu 49 Stimmen im Senat nur sehr knapp, und dies auch nur wegen der den Demokraten nahe stehenden Position zweier unabhängiger Senatoren. Dieser Vorsprung wird sich allen Prognosen zufolge vermutlich vergrößern, denn die Republikaner müssen 23 der 35 zur Wahl stehenden Sitze verteidigen, darunter fünf so genannte open seats, bei denen sich die Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl stellen. Elf der zwölf am heftigsten umkämpften Sitze werden oder wurden zudem von Republikanern gehalten. Trotz der prognostizierten Zugewinne gilt es aber dennoch als unwahrscheinlich, dass die Demokraten die wichtige Schwelle von 60 Sitzen erreichen können. Diese wäre nötig um das filibuster der Minderheitsfraktion auszuhebeln, also die Taktik, durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern.

Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten derzeit eine Mehrheit von 236 zu 199 Sitzen vor den Republikanern. Wahrscheinlich werden sie diese Mehrheit ausbauen können, wenn auch nur in sehr geringem Maße, wie die letzten Prognosen seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner vermuten lassen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten die Demokraten aber bei Nachwahlen drei Sitze in Wahlbezirken erringen, die zuvor als republikanische Hochburgen galten.

Allerdings sollten die Demokraten durch Umfragen gewarnt sein. Die republikanische Regierung unter George W. Bush ist zwar unbeliebt, der demokratisch dominierte Kongress hat die Wähler aber noch wesentlich stärker enttäuscht. Als die Demokraten 2006 die Kongressmehrheit errangen, versprachen sie, den Irakkrieg zu beenden, die Haushaltsdisziplin auf Bundesebene wiederherzustellen und die Regierung stärker zu kontrollieren. Diese Versprechen wurden jedoch auch aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse und der verfassungsrechtlichen Machtfülle des Präsidenten in den Augen der Wähler kaum erfüllt. So billigte der Kongress z.B. zusätzliche Milliardensummen für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, ohne dabei im Gegenzug Bush auf einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak festlegen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Ende August gaben 49% der befragten Amerikaner an, mit der Arbeit des Kongresses sehr unzufrieden zu sein, 29% waren unzufrieden.

Für George W. Bush sind die Zahlen dramatisch schlecht. In derselben Umfrage sagten 64%, mit dem Präsidenten unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Noch mehr – über 70% – glaubten, das Land sei auf dem falschen Weg. Fünf Jahre nach dem Beginn des Militäreinsatzes im Irak ist die Bevölkerung kriegsmüde und beunruhigt über die hohen Opferzahlen und die finanziellen Belastungen für Staatshaushalt und Steuerzahler. Noch schwerer wiegen aber der anhaltende Konjunkturabschwung und die Immobilien- und Finanzkrise, welche die amerikanische Mittelklasse stark verunsichern.

II. Themen und Kandidaten des Präsidentschaftswahlkampfes

Angesichts der negativen öffentlichen Meinung zu Präsident und Kongress wurden die Begriffe „Change“ und „Hope“, Wandel und Hoffnung, so zu Schlüsselbegriffen des Wahlkampfs. Zuerst hat Barack Obama diese Motive ins Feld geführt und setzte sich damit im Vorwahlkampf gegen die ursprünglich als Favoritin geltende Hillary Clinton durch. Als relativ junger Kandidat, als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus dem amerikanischen Herzland, der an den Veränderungswillen aller Amerikaner appelliert, gilt er seinen Anhängern als Repräsentant einer modernen, urbanen, ethnisch gemischten und toleranten Gesellschaft, die mehr an Problemlösungen als an den alten Grabenkämpfen zwischen Ethnien, Parteien und Gesellschaftsschichten interessiert ist. Er findet viele Anhänger bei gebildeten und wohlhabenden Wählern aller Hautfarben. Schwarze Amerikaner unterstützen ihn mit sehr großer Mehrheit. Vor allem aber mobilisiert er zahlreiche junge Wähler. Schon im perfekt organisierten Vorwahlkampf zogen sie von Haus zu Haus, machten das Internet zum Wahlkampfmedium und warben dabei viele Spendengelder für ihn ein.

Während Hillary Clinton mit ihrer Erfahrung und rationalen Argumentationsweise zu punkten versuchte und vor allem ältere Wähler, Frauen, Wähler lateinamerikanischer Herkunft und die weiße Arbeiterschaft ansprach, glich Obamas Kampagne von Anfang an einer Bewegung, die bewusst an das Erbe John F. Kennedys und den Stil Martin Luther Kings anknüpfte. Kritiker sehen in diesem Stil Elemente der Great Awakenings und anderer charismatischer Strömungen in der amerikanischen Geschichte. Der Kandidat wurde dabei zur Projektionsfläche der Träume und Wünsche seiner Anhänger und musste dabei während der Vorwahlen inhaltlich nicht besonders konkret werden. Diese Defizite muss er jetzt im Wettbewerb mit McCain auszugleichen versuchen.

Offen war, inwiefern der lange innerparteiliche Machtkampf zwischen Obama und Clinton dem Sieger später, bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl, hinderlich sein würde. Während John McCain schon Anfang März 2008 als republikanischer Kandidat feststand, zogen sich die demokratischen Vorwahlen bis Juni hin. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, dass – nicht zuletzt wegen der starken Polarisierung innerhalb der Partei – viele verärgerte Clinton-Anhänger letztlich der Wahl fernbleiben, oder sogar für McCain stimmen würden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten stellten sich die Clintons allerdings mit zwei fulminanten Reden eindeutig hinter Obama, um die nötige Einheit der Basis wieder herzustellen. Glaubt man den Meinungsumfragen, hatten sie damit Erfolg.

Als running mate, also als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wählte Obama den 65 Jahre alten Senator Joe Biden. Zwei Motivationen scheinen hinter dieser Wahl zu stecken. Zum einen soll Biden als langjähriger Experte für Außen- und Sicherheitspolitik im Senat Obamas – im Vergleich zu McCain – geringere Erfahrung auf diesem Gebiet kompensieren und damit ein Argument der republikanischen Wahlkampagne aushebeln. Zum anderen hofft man, dass Biden die im Schnitt eher älteren, der weißen unteren Mittelschicht und Arbeiterschaft zugehörigen Anhänger Clintons anspricht, bei denen es Obama schwer hat. Viel wird von Obamas Fähigkeit zur Mobilisierung abhängen. Falls er es schafft, die während der Vorwahlen mobilisierten und dann neu registrierten Wähler zu bewegen, am Wahltag tatsächlich zur Wahl zu gehen, hat er gute Voraussetzungen für einen Wahlerfolg.

John McCain ist dagegen der Repräsentant eines ganz anderen Amerika, nämlich das der eher kleinstädtischen bzw. ländlichen, weißen und älteren Wählerschaft. Der 71-Jährige ist ein sicherheitspolitischer Experte mit langer außenpolitischer Erfahrung, der im Vietnamkrieg Gefangenschaft und Folter überstand und aufgrund seiner unorthodoxen und impulsiven Persönlichkeit und seiner politischen Unangepasstheit oft als „Maverick“ bezeichnet wird. Ehre und Patriotismus sind seine Leitmotive. In der Außenpolitik gilt er als Falke, der für eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte eintritt und im islamischen Extremismus die zentrale Bedrohung für den Westen sieht.

Vor dem republikanischen Nominierungsparteitag in St. Paul Anfang September überraschte er mit seiner Wahl der bis dahin völlig unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, als running mate. Die sozialkonservative Palin betrat die Bühne der nationalen Politik in St. Paul mit einem temperamentvollen und an uramerikanische Instinkte appellierenden Auftritt. Sie ist lebenslanges Mitglied der National Rifle Organisation, eine strikte Gegnerin von Abtreibung und bestreitet die menschliche Urheberschaft für den Klimawandel. Den Krieg im Irak sowie den Bau von Pipelines durch Naturschutzgebiete in Alaska hat sie als „gottgewollt“ bezeichnet. Zudem wird ihr das Image einer unerschrockenen Reformerin zugeschrieben, die in ihrem Staat mit korrupten Verhältnissen selbst in der eigenen Partei aufräumte und deshalb Zustimmungsraten von 80% und mehr erreichte. Dieses bisher positive Image von Sarah Palin unter konservativen Wählern gab der McCain-Kampagne einen kräftigen Schub.

Auf die eher liberale weibliche Klientel Hillary Clintons zielt die Wahl Palins wohl kaum. Eher soll sie die große Wählerschaft der Evangelikalen mobilisieren. Dieser Teil der republikanischen Basis steht McCain skeptisch gegenüber, da er aus ihrer Sicht zu liberale gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Als Senator hat er oft undogmatisch über Parteigrenzen hinweg für politische Projekte geworben, bei Themen wie der Einwanderung und der Abtreibung wird er als moderat eingeschätzt. Einerseits grenzt sich McCain mit seinem Image eines unorthodoxen Außenseiters bewusst von der unbeliebten Bush-Administration ab und führt eine Kampagne, als sei er der Kandidat einer oppositionellen Bewegung zu Stil und Inhalten der in Washington bisher betriebenen Politik. Andererseits benötigt er die religiös und gesellschaftspolitisch konservativen Wähler, um das republikanische Wählerpotenzial auszuschöpfen. Die Mobilisierung dieser Wählergruppen ist Palins Funktion.

Zwar nimmt Palin McCain weitestgehend die Möglichkeit, gegen Obamas mangelnde Erfahrung zu argumentieren. Andererseits – und dies scheint seit dem Parteitag der Republikaner die neue Strategie McCains zu sein – kann er sich mit ihrer Hilfe als eigentlicher Reformer geben, der in Washington aufräumen will. Populistische Angriffe gegen die liberalen Medien und „das Establishment“, in das auch Obama eingeordnet wird, sind dafür beliebte Mittel. Damit hat der Kandidat der seit acht Jahren regierenden Republikaner interessanterweise das Mantra des Change aufgenommen. Im Wahlkampf wird sich nun herausstellen müssen, ob der McCain-Kampagne diese Identifikation gelingen kann, oder ob Obama und sein Team es vermögen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass McCain tatsächlich nur „more of the same“ ist, also für weitere vier Jahre Bush-Politik steht.

Das zentrale Thema der Wahl ist dabei für die Amerikaner zweifellos die wirtschaftliche Lage. Die Immobilienkrise, die Krise an den Finanzmärkten steigende Arbeitslosigkeit und Benzinpreise sind für die meisten Wähler noch weit wichtiger als die Situation im Irak und in Afghanistan. Dies wurde bisher immer als ein Vorteil für Obama gesehen, bei dem die Wähler laut Umfragen eine größere ökonomische Kompetenz vermuten. Dementsprechend legt er großes Gewicht auf diese Themen. Seit dem Nominierungsparteitag der Republikaner hat McCain jedoch nicht nur insgesamt in den Umfragen aufgeholt – momentan liegt er knapp vorne –, er konnte auch den Abstand zu Obama auf dem Gebiet der Wirtschaft bedeutend verkürzen.

Ein Vorteil McCains ist sicherlich sein Image als starker Oberbefehlshaber. So könnte er angesichts der neuerlichen Konfrontationslage und zumal der Georgien-Krise von seiner traditionell kritischen Haltung gegenüber Russland profitieren. „Today, we are all Georgians“, wir alle sind heute Georgier, verkündete er am 12. August bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er erweckt damit in Anklang an J. F. Kennedys Rede in Berlin beim Wähler den Eindruck, als würde er Georgien gegen Russland verteidigen – ohne dies allerdings explizit auszudrücken. Jede weitere internationale Krise bis zum 4. November wird zweifellos McCains Chancen verbessern. Traditionell neigen die Amerikaner dazu, in außen- und sicherheitspolitischen Krisenzeiten eher konservativ zu wählen.

Im Moment sind keine seriösen Prognosen über den Wahlausgang möglich. Die Umfragen ergeben ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das bis zu letzten Moment andauern dürfte.

III. Besonderheiten des Wahlkampfes

Zu den Besonderheiten der diesjährigen Präsidentschaftswahlen gehört, dass sich entgegen gängiger Klischees in den Vorwahlen der beiden Parteien nicht die Kandidaten durchsetzten, die über das größte Privatvermögen verfügten und von Beginn an die Unterstützung des Parteiestablishments hatten, sondern eher untypische Charaktere. Mit dem Erfolg McCains als unangepasster Republikaner und Obamas als erster aussichtsreicher farbiger Kandidat hatte anfangs keiner gerechnet. Beide entsprechen nicht dem Zerrbild amerikanischer Politik in vielen Teilen der Welt. Die amerikanische Demokratie hat einmal mehr bewiesen, zu welcher Kraft sie fähig ist, sich ständig neu zu erfinden und eine Begeisterung für die Mitgestaltung der Politik zu wecken, die auch nach Europa ausstrahlt und für die USA viele neue Sympathie gewinnt.

Zugleich spielen Wahlkampfspenden dieses Mal eine noch größere Rolle als jemals zuvor in der amerikanischen Geschichte. Die Spendeneinnahmen beider Parteien dürften bereits über einer Milliarde US-Dollar liegen, während sie in den Jahren 2000 und 2004 noch für alle Kandidaten zusammen 335 Millionen bzw. 671 Millionen Dollar betrugen. Geld spielt also weiterhin eine überragende Rolle und zwingt die Kandidaten, große Energien in das fundraising zu investieren. Dabei war Obama bislang ungemein erfolgreich. Es gelang ihm, über seine Aktivisten und das Internet viele Kleinspenden einzuwerben und fast doppelt so viel Geld zu sammeln wie John McCain. Daher verzichtete er – anders als McCain - auf staatliche Wahlkampffinanzierung, da sie die Maximalausgaben eines Kandidaten im Hauptwahlkampf auf 84 Mio. US-D deckeln. Obama kann jedoch viel mehr an privaten Spenden einsammeln.

Die Bedeutung des Internets im diesjährigen US-Wahlkampf ist ein Trend, der sich auch bei uns durchsetzen könnte und der zu einer verstärkten Partizipation der Bevölkerung am Wahlprozess und an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. In den USA erreichen die Websites der Kandidaten und damit verbundene Funktionen, wie E-Mails, Blogs, Video-Podcasts und soziale Netzwerkseiten, bereits eine ungewöhnlich große Zahl vornehmlich junger Wähler. Insbesondere der Obama-Kampagne gelang es schon im Vorwahlkampf, das Internet schlagkräftig zur Mobilisierung der eigenen Anhänger und zur Einwerbung von Spenden einzusetzen. Monatlich besuchten zwei bis drei Millionen Menschen die Website Obamas. Die Seite des Republikaners John McCain kam auf wesentlich geringere Nutzerzahlen.

Religion spielt in amerikanischen Wahlkämpfen stets eine große Rolle. Während die Demokraten die evangelikalen Christen bei den Präsidentschaftswahlen von 2004 noch vernachlässigten und dafür abgestraft wurden, versuchen sie 2008, dieses Wählersegment stärker anzusprechen. Obama bedient die religiöse Grundstimmung in Amerika sehr effektvoll durch seinen pastoralen Redestil, der auffallend dem Martin Luther Kings ähnelt. Seine frühere Zugehörigkeit zur Trinity United Church of Christ in Chicago bereitete ihm aufgrund umstrittener Äußerungen des Pastors Jeremiah Wright allerdings auch Probleme. John McCain ist mit seinen gesellschaftspolitischen Ansichten sicher nicht der Wunschkandidat der evangelikalen Konservativen, dies kompensiert aber Sarah Palin an seiner Seite.

IV Was haben wir von der neuen US-Administration zu erwarten?

Was bedeuten nun eine Wahl Obamas oder McCains für Deutschland? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Bevölkerung Obama als Präsidenten klar bevorzugen würde. Mit Zustimmungsraten von 80% und mehr liegen sie sogar noch vor dem europäischen Durchschnitt von um die 70% und der 49-prozentigen Präferenz für Obama, die eine weltweite Umfrage der BBC in 22 Ländern kürzlich ergeben hat. Von einem Erfolg Obamas versprechen sich die Europäer zudem eher eine Besserung der transatlantischen Beziehungen als bei einem Wahlsieg McCains. Die Amerikaner schätzen dies übrigens ähnlich ein.

Die Bundesregierung nimmt zu recht eine neutrale Position ein. Sie könnte mit beiden im November zur Wahl stehenden Kandidaten gut zusammenarbeiten, und es entsprich auch deutschen Interessen, mit jedem Präsidenten, den das amerikanische Volk wählt, eng zusammenarbeiten zu können, denn die USA sind unser wichtigster Partner außerhalb der EU. John McCain ist der Kandidat mit der größeren außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung und dem ausgeprägteren Interesse an Europa. Obama ist derzeit Vorsitzender des Unterausschusses für europäische Angelegenheiten im Senat, er kennt Europa aber kaum. Im Wahlkampf spielen europäische Themen bislang keine Rolle, weil wir anders als in früheren Jahrzehnten nicht mehr im Zentrum einer Krisenregion leben. Beide Kandidaten versprechen jedoch eine größere Bereitschaft der USA, auf ihre Partner zuzugehen, ihre Standpunkte zu berücksichtigen und multilaterale Institutionen ernster zu nehmen, als dies bei der Bush-Administration der Fall war. Viele Europäer verbinden mit den Wahlen daher große Erwartungen und hoffen auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik, besonders unter einem Präsidenten Obama.

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten in den außenpolitischen Zielsetzungen weniger klar, als viele Europäer vermuten. Trotz aller Bekenntnisse zur Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit wird keine US-Administration dem Multilateralismus den gleichen Stellenwert einräumen wie es z.B. Deutschland tut. Vor allem aber wird der US-Kongress anders als unser Grundgesetz das Völkerrecht nicht von vornherein als übergeordnete Instanz anerkennen, die nationales Recht überlagert. Dem widersprächen nicht nur die verfassungspolitische Tradition, sondern auch der Weltmachtstatus und die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Weder McCain noch Obama werden die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein ausschließen, wenn es um die Durchsetzung und Verteidigung wichtiger amerikanischer Sicherheitsinteressen geht. Dies kann auch in Zukunft notfalls auch ohne die Unterstützung der Verbündeten geschehen.

Größere Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten werden in der Irakpolitik gesehen. Die demokratische Kongressmehrheit versuchte wiederholt, Präsident Bush auf ein Abzugsdatum für die US-Truppen festzulegen. McCain argumentierte schon früh für eine Aufstockung der Truppen, um die Gewalt im Irak einzudämmen und die Regierung in Bagdad zu stabilisieren. Auch gegenwärtig ist McCain für die „Fortsetzung der Bemühungen, den Krieg im Irak zu gewinnen“, während Obama für einen schrittweisen Abzug der Truppen und eine Übergabe der Verantwortung an die Iraker plädiert. Letzten Endes werden jedoch die konkrete militärische Situation und die Stabilität der irakischen Regierung für den Zeitplan des Truppenabzugs entscheidend sein und weniger die Absichtserklärungen im Wahlkampf.

Nicht erst seit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Georgien im vergangenen August gibt es eine kontroverse transatlantische Debatte um die Beziehungen zu Russland. John McCain und andere Republikaner fordern eine gemeinsame, harte Linie des Westens gegen ein von ihnen als revanchistisches wahrgenommenes Russland. So sollten die G-8 „wieder ein Klub führender Marktdemokratien“ werden. McCain plädiert für die Aufnahme Indiens und Brasiliens in die Staatengruppe, jedoch gleichzeitig für den Ausschluss Russlands und das Heraushalten Chinas. Dies würde eine gravierende Brüskierung zweier globaler Mächte bedeuten und wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik Washingtons, Peking und Moskau so weit wie möglich in die internationale Ordnung einzubinden. Obama äußert sich differenzierter zu Russland. Auch in seiner Partei werden jedoch zunehmend antirussische Stimmungen laut. Groß ist die Enttäuschung über die inneren Entwicklungen und das außenpolitische Auftreten des wieder erstarkten Russland.

So reagierten Politiker und Medien in den USA scharf auf das auch aus deutscher Sicht unverhältnismäßige Eingreifen Russlands in den Konflikt zwischen der Regierung in Tiflis und den abtrünnigen Gebieten Südossetien und Abchasien, die sich mittlerweile für unabhängig erklärten. Dabei gab es auch Vorwürfe gegen Europa und namentlich Deutschland, das sich beim letzten NATO-Gipfel gegen einen konkreten Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz ausgesprochen hatte und dem eine zu russlandfreundliche Haltung aufgrund einer angeblich zu großen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland unterstellt werden. Dabei ist aus meiner Sicht die Unterstellung, dass die deutsche Politik gegenüber Russland durch unsere Gas-Interessen bestimmt sei, eine ebenso verengte und damit falsche Sichtweise wie die, dass die amerikanische Politik gegenüber dem Irak nur durch Öl-Interessen bestimmt sei.

Die autoritären Tendenzen in Russland und ein zum Teil konfrontatives Verhalten gegenüber seinen Nachbarn sollten wir Deutsche kritisieren. Aber die EU und Russland sind direkte Nachbarn und bleiben in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen. Russland wird z.B. bei den Bemühungen um Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie bei der Stabilisierung von Krisenregionen dringend gebraucht. Es bleibt deshalb deutsche Politik, trotz aller berechtigten Kritik an russischer Rhetorik und russischem Verhalten für ein rationales und kooperatives Verhältnis zu Russland zu werben.

Die Besorgnis in den USA über den Wiederaufstieg Russlands und Chinas fand ihren Ausdruck auch in dem neuen außenpolitischen Konzept einer „Allianz der Demokratien“, das von McCain und auch von Beratern der Obama-Kampagne vorgeschlagen worden ist. Dabei geht es im Kern um die Idee, einen neuen institutionellen Rahmen für die demokratisch regierten Länder der Welt zu schaffen, damit diese besser bei der Bewältigung internationaler Sicherheitsprobleme kooperieren könnten. Dies soll besonders dann zur Geltung kommen, wenn die Vereinten Nationen aufgrund ihrer Entscheidungsprozesse gelähmt wären. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Legitimität, besonders beim Einsatz militärischer Macht, weniger aus der möglichst breiten Zustimmung der internationalen Gemeinschaft erwachse als aus der moralischen „Richtigkeit“ der Entscheidungen und der „inneren Legitimität“ demokratisch gewählter Regierungen. Es ist jedoch fraglich, nach welchen Kriterien über die Mitgliedschaft in dem neuen Bund entschieden wird. Provoziert man mit einer solchen Idee nicht neue Spannungen in der Welt, wenn man Staaten wie Russland und China aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschließt? Deren Unterstützung für die Bewältigung globaler Probleme wie des Klimawandels ist aber unerlässlich. Sollte sich dieses Projekt in der Regierungspolitik der neuen Administration wiederfinden, werden die Europäer hier Gesprächsbedarf haben und Widerspruch äußern.

Zudem herrscht im Kongress bei Republikanern und Demokraten eine sehr irankritische Haltung. Bei Abgeordneten beider Parteien gilt die Darstellung im Geheimdienstbericht National Intelligence Estimate vom Dezember 2007, laut dem Iran im Herbst 2003 sein Nuklearwaffenprogramm stoppte, als problematisch oder gar verharmlosend. Sie fordern die Administration auf, die Verbündeten zu mehr Druck auf Iran zu bewegen. Dazu gehören etwa Sanktionen gegen ausländische Firmen, die mit Iran Geschäftsbeziehungen unterhalten, und weitere Finanzsanktionen gegen Iran. Deutschland hat seine früheren engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bereits deutlich eingeschränkt. Wir sollten uns aber darauf gefasst machen, dass von der neuen Administration im Weißen Haus mit Unterstützung durch den Kongress sehr schnell Forderungen nach weiterem wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran kommen werden.

Weitere drängende internationale Probleme und regionale Krisen bleiben der transatlantischen Agenda unter der neuen US-Administration erhalten: die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus, ein Neubeginn in den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, die Verwirklichung einer Friedensordnung im Nahen Osten, die geopolitische und wirtschaftliche Herausforderung durch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Brasilien und die Konflikte in Afghanistan und Pakistan, auf dem Balkan, in Afrika und Asien. Langweilig wird die transatlantische Agenda der nächsten Jahre jedenfalls nicht. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten haben ihre Bereitschaft bekundet, ihre Verbündeten stärker in die Lösung solcher Konflikte einzubeziehen.

Zugleich werden sie aber auf eine aus US-Sicht gerechtere Lastenverteilung pochen. Auf Deutschland und andere europäische Staaten werden daher neue Forderungen nach der Übernahme militärischer und ziviler Aufgaben in Krisengebieten zukommen. Vor allem mit Blick auf (Süd-)Afghanistan dürfte sich der amerikanische Druck auf Deutschland und die EU, mehr für die gemeinsame Sicherheit zu leisten, noch verstärken. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue US-Administration auch mit der Bitte um Beiträge zur zivilen Stabilisierung des Iraks an die Verbündeten herantreten wird. Angesichts der erheblichen Skepsis in der deutschen öffentlichen Meinung gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedeutet dies – vor allem im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl - eine große Herausforderung für die Bundesregierung und den Bundestag.

Europa und die USA können aber neben den klassischen außenpolitischen Themen auch in vielen anderen Bereichen noch enger kooperieren. Die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft, die Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sichert, bietet dafür gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Weltkonjunktur und von Turbulenzen auf den Finanzmärkten große Chancen. Die EU und die USA sollten die im Frühjahr 2007 beschlossene Vertiefung dieser Zusammenarbeit im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats verstärken. Streitigkeiten über Details wie das Importverbot von chlorbehandeltem Geflügelfleisch durch die EU sollten baldmöglichst beigelegt werden. Hinderlich für die Handelsbeziehungen sind auch zunehmende protektionistische Reflexe in der amerikanischen Bevölkerung und im Kongress. Diese werden vor allem von der demokratischen Basis und damit auch von Barack Obama aufgegriffen, während der Republikaner McCain weiterhin den Freihandel verteidigt.

Ich hoffe, dass wir auch unsere Zusammenarbeit in einer Reihe klassischer innenpolitischer Problemstellungen intensivieren können. Dazu gehören Themen wie eine bezahlbare, allgemeine Krankenversicherung (45 Millionen Amerikaner sind unversichert), der Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, einschließlich des Verlustes industrieller Arbeitsplätze an Billiglohnländer, der Kaufkraftverlust für die Mitteklasse und Probleme mit Armut und Dumpinglöhnen inmitten unserer wohlhabenden Gesellschaften. Auch hier können wir von einander lernen und sollten vor allem vermeiden, uns gegenseitig mit protektionistischen Maßnahmen zu schaden.

Von großer Relevanz für die Zukunft unserer Gesellschaften ist der Themenkomplex Klimaschutz und Energiesicherheit. Während sich die EU ehrgeizige Reduktionsziele für Treibhausgase setzt, hat sich die Bush-Administration zu Beginn mit dem Thema schwer getan. Sie lehnte eine verbindliche Begrenzung von CO2-Emissionen ab, solange große Schwellenländer wie China und Indien, die einen immer größeren Anteil an den Emissionen haben, nicht ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Mittlerweile hat sich jedoch auch in den USA die Diskussion verändert. Eine Reihe von Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Florida, haben eigene Gesetze zur Begrenzung von Treibhausgasen und zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben sich für verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz ausgesprochen, so dass der Boden für eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit nach den Wahlen fruchtbar ist. Minister Steinmeier wird Ende September bei einer Konferenz in Berlin gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen Gabriel und amerikanischen Gästen den Startschuss zu einer neuen transatlantischen Initiative zu diesem wichtigen Zukunftsthema geben.

Bei allen genannten Themen bleibt die transatlantische Partnerschaft die notwendige Vorbedingung für Problemlösungen. Zwar müssen in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt auch viele andere Partner eingebunden werden, doch ohne die enge Kooperation zwischen den USA und Europa wird es keine Fortschritte bei der Bewältigung der drängenden Probleme unserer Zeit geben. Für die Europäer bleiben die USA der wichtigste Partner, und auch amerikanische Politiker wissen, dass die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Werte mit keiner anderen Region der Welt so groß ist wie mit Europa. Die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen bieten einen guten Anlass, um dieser Partnerschaft neuen Schwung zu verleihen. Dabei werden auch Unterschiede in den Meinungen und außenpolitischen Ansätzen zwischen Europa und den USA bestehen bleiben. Amerikaner und Europäer sollten lernen, mit solchen Differenzen gelassen umzugehen und aus Widersprüchen gemeinsame, konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Karsten D. Voigt ist seit 1999 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

15 September 2008

Rauchen als Krankheit

Deutschland, 15.09.2008 – Vor dem Hintergrund der heutigen Expertenanhörung der Bundesregierung fordert die Bundesärztekammer eine Anerkennung von Tabakabhängigkeit als Krankheit. „Eine Bewertung als Lifestyle-Problem, das durch reine Willensanstrengungen oder Gruppengespräche zu beheben wäre“, werde dem Problem nicht gerecht, heißt es in der Stellungnahme. Es soll laut den „Ruhr Nachrichten“ über Nationale Aktionsprogramme zur Tabak- und Alkoholprävention beraten werden.

Laut dem Blatt will die Bundesärztekammer auch, dass vor allem an Haupt- und Berufsschulen mehr über die Gefahren von Rauchen aufgeklärt wird. Es werde verkannt, dass Raucher Abhängigkeitserkrankte seien. +wikinews+

14 September 2008

Bürgerkriegsähnliche Zustände in Bolivien

Cobija (Bolivien), 14.09.2008 – Bei schweren Angriffen auf Anhänger des linksgerichteten Präsidenten Boliviens, Evo Morales (MAS), sind im Departamento Pando nach offiziellen Angaben mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. Inzwischen hat die Regierung die Festnahme des Gouverneurs der Provinz, Leopoldo Fernández, angeordnet. Das Innenministerium macht ihn für das „größte Massaker während der Demokratie in Bolivien“ verantwortlich. Auf internationaler Ebene hat die Krise in Bolivien für Spannungen zwischen einigen lateinamerikanischen Staaten und den USA geführt.

Die Regierung von Evo Morales versucht die Kontrolle über im Tiefland gelegene Provinzen zurückzugewinnen, in denen es Autonomiebestrebungen gibt. So wurde am Freitag für Pando der Ausnahmezustand bzw. das Kriegsrecht verhängt, was die Entsendung von Truppen zur Folge hat. Weil sich der Gouverneur dieser Provinz dem Ausnahmezustand widersetzt haben soll, will ihn die Regierung verhaften lassen. Evo Morales wirft Leopoldo Fernández laut „BBC News“ vor, ausländische Schläger bezahlt zu haben, um Bauern anzugreifen, die als MAS-Unterstützer bekannt sind. Leopoldo Fernández soll inzwischen nach Brasilien geflohen sein.

Zum bisher schlimmsten Vorfall war es am Donnerstag gekommen, als indigene Bauern auf dem Weg zu einer Demonstration von Regierungsgegnern getötet worden waren. Mindestens 14 Menschen sind unterschiedlichen Medienberichten dabei ums Leben gekommen, darunter 13 Morales-Anhänger. „Die Arbeiter sind kaltblütig niedergeschossen worden und nicht bei den Zusammenstößen ums Leben gekommen“, sagte Innenminister Alfredo Rada einer Agenturmeldung zufolge. Bewaffnete Paramilitärs haben Medienberichten zufolge das Feuer auf die Bauern eröffnet, nachdem sie durch eine Straßenblockade angehalten worden waren.

Zwei weitere Menschen starben, als das Militär den Flughafen der Provinzhaupstadt Cobija geräumt hat, den Regierungsgegner besetzt hatten. Außerdem haben Regierungsgegner Erdgaslieferungen an Argentinien und Brasilien sabotiert, sowie Regierungsgebäude beschädigt.

Hintergrund

Die Departments Pando, Santa Cruz, Beni, Tarija und Chuquisaca, die zusammen „Media Luna“ (Halbmond) genannt werden, werden von konservativen Politikern regiert, die in Opposition zur Zentralregierung in La Paz stehen. Die Gouverneure dieser im Süden und Osten Boliviens gelegenen und vergleichsweise wohlhabenden Provinzen haben sich zu einem „Demokratischen Nationalrat“ zusammengeschlossen und wollen sich der Politik von Evo Morales widersetzten. Der in den Medien als „ethnisch gefärbter Sozialismus“ des Präsidenten kommt hauptsächlich der seit Jahrhunderten benachteiligten indigenen Bevölkerung zugute, die mehrheitlich im bolivianischen Hochland lebt. Im Flachland leben dagegen mehr Nachfahren europäischer Einwanderer.

Ein Schlüsselprojekt des Präsidenten ist eine Verfassungsreform. Durch diese sollen die armen Regionen des Landes eine größere Teilhabe an den Ressourcen des Landes gewinnen. Konkret geht es um die Umverteilung der Einnahmen aus der Erdgasförderungen und eine Landreform. Über die neue Verfassung soll in einem Referendum entschieden werden. Die oppositionellen Gouverneure fordern ihrerseits mehr eigne Kontrolle über das Erdgasgeschäft.

Der zuletzt begonnene Dialog zwischen der Regierung in La Paz und den oppositionellen Gouverneuren ist nach der Zuspitzung der Lage in Gefahr. Die Gouverneure haben weitere Gespräche an Bedinungen geknüpft. So solle es „keine weiteren Opfer durch staatliche Gewalt“ mehr geben. Außerdem wollen die Gouverneuere, dass auch Leopoldo Fernández an einem Treffen mit der Regierung in Cobija teilnimmt.

Internationale Reaktionen
Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Bolivien, die bei dem Journalisten Gerhard Dilger Erinnerungen an die Situation vor dem blutigen Staatsstreich gegen Salvador Allende in Chile vor genau 35 Jahren wachrufen, haben international zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet hat für Montag eine Krisensitzung der Union Südamerikanischer Nationen einberufen, auf dem eine „demokratische Lösung“ gefunden werden soll.

Am Mittwoch in der letzten Woche hatte Morales den US-Botschafter in Bolivien, Philip Goldberg, zur Persona non grata erklärt und des Landes verwiesen. Dieser habe, so Morales, Proteste gegen seine Regierung geschürt und sei an einer „Verschwörung gegen die Demokratie“ beteiligt. Zuletzt hatte Morales die Abberufung des Botschafters vor Reportern in La Paz begründet: Die Aktion sei Ausdruck des Kampfes der indigenen Bevölkerung nicht nur in Bolivien sondern in allen Teilen Lateinamerikas, die in den letzten 500 Jahren gegen die Imperien der jeweiligen Zeit gekämpft hätten.

Als Reaktion hatte die USA den Schritt Bolivien als „schweren Fehler“ bezeichnet und ihrerseits den bolivianischen Botschafter in Washington geboten, die Koffer zu packen. Auch die Sanktionen gegen Venezuela wurden verschärft.

Anschließend zeigten sich einige südamerikanische Politiker solidarisch mit Evo Morales. Der venezolnaische Präsident Hugo Chávez, ein enger Verbündeter des bolivianischen Präsidenten, verwies den US-Botschafter in Caracas des Landes. Am Freitag ordnete Manuel Zelaya, der Präsident von Honduras an, die Berufung eines neuen US-Botschafters in Honduras vorerst zu stoppen.

Ebenfalls aus Solidarität mit Morales lehnte Daniel Ortega, der Präsident Nicaracus, eine Einladung von US-Präsident Bush für ein gemeinsames Treffen ab. In einer Stellungnahme warf Ortega Washington laut Nachrichtenagentur AP vor, zu versuchen, einen Sturz der Regierung in Bolivien anzufachen. +wikinews+

13 September 2008

Ex-NPD-Bundesschatzmeister verurteilt

Münster (Deutschland), 13.09.2008 – Der frühere NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna wurde am 12. September 2008 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der langjährige Schatzmeister der NPD, der die Partei in 80 Fällen um insgesamt 741.000 Euro betrogen hatte, legte ein Geständnis ab. Kemna hatte eine komplette Vollmacht über die Parteikasse der NPD. „Eine Kontrolle durch die Partei fand praktisch nicht statt“, sagte der Staatsanwalt zu Beginn des Prozesses. Auch der Parteivorsitzende, Udo Voigt, bestätigte dies.

Von seinem Anwalt ließ Kemna erklären, er habe das Geld gebraucht, um die finanzielle Situation seiner Firma Wiechmann Küchen GmbH zu verbessern und nicht um der NPD schaden zu wollen. Ursprünglich hatte der Staatsanwalt nach der nur vier Stunden dauernden Verhandlung eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Das Gericht hatte allerdings schon am frühen Vormittag verkündet, nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe aufzuerlegen, wenn Kemna ein Geständnis ablegen würde und sich als schuldig bekennt.

Begonnen hatten die Ermittlungen gegen ihn im Februar diesen Jahres. Kemna wurde seither vorgeworfen, die Parteikasse der NPD in mehr als 80 Fällen um Geld erleichtert zu haben, welches er über Umwege auf Privatkonten und die Konten seiner Firma Wiechmann Küchen GmbH schiffte. Von Anfang an hielten einige Vertreter der NPD das ganze für eine inszenierte Intrige durch das „System“ gegen die NPD. Beispielsweise ließ Udo Voigt, seines Zeichens Parteivorsitzender der NPD, keine Zweifel daran zu, dass Kemna unschuldig sei. Die Situation für Kemna hatte sich seither nicht verbessert. Das zuständige Gericht lehnte jede Bitte um die Freilassung Kemnas aus der Untersuchungshaft strikt ab, da immer noch Flucht- und Verdunkelungsgefahr bestanden hätte.

Der Vorfall hat der NPD enorm geschadet. Finanziell steht die NPD nicht besonders gut da, der Parteivorsitzende Udo Voigt bat wiederholt mehrere Mitglieder um Almosen für die Parteikasse. Als dann mehrere hunderttausend Euro verschwanden, stellte sich die Parteiführung erst völlig hinter den möglichen Schuldigen, ohne irgendwelche Untersuchungen abzuwarten. Später sagte die Parteiführung zu, eine Untersuchungskommission, geleitet von Jürgen Rieger, damit zu beauftragen, den Fall parteiintern aufzuarbeiten. Beim Bundesparteitag im Mai verkündete Rieger dann, es spreche mehr gegen als für Kemna.

Blickt man in die Zukunft, könnte der Vorfall der „nationalen Partei“ noch mehr schaden, denn in den jüngsten Rechenschaftsberichten ist die Partei erstmals in die roten Zahlen gerutscht. Auch ein Wechsel an der Spitze kündigt sich an. Der derzeitige Vorsitzende Udo Voigt hob erst kürzlich die positiven Taten Kemnas hervor und nannte ihn einen „guten Kameraden“. Nun droht Voigt eventuell das Aus als Parteivorsitzender.

Ursprünglich sollte der Prozess acht Tage andauern, wurde allerdings unerwartet bereits am ersten Tag durch das volle Geständnis Kemnas beendet.

+wikipedia+ 

11 September 2008

Wirbelsturm Ike traf auf Kuba

Havanna (Kuba), 11.09.2008 – Der Hurrikan „Ike“ befindet sich auf dem Weg Richtung amerikanisches Festland, nachdem er zuvor auf Kuba gewütet hatte. Amtlichen Angaben zu Folge sind dabei vier Menschen ums Leben gekommen, sieben wurden verletzt.

Für kommenden Samstag wurde die Ankunft von „Ike“ für den US Bundesstaat Texas vorhergesagt, wo Präsident Bush vorsorglich den Notstand ausgerufen hat.

Am Sonntagabend erreichte der Wirbelsturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 215 Stundenkilometern zum ersten Mal die kubanische Ostküste. Am Dienstag traf Ike erneut auf die Küste und verursachte schwere Schäden im ganzen Land. Noch am Mittwoch bestand in den westlichen Provinzen Matanzas, Havanna, Piñar del Rio sowie auf der Isla de la Juventud Sturmwarnung. Erst Ende August hatte der Hurrikan „Gustav“ Kuba heimgesucht und dabei rund 100.000 Häuser zerstört.

In Haiti hat „Ike“ 66 Menschen das Leben gekostet. Nach Angaben der Vereinten Nationen befinden sich dort etwa 800.000 Menschen in Notunterkünften. Zuvor zog der Sturm über die britischen Turks- und Caicosinseln, wo er 80 Prozent aller Wohnhäuser beschädigt hatte. +wikinews+

Synthetische Drogen befinden sich weiter auf dem Vormarsch

Wien (Österreich), 11.09.2008 – In einem am vergangenen Dienstag veröffentlichten Bericht warnt die UN-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) vor dem wachsenden Missbrauch synthetischer Drogen vor allem in den Entwicklungsländern.

Demnach meldete 2006 fast jedes zweite asiatische Land einen Anstieg. In Saudi-Arabien wurden 12 Tonnen sogenannter amphetamin-typische Stimulatoren (ATS) beschlagnahmt, was ein Viertel aller derartigen sichergestellten Drogen weltweit darstellt. Ein Jahr später erhöhte sich die Menge auf 14 Tonnen. Die Zahl der in Südafrika entdeckten Labore, die zur Herstellung solcher Drogen genutzt wurden, sei seit den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gestiegen, ebenso der Konsum der dortigen Bevölkerung.

Der Markt solcher Drogen wird auf inzwischen 65 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt und habe die Ausmaße von Kokain und Heroin längst überschritten. Die Weltproduktion habe sich auf etwa 500 Tonnen pro Jahr eingependelt. Jedoch sei auch eine Verlagerung der Herstellung in die Nachbarländer von USA und Westeuropa zu verzeichnen gewesen.

Antonio Maria Costa, Direktor von UNODC, warnte vor den gesundheitlichen Folgen und davor, dass „synthetische Drogen fälschlicherweise als harmlose Pillen wahrgenommen werden, die weder Töten, noch HIV/AIDS verursachen.“

Im australischen Melbourne wurde Ende Juni des vergangenen Jahres mit 4,4 Tonnen Ecstasy sichergestellt, was die bisher größte gefundene Menge synthetischer Drogen auf einen Schlag war. Die 15 Millionen Pillen seien von Italien aus in mehr als 3000 Dosen verpackt als Tomaten deklariert worden. +wikinews+

10 September 2008

Die SPD im Richtungsstreit

"Richtungsstreit" - den gab es immer. Allenfalls gegen den Nationalsozialismus war die Sozialdemokratie geeint, denn verfolgt, mit Ausnahme derer, die kuschten. Auch das Godesberger Programm (1959) machte die Partei-Linke nie glücklich. Und im Nachhinein wundert doch eher, dass die Spaltung in Reformisten-Partei und gewerkschaftlich-sozialistischer Lobbyisten-Partei so spät kam.
Die einzig halbwegs plausible Erklärung dafür ist, dass in Anbetracht des "real-existierenden Sozialismus" jenseits der Mauer kaum jemand Lust auf Sozialistisches haben konnte. Das hielt die Sozialdemokraten parteilich zusammen.

Das weitere Schicksal der SPD hängt von der Sozialen Frage ab, also ob sie die Wirtschaft glaubwürdiger als die Unionsparteien sozialen Belangen verpflichten kann oder zwischen den drei Mühlsteinen kleingerieben wird: dem Wirtschaftsopportunismus der Unionsparteien, dem Gewerkschaftslobbyismus der Linkspartei, den Öko-Themen der GRÜNEN.

Es darf in einem Mehrparteiensystem auch kein Drama sein, wenn Leute ihre Parteibücher tauschen. Auch hin und her. Das müsste viel öfter sein. Beispielsweise Frau Nehles, wenn Beck ihr richtiger war, weil sie bei ihm mehr Spielwiese hatte. Ihr durfte nicht gleichgültig sein, dass mit Beck kein Staat zu machen war.

Es kann durchaus werden, dass am Ende das "Willy-Brandt-Haus" drei Nummern zu groß geraten ist ("Räume mieten") oder die SPD müsste es sich mit der Linkspartei teilen.
Mit dem "Konrad-Adenauer-Haus" sähe es kaum besser aus, wenn es allein auf sinkende Mitgliederzahlen ankäme, aber mit "Jetzt spenden!" tun sich die Unionsparteien in den dafür effizientesten Kreisen deutlich leichter als die SPD bei ihren aussterbenden Kohlekumpeln.

Doch vorerst sind die Karten anders gemischt. Die SPD ist die zweitstärkste Partei und steht mit Steinmeier jetzt besser da als mit Beck.

-markus rabanus- >> Diskussion

Teilchenbeschleuniger in Betrieb: Feier statt Weltuntergang

Genf (Schweiz), 10.09.2008 – In Genf hat heute der größte Teilchenbeschleuniger der Welt, der Large Hadron Collider, seinen Betrieb aufgenommen. Zuständig waren die Wissenschaftler an der Kernforschungsanlage CERN. Der Bau der Anlage hat insgesamt drei Milliarden Euro gekostet. Am ersten Tag wurde der Beschleuniger getestet, in wie weit ein Proton eine 27 Kilometer lange Runde drehen kann, die in einer 100 Meter tiefen Vacuumröhre absolviert wird. Später dann sollen bei hoher Energie und 99,9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit Teilchen aufeinanderprallen.

Kritiker wie etwa der Tübinger Chaosforscher Otto Rössler befürchten, dass nach der geplanten Kollision der Teilchen ein schwarzes Loch entstehen könne, durch das die Erde ernsthaft in Gefahr geraten könne. Die Veröffentlichung dieser Theorie hatte für großes Aufsehen gesorgt, so dass die CERN-Wissenschaftler bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit in die Defensive geraten waren. +wikinews+ >> Diskussion

OSZE kritisiert Verlauf der Parlamentswahl in Georgien

Warschau (Polen), 10.09.2008 – Der gestern veröffentlichte Abschlussbericht des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert den Verlauf der Parlamentswahl in Georgien, die am 21. Mai dieses Jahres stattgefunden hat. Die Abschlussbericht ist damit wesentlich kritischer als eine frühere Stellungnahme der OSZE zur georgischen Parlamentswahl.

Das Fazit des Vorabberichts lautete: „Insgesamt boten die Wahlen den georgischen Bürgern die Chance, ihre Volksvertreter aus einer großen Auswahl zu wählen. Die Behörden und die politischen Machthaber haben sich darum bemüht, dass die Wahlen den Anforderungen der OSZE und dem Europarat entsprechend ablaufen.“ Nun heißt es im Abschlussbericht, bei der Wahl seien Probleme identifiziert worden, wodurch diese Vorgaben nur unvollständig erfüllt worden seien. Der Bericht ist unter anderem deshalb brisant, weil die US-Regierung Georgien nach dem kurzen Krieg mit Russland im letzten Monat als „junge couragierte Demokratie“ bezeichnet hat. Laut „Reuters“ zeichnet Russland von Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili dagegen das Bild eines „kriegslüsternen Tyrannen“.

Der OSZE-Bericht kritisiert eine Änderung des georgischen Wahlrechts, die zwei Monate vor der Wahl in Kraft getreten ist. Bei der Änderungen seien einige Empfehlungen der OSZE berücksichtigt worden, einige aber auch nicht. Insbesondere wird kritisiert, dass das neue Wahlrecht Elemente enthalte, die die regierende Partei, die Vereinte Nationale Bewegung (ENM) von Präsident Micheil Saakaschwili, begünstigten. Außerdem werde das Prinzip der Stimmengleichheit durch zu große Unterschiede bei der Wahlkreiseinteilung untergraben. Des Weiteren wirft die OSZE der georgischen Wahlkommission vor, mit den Wahlbeobachtern nicht kollegial zusammengearbeitet zu haben. Der Prozess der Registrierung der Kandidaten wird dagegen als transparent gelobt.

Alles in allem sei es für alle Parteien, so der OSZE-Bericht, möglich gewesen, Wahlkampf zu betreiben. Jedoch wurden Behinderungen der Wahlkampfaktivitäten von Oppositionsparteien registriert. Auch seien die Grenzen von Staat und Regierungspartei nicht immer deutlich zu erkennen gewesen. Einige Vertreter des Staates hätten ihre offiziellen Pflichten mit einem Wahlkampfengagement für die ENM vermischt. Trotz Anerkennung für die TV-Medien, die es den Wählern ermöglicht hätten, eine wohlüberlegte Wahlentscheidung zu treffen, kritisiert die OSZE die TV-Berichterstattung zur Wahl, wobei sie das staatliche Fernsehen von der Kritik ausnimmt. So seien die Berichte in den meisten Sendern unausgewogen gewesen.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine Stelle aus dem OSZE-Bericht, in der davon berichtet wird, dass in einem der schwersten Fälle ein Oppositionskandidat von Unbekannten angegriffen wurde. Dabei habe er sich ein Bein gebrochen. Insgesamt seinen mindestens sechs Oppositionspolitiker, die mit juristischen Mittel gegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl vorgehen wollten, geschlagen worden.

Aus Protest gegen angeblichen Wahlbetrug hatten die Oppositionsparteien die erste Sitzung des neu konstituierten Parlaments im Juni boykottiert. Micheil Saakaschwili sprach trotz der Kritik von einer freien und fairen Wahl.

Unterdessen ist die konservative georgische Partei „Neue Rechte“ aus dem Burgfrieden ausgeschert, der seit dem Kaukasus-Konflikt 2008 in der georgischen Politik geherrscht hat. Während sich die Opposition bisher mit Kritik am Präsidenten zurückgehalten hat, fordert die „Neue Rechte“ seit gestern den Rücktritt von Micheil Saakaschwili. David Gamkrelids, der Parteivorsitzende, begründete die Forderung damit, dass Saakaschwili „ohne Vernunft, eigenmächtig und verantwortungslos die Entscheidung zur Bombardierung Zchinwalis“ getroffen habe. Der Präsident sei, so Gamkrelids, Schuld daran, dass Georgien die Kontrolle über die abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien nun vollständig verloren habe. Agenturmeldungen zufolge will David Gamkrelids das weitere Vorgehen mit den anderen Oppositionsparteien abstimmen. +wikinews+

09 September 2008

Russlands UNO-Resolution fordert Militär-Embargo ggü. Georgien

Russland unterbreitete dem Weltsicherheitsrat einen Resolutionsvorschlag ein, wonach gegen Georgien wegen des Angriffs auf Südossetien ein umfassendes Waffenembargo verhängt wird. Zudem müsse die Ausbildungshilfe für georgische Militärs beendet werden.
Der Resolutionsentwurf hat wenig Aussicht auf Erfolg und dürfte am Veto mindestens der USA scheitern. Möglicherweise legen auch Großbritannien und Frankreich Veto ein, denn die EU/NATO beschloss unlängst, den Krieg auf seine Schuldigen hin untersuchen zu wollen.

Möglicherweise will man in NATO-Kreisen darauf hinaus, Russland in die Mitverantwortung für den Krieg zu nehmen, was allemal im Hinblick darauf gelingen könnte, dass Russland den Separatismus Südossetiens und Abchasiens propagandistisch, geheimdienstlich und militärisch förderte.

Nichtsdestotrotz sollte der Einmarsch Georgiens in Südossetien eine ausreichende Eskalationsschuld darstellen, um Georgien die militärische Zusammenarbeit auszusetzen.

(msr) 

Wikinews: Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan gestiegen

Kabul (Afghanistan), 09.09.2008 – Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat gestern einen Bericht veröffentlicht, wonach sich die Zahl der zivilen Opfer, die bei Luftangriffen der US- und NATO-Truppen in Afghanistan ums Leben gekommen sind, zwischen 2006 und 2007 beinahe verdreifacht hat. Für dieses Jahr wird eine noch höhere Zahl erwartet. Die Vorwürfe vom HRW richten sich nicht nur gegen die US- und NATO Truppen im Land, sondern auch gegen die Taliban und deren Einsatz von menschlichen Schutzschildern.

Einer HRW-Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass die Menschenrechtsorganisation die Präsenz der Soldaten in Afghanistan nicht prinzipiell ablehnt. Sie stellt aber fest, dass die steigende Zahl an zivilen Opfern die Versuche, die Zustimmung der Bevölkerung für die multinationalen Truppen und deren Bemühungen um Sicherheit zu gewinnen, untergrabe. Laut dem HRW-Bericht hat sich nach einer Strategieänderung im Sommer 2007 die Zahl der zivilen Opfer verringert. Zuvor war das Thema unter anderem in Folge eines Luftangriffs auf eine Hochzeitsfeier am 6. Juli 2007 in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt worden.

Die meisten zivilen Opfer gibt es laut HRW-Bericht nicht in Folge von geplanten Luftangriffen, sondern, wenn es zur Unterstützung der Bodentruppen in Notfallsituationen zu ungeplanten Angriffen aus der Luft komme. 2006 starben im Afghanistan-Krieg, so HRW, 929 Zivilisten; 2007 waren es mindestens 1.633. In einem Interview mit „Democracy Now“ erklärt die Afghanistan-Korrespondentin von Associated Press, Kathy Gannon, diesen Sachverhalt wie folgt: Die internationalen Truppen müssten sich oft dafür entscheiden, die Leben ihrer eigenen Soldaten mit Luftangriffen auf Kosten der Zivilbevölkerung zu schützen. Auch der afghanische Präsident Hamid Karzai habe gesagt, das Ausmaß der Luftschläge müsse verkleinert werden oder es dürfe nur noch strategisch geplante Luftangriffe geben.

Im Zusammenhang mit den zivilen Opfern übt HRW deutliche Kritik an der US-Regierung. Anstatt die Vorfälle gründlich zu untersuchen, streite sie die Verantwortung zumeist sofort ab und mache ausschließlich die Taliban für die toten Zivilisten verantwortlich. Wenn es zu Untersuchungen komme, seien diese unilateral und intransparent. +wikinews+

KOMMENTAR

Das dürfte nicht einfach nur "Zahl der Opfer gestiegen", sondern müsste "Zahl der Kriegsverbrechen gestiegen" heißen, denn passieren kann es nur, wenn die Besatzungstruppen die Order zum Töten statt zur Gefangennahme haben.

+msr+

Ballerhorn Ronald Pofalla, geb. 1959 in Weezen

Es muss mal gesagt werden: Ronald Pofalla ist unsympathisch und sollte sich ändern, wenn er das ändern möchte.
Sobald er ein Mikro greifen kann, spult er seine Schwarz-Rot-Sprüche ab, mäkelt volldeppert gegen den Koalitionsparnter SPD, die endlich ihren Beck zurück in die Provinz schickte, weil auch er zu wenigen Leuten gefiel, ob zurecht, unfair oder als ein nur zu gut getarntes Polit-Genie verkannt - das dürfte auch Pofalla irgendwann passieren.
Es gibt allemal genug Unionswähler, denen die Demokratie genehmer ist, wenn ihnen auch in den anderen Parteien Politiker besser gefallen.

@Herr Ronald Pofalla, ziehen Sie Erkundigungen ein, wie es um Ihre Wertschätzung bestellt ist. Vielleicht ändert sich dann Ihr Stil in Richtung Besonnenheit.
-msr-