14 Juni 2007

Neue EU-Richtlinie für Versicherungsvertreter in Kraft

Mainz (Deutschland), 14.06.2007 – Der Fernsehsender ZDF berichtet in seiner Fernsehsendung „WiSo“ (Wirtschaft + Soziales) vom 22.05.2007 in einem Interview mit Manfred Westphal, welcher Fachbereichsleiter für Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Berlin ist, von einer Neuregelung des Versicherungsvermittlergesetzes.

Das Ziel werde durch die deutsche Ausführung des Gesetzes nicht ausreichend erreicht. Durch zu viele Ausnahmen sei nicht sichergestellt, dass alle Versicherungsvermittler wirklich den Nachweis der Sachkunde erbringen. Westphal warnte davor, irgendwelche Befreiungsregeln durch Ausfüllung einer Verzichterklärung wirksam werden zu lassen, da genau dieses das System aushöhlen könne.

Rückblick: Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrecht ist am 22. Dezember 2006 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. Teil I Nr. 63, 22. Dez. 2006,Seite 3232). Mit dem Gesetz wird die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung umgesetzt. Die Richtlinie zwang die Bundesregierung, selbige in geltendes Bundesrecht umzusetzen, was sich aufgrund schleppender Gesetzgebungsverfahren bis ins 1. Halbjahr 2007 hinauszögerte. Das neue "Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts" ist nun seit 22. Mai 2007 in Kraft. +wikinews+

12 Juni 2007

Mehr als ein Dutzend Verletzte bei Bombenexplosion in Istanbul

Istanbul (Türkei), 12.06.2007 – Bei einem Bombenanschlag sind am Sonntag in Istanbul mindestens 14 Menschen verletzt worden, einer davon schwer. Die Explosion ereignete sich in einer Geschäftsstraße im europäischen Stadtbezirk Bakirköy, in der Nähe des Flughafens. Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu ist der Sprengsatz unter einer Sitzbank deponiert worden.

Erste Erkenntnisse über die Bauart des Sprengsatzes deuteten auf kurdische Extremisten hin, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK distanzierte sich in einer Stellungnahme jedoch ausdrücklich von der Tat.

Istanbuls Polizeichef Celalettin Cerrah wies jede Spekulationen über die Täter zurück. „Wir wissen noch nicht, welche Art von Bombe es war“, sagte er vor Journalisten. Ermittler vermuten jedoch, dass der Sprengkörper selbstgebaut und eher zu dem Zweck hergestellt wurde, Menschen zu erschrecken als sie zu verletzen. Diese Art von Sprengkörpern sei schon mehrfach von linksextremen Gruppen verwendet worden.

Die türkischen Behörden haben vor Anschlägen während des Wahlkampfs zur Parlamentswahl am 22. Juli gewarnt. Die Armee hat zudem in jüngster Zeit ihr Vorgehen gegen die PKK-Separatisten im Südosten verstärkt. Die Spannungen verschärften sich nicht zuletzt wegen Gerüchten, die Türkei habe ihre Angriffe auf kurdische Rebellen auch auf angrenzende Gebiete im Nordirak ausgeweitet.

In der vergangenen Woche fand in Istanbul die jährliche internationale Bilderberg-Konferenz statt, die von Demonstrationen in Istanbul begleitet wurde. Die Konferenz wird seit Jahrzehnten mit Argwohn von linken Gruppen betrachtet. ++

11 Juni 2007

Äthiopien: Gericht spricht 38 Oppositionspolitiker schuldig

Addis Abeba (Äthiopien), 11.06.2007 – Im Zusammenhang mit gewaltsamen Unruhen nach den Parlamentswahlen im Mai 2005 hat ein äthiopisches Gericht heute 38 Oppositionspolitiker für schuldig erklärt. Dies berichten verschiedene Nachrichtenagenturen unter Berufung auf lokale Medien. Den Politikern wird vorgeworfen, die Verfassung gebrochen zu haben.

Laut Reuters begann der Prozess gegen 131 Aktivisten aus der Zivilgesellschaft, Oppositionspolitiker und Journalisten im Dezember 2005. Inzwischen wurden 45 Personen freigesprochen und 36 in Abwesenheit verurteilt. Den Angeklagten sei unter anderem Hochverrat, Anstiftung zu Gewalt und versuchter Völkermord vorgeworfen worden. Den umstrittenen Anklagepunkt „versuchter Völkermord“ hatte der zuständige Richter fallen lassen. In einem anderen Verfahren waren 55 Mitglieder der oppositionellen „Coalition for Unity and Democracy“ wegen Beteiligung an einem bewaffneten Aufstand angeklagt. Sollten die Angeklagten im aktuellen Prozess tatsächlich rechtskräftig verurteilt werden – was Reuters zufolge im nächsten Monat (laut „metimes.com“ und AP am 8. Juli) geschehen könnte – droht den Oppositionspolitikern die Todesstrafe oder eine lebenslängliche Haftstrafe.

Bis zu 200 Menschen kamen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften während der Massenproteste gegen die Parlamentswahlen 2005 ums Leben. Unter den Toten waren sechs Polizisten und mindestens 193 Zivilisten. Die Unruhen in der Hauptstadt des Landes dauerten von Juni bis November 2005 an. Die Opposition hatte das Ergebnis und den Verlauf der Wahl kritisiert. Der Regierung von Ministerpräsident Meles Zenawi warf die Opposition vor, die Wahl gefälscht zu haben. Meles Zenawi hatte diese Vorwürfe zurückgewiesen und die Opposition beschuldigt, sie wolle seine Regierung gewaltsam stürzen. Zudem brüstete sich die Regierung damit, nach Jahren der Militärherrschaft ein Mehrparteiensystem eingeführt zu haben. Beobachter der EU sprachen im Zusammenhang mit der Wahl von Unregelmäßigkeiten, die die Wahl ruiniert hätten. Aufgrund des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte stellten einige Geldgeber, darunter das Vereinigte Königreich und die Europäische Union, Hilfszahlungen für Äthiopien zum Teil ein. BBC News berichtete, dass eine unabhängige Untersuchung durch einen äthiopischen Richter zu dem Schluss gekommen sei, dass die Polizei damals übermäßige Gewalt ausgeübt habe.

Laut BBC News erkannten die Oppositionspolitiker das Gericht nicht an und brachten keine Beweise zu ihrer Verteidigung vor. Aus diesem Grund habe der Richter keine andere Möglichkeit gesehen, als auf schuldig zu plädieren. Laut der Nachrichtenagentur AP sind nur neun der Angeklagten mit einem Rechtsanwalt vor Gericht erschienen. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben den Prozess verurteilt. Die äthiopische Opposition hält das Verfahren für „politisch motiviert“. +wikinews+

09 Juni 2007

Streit um Raketenschild: Putin schlägt Schild in Aserbaidschan vor

Bad Doberan (Deutschland), 09.06.2007 – Am Rande des G8-Gipfels hat der russische Präsident Wladimir Putin in einem Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident George W. Bush den Vereinigten Staaten vorgeschlagen, den Raketenschild gemeinsam in Aserbaidschan zu bauen.

Das im Süden an den Iran angrenzende Aserbaidschan ist ein souveräner Staat, der früher zur Sowjetunion gehörte. Russland hat einen Pachtvertrag mit Aserbaidschan abgeschlossen, wonach es Russland erlaubt ist, die in Gabala gelegene Radaranlage zehn Jahre lang zu nutzen und außerdem bis zu tausend Soldaten dort zu stationieren.

US-Sicherheitsberater Stephen Hadley gab an, dass der Vorschlag von Experten untersucht werden müsse. Bush reagierte positiv auf Putins Vorschlag. Es handele sich um eine interessante Anregung, so der US-Präsident. Der russische Präsident wehrt sich weiterhin gegen eine Stationierung des Schildes in Tschechien und Polen.

Abgeschossene Raketen sollen nach Putins Plänen im Kaspischen Meer anstatt auf Land niedergehen. Außerdem würde ganz Europa abgedeckt. Putin und Bush wollen das Gespräch am 1. Juli in Kennebunkport im US-Bundesstaat Maine fortsetzen, berichtete Hadley. Bush habe Putin auf den Landsitz seiner Familie eingeladen. +wikinews+

>> www.inidia.de/raketenschild.htm

BVerfG: Weiträumiges polizeiliches Demonstrationsverbot ist „verfassungsrechtlich bedenklich“

Karlsruhe (Deutschland), 09.06.2007 – Nachdem das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommerns das von der Polizei erlassene Demonstrationsverbot rund um den G8-Gipfel in Heiligendamm bestätigt und somit eine Entscheidung des Schweriner Verwaltungsgerichtes aufgehoben worden hat, hatten Gipfel-Gegner vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem Ziel geklagt, das großräumige Demonstrationsverbot doch noch zu kippen.

Die höchste Verfassungsgerichtsbarkeit hat die beiden Eilanträge der G8-Demonstranten abgelehnt. In ihrer Urteilsbegründung haben die Verfassungsrichter zwar auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Mängel des von der Polizei und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgearbeiteten Sicherheitskonzepts hingewiesen, beurteilten jedoch die drohende Gefahr gewaltsamer Ausschreitungen als dringlicher gegenüber dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit der friedlichen G8-Gegner. Die Richter äußerten ihre Einschätzung, dass eine Demonstration außerhalb der Verbotszone „nicht ohne jeglichen Bezug“ zum Ort des G8-Gipfels sei.

Das vom Verfassungsgericht gerügte Sicherheitskonzept sah ein weiträumiges allgemeines Versammlungsverbot vor, das als Pufferzone einige Kilometer rund um den Schutzzaun fungieren und die Sicherheit der Staats- und Regierungschefs garantieren sollte. Die Karlsruher Richter monierten vor allem, dass die Belange der friedlichen Demonstranten des G8-Gipfels in Heiligendamm offensichtlich in keiner Weise in das Sicherheitskonzept eingegangen seien. Sie machten daher „erhebliche Zweifel“ an der Richtigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Argumentation des Oberverwaltungsgerichtes in Greifswald geltend. Nur auf Grund der erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen und Straßenschlachten in Rostock mit zahlreichen Verletzten sowohl unter den Sicherheitskräften als auch unter den Randalierern und den daraus erwachsenden Risiken für zukünftige Veranstaltungen und Demonstrationen habe das Bundesverfassungsgericht die Anträge abgelehnt und folgt damit in Teilen der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in Greifswald. Die Richter fürchteten, dass sich der „Sternmarsch“ auf Heiligendamm als Magnet für radikale Autonome entpuppen würde. +wikinews+

06 Juni 2007

G8-Proteste: dpa-Falschmeldung findet weite Verbreitung, wird aber kaum korrigiert

Rostock (Deutschland), 06.06.2007 – „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen“, soll ein Redner auf der Großdemo gegen den G8-Gipfel in Rostock gesagt haben. Diese Aussage wurde im Zusammenhang mit den späteren Ausschreitungen in verschiedenen Medienberichten als Aufruf zur Gewalt bei Demonstrationen um Heiligendamm gewertet. Medien in ganzen deutschsprachigen Raum übernahmen diese Meldung. Doch das Ganze stellt sich nun anscheinend als Übersetzungsfehler heraus.

Demo-Mitveranstalter attac widersprach inzwischen vehement dieser Darstellung. Es geht dabei um ein Zitat des philippinischen Globalisierungskritikers und Trägers des Alternativen Nobelpreises, Walden Bello. Seine auf englisch gehaltene Rede soll die Worte „Today, we do not marginalize the issue of war […], but make it central to our demands. We say, the US and Britain must withdraw from Iraq immediately“ enthalten haben. Gemeint war damit also, „dass es nötig ist, das Thema Krieg in die G8-Proteste einzubeziehen. Gemeint war der Krieg im Irak. Die Aussage bezog sich nicht auf die Auseinandersetzungen zwischen Protestteilnehmern und der Polizei am Rande der Kundgebung“, so attac und bat eindringlich um eine klarstellende Berichterstattung.

Bisher haben nur wenige Zeitungen diese Falschmeldung korrigiert, unter ihnen Spiegel Online: „SPIEGEL ONLINE bedauert, die fehlerhafte Übersetzung von dpa übernommen zu haben.“ +wikinews+

Rostock: Gewaltsame Auseinandersetzung am Rande einer Demonstration gegen den G8-Gipfel

Rostock (Deutschland), 06.06.2007 – Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm haben sich Polizeikräfte und Autonome des so genannten Schwarzen Blocks am 2. Juni am Rande friedlicher Demonstrationen in Rostock heftige Straßenkämpfe geliefert. Nach Medienberichten soll es bis zu 950 Verletzte auf beiden Seiten gegeben haben. Der Sprecher der Polizei sprach von „bisher nicht gekannter Brutalität“.

Sämtliche beteiligten dialogorientierten Gruppen wie Attac, Linkspartei und die Kirchen distanzierten sich scharf von dieser Form der Auseinandersetzung.

Friedliche Demonstranten aus dem Block G8 stellten sich während dieser Auseinandersetzung deeskalierend zwischen Autonome und die Polizei.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein meinte, die Veranstalter der G8-Proteste hätten in der Verantwortung gestanden, im Vorfeld präventive Maßnahmen gegen mögliche Gewaltausbrüche zu treffen. +wikinews+

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus an der Universität Karlsruhe

Karlsruhe (Deutschland), 06.06.2007 – Im Rahmen einer Sonderveranstaltung der von AIESEC und der Global Marshall Plan-Hochschulgruppe Karlsruhe und dem interfakultativen Institut für Entrepreneurship veranstalteten Vortragsreihe „Globalisierung gestalten“ gab es heute im Audimax der Universität Karlsruhe Vorträge von Muhammad Yunus und Eduardo Suplicy. Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ist Schirmherrin der Vortragsreihe.

Muhammad Yunus wurde 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Eduardo Suplicy (Partido dos Trabalhadores) repräsentiert den Bundesstaat São Paulo im brasilianischen Senat und hat als Verfechter der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens erreicht, Ansätze dieser Idee in der brasilianischen Verfassung zu verankern. Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, moderierte die Veranstaltung. Alle drei auf dem Podium anwesenden Personen sind Professoren für Ökonomie. In seinem Eingangsstatement sagte Götz Werner, dass Muhammad Yunus auch den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verdient hätte.

Muhammad Yunus hielt im überfüllten Audimax eine frei vorgetragene Rede auf Englisch, die mit vielen amüsanten Anekdoten gespickt war, mit denen er die Geschichte der Grameen Bank veranschaulichte. Sein etwa einstündiger Vortrag wurde häufig von Lachern und Applaus unterbrochen. Der Friedensnobelpreisträger leitete seine Rede damit ein, dass er sich immer freue, vor Studenten zu sprechen, da die Idee für das Mikrokreditinstitut auf dem Campus einer Universität in Bangladesch entstanden sei. Dafür, dass er in einer Zeit, in der in seinem Heimatland eine große Hungersnot herrschte, Wirtschaftswissenschaften lehrte, fühlte sich Yunus nach eigenen Angaben schuldig. Insbesondere, weil die Lehrbücher keinen Ausweg aus der Krise versprachen und ihm „sinnlos“ erschienen.

Daher habe er das Campusgelände zusammen mit einigen Studenten verlassen, um arme Menschen in Dörfern zu besuchen. Dort habe er einigen Menschen insgesamt 27 Dollar geschenkt, mit denen sie ihre Schulden begleichen konnten. Dadurch seien die Personen aus sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen befreit worden. Der Anstoß für die Idee zur Vergabe von Mikrokrediten als ein Weg der Armutsbekämpfung sei anschließend von Yunus' Studenten gekommen. Yunus, der sagte, er habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mit dem Bankwesen ausgekannt, sei daraufhin zu einer Bank gegangen und habe dem Direktor vorgeschlagen, Armen Geld zu leihen. Dieser habe Yunus für verrückt erklärt. Er sei der Meinung gewesen, dass die Armen die Kredite niemals zurückzahlen würden. Nach Versuchen, sich gegenseitig von ihrer Meinung zu überzeugen, hätten Yunus und der Bankdirektor sich schließlich zu einer versuchsweisen Kreditvergabe geeinigt, bei der Yunus für die armen Kreditnehmer bürgte. Nachdem der Großteil des Geldes entgegen den Erwartungen des Bankiers zurückgezahlt worden war, kam es zur Gründung der Grameen Bank. Muhammad Yunus erläuterte die zentralen Prinzipien der Bank. „Die Menschen müssen nicht zur Bank kommen, wir kommen zu den Menschen.“ Die von Yunus begründete Bank wolle keine Menschen vor Gericht bringen und beschäftige keine Rechtsanwälte. Die Kreditvergabe erfolge hauptsächlich an Frauen und basiere auf Vertrauen – offizielle Dokumente, mit denen die Kreditvergabe besiegelt wird, gebe es nicht. Frauen könnten, so Yunus, die Welt schneller und besser verändern.

Nach dem Erfolg der Grameen Bank erfolgte die Gründung eines Telekommunikationsunternehmens, das sich inzwischen laut Yunus zur größten Firma und zum größten Steuerzahler des Landes entwickelt hat. Auch hier stieß Yunus auf Widerstände. Kaum jemand habe den armen Menschen, die in ihrer großen Mehrheit Analphabeten waren, zugetraut, mit Mobiltelefonen umgehen zu können. Muhammad Yunus habe es aber für wichtig gehalten, die Informationstechnologie in die Dörfer zu bringen. Entgegen den Erwartungen konnten die Frauen in den Dörfern die Telefone sinnvoll nutzen. Weil für den Betrieb der Telefone Elektrizität benötigt werde, habe Yunus eine Firma gegründet, die Minisolaranlagen für die Familien in die Dörfern entwickelt.

Des Weiteren habe die Grameen Bank Kredite für Schüler und Studenten in ihr Programm aufgenommen, so dass sie sich bilden könnten. Dies sei für Familien, die seit Generationen nicht lesen und schreiben könnten, eine große Erfahrung gewesen. Laut Yunus besuchten in der Folge viele der Stipendiaten Hochschulen. Eine Aussage, die sich wie ein roter Faden durch Yunus' Vortrag zog, war die, dass in jedem Menschen ein Potential stecke, egal ob es sich um einen Slumbewohner oder einen Universitätsprofessor handele. Für die Armut seien, so Yunus, nicht die Menschen verantwortlich, sondern bestimmte Denkweisen. Als Beispiel nannte er das Bankwesen, wobei reiche Menschen hohe Kredite erhielten und Arme in der Regel keine.

Muhammad Yunus kritisierte eine Form des Kapitalismus, deren einziges Prinzip die Profitmaximierung sei. Dies werde an Hochschulen gelehrt, wodurch sich das System verfestige. Als Alternative schlug Yunus ein soziales Unternehmertum vor, bei dem es darum gehen solle, Gutes zu tun und nicht unbedingt Geld anzuhäufen. Beide Formen des Unternehmertums schlössen sich aber nicht aus, sondern könnten kombiniert werden, sagte Yunus. Der Friedensnobelpreisträger zeigte sich optimistisch, was die Entwicklung seines Heimatlandes betrifft. So sei das Land bei der Erreichung von sechs der acht Hauptziele des Millennium-Gipfels im Plan. Bei den anderen Zielen wird das Land nach Meinung von Muhammad Yunus noch aufholen. In einigen Jahren könne man in Bangladesch Armutsmuseen bauen, da die Kinder nicht mehr wüssten, was Armut sei, da es keine Armut mehr geben werde. Nach der Veranstaltung in Karlsruhe wird Yunus nach Rostock fahren, wo er im Rahmen des Konzerts „Deine Stimme gegen Armut“ anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm auftreten wird.

Im anschließenden Vortrag von Eduardo Suplicy vertrat dieser die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Soziale Gerechtigkeit sei eine Voraussetzung für politische Teilhabe, sagte der brasilianische Senator. Eduardo Suplicys stellte in seiner Rede zahlreiche historische Bezüge her. Er bezog sich unter anderem auf die Bibel, Karl Marx, Aristoteles und Thomas Paine, aber auch auf islamische und buddhistische Denker. +wikinews+

05 Juni 2007

Mali: „G8-Gegengipfel“ eröffnet

Sikasso (Mali), 05.06.2007 – Parallel zum G8-Gipfel in Heiligendamm findet in dieser Woche in Sikasso im Süden Malis eine Gegenveranstaltung statt, die in Medienberichten als „Gipfel der Armen“ bezeichnet wird – das sechste „Forum des Peuples“. Menschen aus Benin, Guinea, der Elfenbeinküste, Mali, Niger, dem Senegal und europäischen Staaten werden sich mit Themen wie Entschuldung, Ernährungssicherheit, Wasserversorgung, Privatisierungen und Migration befassen. Auch über den Aufbau einer Alternative zur Weltbank soll diskutiert werden. Veranstalter der Konferenz ist ein Zusammenschluss von rund 60 Nichtregierungsorganisationen.

Laut Nachrichtenagentur AFP kamen zum Auftakt der Veranstaltung etwa tausend Globalisierungskritiker und Menschen, die sich gegen Armut engagieren, zusammen. Malis Minister für soziale Entwicklung, Djibril Tangara, sagte, dass seine Regierung die Bedenken der Delegierten teile, insbesondere beim Thema Arbeitslosigkeit. Amadou Toumani Touré, der Präsident des nordafrikanischen Landes, kritisierte am Sonntag, dass die G8-Staaten ihre auf dem G8-Gipfel in Gleneagles 2005 gemachten Versprechen nicht einhielten. Diese Auffassung hatte zuvor auch die Weltbank vertreten. Der Organisation zufolge haben die reichen Länder weder ihre Entwicklungshilfe im versprochenen Umfang aufgestockt noch ihre Märkte für Waren aus Afrika geöffnet.

Dabei geht es um zugesagte Entwicklungshilfegelder. Die Präsidentin des Veranstaltungsbündnisses „Alternative Afrikanische Koalition Schulden und Entwicklung“ (Coalitions des Alternatives Africaines Dette et Développement, CAD-Mali), Barry Aminata Touré, sagte zum Auftakt des Treffens: „Man muss nein sagen zu neoliberaler Politik, muss den G8 sagen, dass die Vorteile der Globalisierung allen Ländern der Welt dienen müssen.“ ++

04 Juni 2007

G8-Proteste: Migrationspolitischer Aktionstag

Rostock (Deutschland), 04.06.2007 – Nach der internationalen Großdemonstration gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, an der sich am vergangenen Samstag mehrere 10.000 Menschen beteiligt hatten, steht der dritte Tag der Proteste unter dem Motto „Flucht und Migration“.

Einem Artikel des Portals „no-racism.net“ zufolge versammelten sich heute ab 10:00 Uhr etwa 2.000 Menschen vor der Rostocker Ausländerbehörde. Später zogen die Demonstranten zum Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, wo sie an die mehrtägigen rassistischen Ausschreitungen im Jahr 1992 erinnerten. Neonazis hatten damals die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge und ein Wohnheim für vietnamesische Arbeiter mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen. Vor Ort anwesende Menschen hatten ihre Zustimmung zu den Aktionen der Neonazis mit Applaus ausgedrückt. Laut „Indymedia“ nahm die Polizei bei der Kundgebung vor dem Sonnenblumenhaus bis zu vier Personen fest. Ein Demonstrant aus Kamerun wurde mit Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Er soll sich in einer Gruppe Autonomer aufgehalten haben und sei „brutal aus der Menge gezogen“ worden.

Um 13:00 Uhr sollte eine Demonstration mit einer Auftaktkundgebung beim Flüchtlingslager Satowerstraße beginnen. Weil sich mehr Personen an der Demonstration beteiligten als von den Veranstaltern angemeldet waren, wurde die Versammlung laut einem Livebericht des Radioprojekts „Radio Forum“ nach mehrstündigen Verhandlungen aufgelöst. Spiegel Online berichtet dagegen, die Polizei habe die Route durch die Innenstadt untersagt, weil sich einige Personen innerhalb der Demonstration vermummt hätten. Die Nachrichtenagentur ddp berichtet, dass die Polizei aus Sicherheitsgründen eine alternative Marschroute vorschreiben wollte, worauf die Organisatoren nicht eingingen und die Versammlung auflösten. Zuvor hat die Polizei den Zug mehrmals angehalten. Bis zu 10.000 Demonstranten hatten sich an der Demonstration für globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte beteiligen wollen. Geplant war eine Abschlusskundgebung am Rostocker Stadthafen in der Innenstadt.

Im Aufruf zum heutigen Aktionstag werden Bezüge zu Versuchen von Migranten, die Grenzen in Ceuta und San Diego zu überwinden hergestellt. Außerdem richtet sich der Aufruf gegen Abschiebungen und „prekäre Arbeitsverhältnisse“, sowie die „militarisierten Grenzen zwischen Mexico und den USA oder Afrika und Europa“. Die Unterzeichner des Aufrufes halten globale Bewegungsfreiheit für ein „fundamentales Recht und eine Vorbedingung für andere fundamentale Rechte“. +wikinews+