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09 Juli 2011

200 "Leopard"-Panzer für Saudi-Arabien?

Die Heimlichkeit des Panzerdeals mit der saudischen Diktatur ist schon skandalös genug, denn für wie dämlich müssen die Mitglieder des Bundessicherheitsrates das Volk halten, um ein derart großes Waffengeschäft hinter dem Bühnenvorhang ablaufen lassen zu wollen? Der bloße Versuch solcher Heimlichkeit müsste strafbar, zumindest unzulässig sein, aber das Gegenteil räumte sich die Regierungen beliebiger Zusammensetzung mit den Ausführungsgesetzen zum Art. 26 (2) Grundgesetz ein, entzogen solche Entscheidungen sogar der parlamentarischen Kontrolle und damit gänzlich dem öffentlichen Diskurs.
An diesem grundlegenden Problem ging die gestrige Bundestagsdebatte weitgehend vorbei, zumal alle Parteien auf kommende Regierungszeiten und Persilscheine hoffen, auch wenn "Die Linke" anders tut, aber dort, wo sie darf, eben nicht weniger scharf auf Persilscheine ist. Und kaum ein Bürger kommt auf die Idee, die Bundestagskandidaten (aller Parteien) im eigenen Wahlkreis auf seriöse Demokratie in die Verantwortung zu nehmen oder auch nur zu befragen.

Folglich wurde die Bundestagsdebatte über weite Strecken zum Parteien-Geplänkel und entschied mit den Stimmen der Regierungskoalition indirekt verfahrenstechnisch für das Panzergeschäft, da Saudi-Arabien für die Stabilität der Region wichtig sei, obgleich auch Unionspolitiker ausreichend Argumente vortrugen, die solche Stabilität und erst recht keine Stabilisierungsmaßnahme per Panzerlieferung rechtfertigen.
Widersprüchliches Handeln wurde da kurz aus dem Widerspruch zwischen Werteorientierung und Interessenorientierung der Außenpolitik hergeleitet, da die Außenpolitik kein Wunschkonzert sei, als sei nach allem sich philosophisch gebenden Gewäsch das Waffengeschäft gegen den Willen der Regierung und erfolge zwanghaft, zumal Saudi-Arabien der weltweit führende Öl-Produzent sei. Tja, unsere Politiker sind Öl-Junkies und wir mit unserer Wirtschaft auch, wie auch der Staat insgesamt, so sehr er sich aus hohem Öl-Verbrauch über die Mineralölsteuer (fast 40 Mrd.€ in 2010) plus Umsatzsteuer finanziert. Aber das Öl-Junkie-Argument zieht nicht, denn die Ölförderländer sind vom Absatz nicht weniger abhängig, sondern eher viel mehr, weshalb jede andere Regierung dort den Ölhahn öffnen würde, bis kein Tropfen mehr kommt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Bundesregierung zwar einerseits zutreffend Klientelpolitik für den parteispendefreudigen Panzerproduzenten vor, andererseits dann mit der absurden Unterstellung, dass die Bundesregierung mit dieser Entscheidung US-Wünschen folge und die Souveränität Deutschlands verspiele.
Wie kommt Gabriel auf solche Idee? Als sei die USA mit ihren "M1 Abrams" nicht mehr direkter Konkurrent des "Leopard 2" und insbesondere in Saudi-Arabien, einem der bislang ausschließlich von diesem US-Großpanzer beherrschten Absatzmarkt. Dass Gabriel eine nationalistische und gezinkte Karte spielt, ist unglaublich verantwortungslos.

Die gestrige Debatte war so einer der "Sternstunden" unserer parlamentarischen Demokratie, allerdings eine, in der die dort Verantwortlichen Sterne untergehen ließen.

Zusammengefasst: Das deutsch-saudische Panzergeschäft darf nicht sein, auch wenn "ansonsten die Amerikaner" liefern. Die "fleißigen Ingenieure" von Krauss-Maffei sollen sich andere Dinge ausdenken, die es in Saudi-Arabien dringender braucht, z.B. Sonnenkraftwerke für die Meerwasserentsalzung oder Gasabscheider und Nutzungstechnik für Gas, das massenhaft bei der Erdölförderung anfällt und nicht mehr abgefackelt werden sollte.
Bundeskanzlerin Merkel soll sich mit dem saudischen Herrscherhaus treffen, von Frau zu Mann über Geschlechtergleichberechtigung diskutieren. Es gibt genug zu tun und auch zu liefern, aber keine Panzer. Unsere Politiker, Panzerbauer und die Leute in Riad sollen sich andere Hobbys ausdenken, andere Interessen entwickeln, die mit ihren vorgeblichen Werten vereinbarer sind.

Markus Rabanus >> Diskussion

28 Juni 2011

Aufschwung im Bundestag angekommen: Diätenerhöhung

Nach dem gelungenen Auftaktspiel der Frauen-Nationalelf verständigten sich am gestrigen Montag die Fraktionen von Union, SPD und FDP auf eine Diätenerhöhung ab 2012 um 292 Euro auf 7.960 Euro monatlich und gleich auch schon für 2013 auf 8.252 Euro, zumal im Wahlkampfjahr eher mit anderen Themen gepunktet werden kann, möglicherweise mit Steuererleichterungen oder einer Erhöhung der Arbeitslosenfürsorge um 3,5o Euro monatlich ab 2015.
Hinsichtlich der gestiegenen Preise für Werbeagenturen und Plakate einigte man sich sodann auch darauf, dass die Wahlkampfkostenerstattung erhöht werden müsse und die Parteienfinanzierung von derzeit ca. 133 auf 141 Millionen Euro angehoben werden müsse. - Je besser die Politiker, desto mehr Werbung braucht es vielleicht, damit es die Wähler auch merken.
Die Diätenerhöhung wurde aus Kreisen der Einigungsrunde als moderat bezeichnet, da die Besoldung der Bundesrichter maßstäblich sei. Die Bundesrichterbesoldung wiederum ist Sache der Parlamente, wodurch die Entscheidungskriterien einigermaßen rund erscheinen. >> Genaueres

In Artikel 48 Absatz 3 Grundgesetz heißt es: (3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Einen ersten Überblick zum etwas komplizierten Thema der Abgeordnetenbezüge verschafft Wikipedia mit folgendem Inhaltsverzeichnis:
1 Versorgung der Bundestagsabgeordneten (Diäten)
1.1 Sonstige Regelungen
1.1.1 Kostenpauschale
1.1.2 Mitarbeiterpauschale
1.1.3 Reisekostenerstattung
1.1.4 Zuschuss zur Krankenversicherung
1.1.5 Arbeitslosen- und Rentenversicherung
1.1.6 Hinterbliebenenversorgung
1.2 Übergangsgelder nach Ausscheiden aus dem Bundestag
1.3 Altersbezüge
1.4 Nebentätigkeiten
2 Funktionsbezüge

Viele Bundestagsabgeordnete halten sich trotz beklagter Arbeitsüberlastung mit "1.4 Nebentätigkeiten" über Wasser, während es noch immer einige geben soll, die gänzlich ohne Nebentätigkeiten auskommen. Eine arbeitsrechtliche oder politikwissenschaftliche Erörterung, in welcher Relation Nebeneinkünfte und Diäten stehen, könnte Aufschluss bringen, ob das Bundestagsmandat dem einzelnen Abgeordneten Haupt- oder Nebentätigkeit ist.

Markus Rabanus >> Diskussion

Lexikalisches & Älteres >> Diäten und >> Diätenerhöhung

12 Mai 2011

Protestaktion gegen Verschleierung von Politikernebeneinkünften

Nichtregierungsorganisationen sammelten über 50.000 Unterschriften in drei Tagen / Übergabe an Bundestagsabgeordnete / „Wir wollen wissen, wer bezahlt“
Pressemitteilung >> www.campact.de/transparenz

Berlin, 12.5.2011. Kurz bevor sich die Rechtstellungskommission des Ältestenrates mit der Neuregelung von Abgeordneten-Nebentätigkeiten befasste, demonstrierten mehrere Nichtregierungsorganisationen vor dem Bundestag gegen die Verschleierung der Nebeneinkünfte. Gestalten mit weißen Masken reichten Politiker-Darstellern Geldscheine. Der Vorsitzende der Rechtstellungskommission und Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (FDP), der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann sowie die Parlamentarischen Geschäftsführer Dr. Dagmar Enkelmann (Linke) und Volker Beck (Grüne) waren gekommen, um die Protest-Unterschriften entgegen zu nehmen.
Innerhalb von drei Tagen hatten Campact, LobbyControl, Transparency International Deutschland und Mehr Demokratie über 50.000 Unterschriften im Internet gegen die Pläne gesammelt, die Nebeneinkünfte von Politikern künftig erst ab 10.000 Euro zu veröffentlichen (www.wer-bezahlt.de). Bisher mussten Bundestagsabgeordnete ihre Nebeneinkünfte bereits ab einer Höhe von 1.000 Euro veröffentlichen. Angesichts der Proteste haben verschiedene Politiker in den letzten Tagen erklärt, davon abrücken zu wollen, Politiker-Nebeneinkünfte unter 10.000 Euro zu verschleiern.
„Dass die Parteien nun zurückrudern, zeigt, dass die Bürgerproteste wirken“, sagte der Vorstandsmitglied des Kampagnennetzwerkes Campact, Dr. Günter Metzges. „Die Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wer ihre gewählten Volksvertreter bezahlt.“
„Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Volksvertreter sinkt immer weiter. Transparenz ausbauen statt abbauen - das ist notwendig, um das Vertrauen in Politiker wieder zu stärken“, sagte Michael Efler, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie e.V.
„Nebeneinkünfte von Abgeordneten dürfen kein unsichtbares Einfallstor für Lobbyismus sein. Über 50.000 Unterschriften in drei Tagen zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht wollen, dass ihre Vertreter im Parlament unbemerkte Diener zweier Herren sein können. Echte Transparenz ist dafür unverzichtbar", erklärte Timo Lange von LobbyControl.
"Für Vorschusslorbeeren ist es zu früh. Erst wenn wir die neue Regelung schwarz auf weiß sehen, werden wir beurteilen können, ob den jüngsten Worten die richtigen Taten folgen", sagte Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland.

03 März 2011

Zum 80. Geburtstag Gorbatschows

Persönliche Würdigung: Als Michail Gorbatschow wie ein unbeschriebenes Blatt an die Macht kam, lösten seine öffentlichen Auftritte bei mir zunächst Misstrauen aus, denn es schien, als stünde ein weiteres Mal bloß die pauschale Aburteilung der Vorgeschichte und neue Einheitslehre an.
Mit dem "April-Plenum" (1985) jedoch sprach Gorbatschow eine Systemkritik und Forderungen aus, die tatsächlichen Wandel zum "sozialistischen Pluralismus" unausweichlich machten, der seit Gründung der Sowjetunion als Trotzkismus, Sektierertum, Fraktionismus, Revisionismus, Subjektivismus, kleinbürgerlich usw. verdammt und verfolgt worden war.

Tatsächlich aber scheiterte auch der sozialistische Pluralismus und die Vision eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" an innenpolitischen Konzeptlosigkeiten und Widerständen einerseits, wohl aber auch an ideologischen Ungereimtheiten und den systemischen Schwächen des staatsmonopolistischen Sozialismus im Wettbewerb mit kapitalistisch wirtschaftenden Gesellschaften, so dass auch Gorbatschow mehr und mehr zu sozialdemokratischen Auffassungen gelangte.

So sehr ihm russische Nationalisten verübeln, ihnen das Riesenreich der vormaligen Sowjetunion nicht vor dem Zerfall bewahrt zu haben, so ist auch das ein Verdienst seiner Politik zugunsten der Selbstbestimmung der Völker, beispielsweise der deutschen Wiedervereinigung.

Seine größte Leistung allerdings ist die Beendigung des in der brandgefährlichen Unkalkulierbarkeit stets heruntergespielten Ost-Westkonflikts, wofür Gorbatschow zurecht und hochverdient 1990 den Friedensnobelpreis bekam.

Sofern ein solches Ranking überhaupt Sinn machen kann, wäre Gorbatschow der beste und wichtigste Politiker des 20. Jahrhunderts.

Markus Rabanus >> Diskussion

13 Februar 2011

Revolution "oder weniger"

So ungeschickt ist niemand, den Ägyptern die Anerkennung ihres demokratischen Erfolgs abzusprechen, aber einige sind recht fleißig dabei, die historische Leistung klein zu reden,
- weil jetzt anstelle Mubaraks die Generäle regieren, was so neu nicht ist,
- weil offen ist, wann und ob es zu freien Wahlen kommt,
- weil freie Wahlen noch keine Demokratie bedeuten, ...
Vermutlich wissen das die Ägypter - und es bliebe zu ergänzen:
- die Superreichen sind noch immer und auch die Armut blieb.

Doch schauen wir uns die Habenseite an:
- Der Rücktritt Mubaraks war Hauptforderung der Massendemonstrationen und wurde durchgesetzt,
- das Demonstrationsrecht ist erstritten,
- das Vereinigungsrecht ist erstritten.
Die Menschen in Ägypten können/dürfen ihren WILLEN artikulieren. Das ist ein Sieg für die Würde des Menschen.

Was ist "Revolution" überhaupt?

Nur totalitäre Ideologien definieren den Revolutionsbegriff in ein vermeintliches Komplettprogramm um, obwohl auch Totalitäre nie verlegen waren/sind, einzelne Etappensiege als "Revolution" zu feiern, aber ihnen darf es propagandistisch nicht mit Reformen weitergehen, sondern sie geben sich weiterhin als "Revolutionäre" aus, denn sie sind auf den permanenten Ausnahmezustand angewiesen, damit ihre Regeln nur gegen die anderen gelten.

(Politische) Revolution ist, dass sich Verhältnisse gegen die Mächtigen und Regeln des Regimes durch innenpolitische Opposition umkehren. Die Habenseite zeigt, was sich umkehrte. Und das war zunächst mal den Revolutionären wichtig. Und was noch geblieben ist, steht erst jetzt auf der Agenda. Die Generäle machten heute immerhin schöne Versprechungen. Es wird darauf zu achten sein, dass sie die Versprechen nicht brechen.

Markus Rabanus >> Diskussion

11 Februar 2011

Ägyptens Sieg für die Menschenwürde



Ein historischer Tag. Und geschafft mit Mut, Ausdauer und friedlichen Mitteln.

Jetzt werden dort und überall viele lernen müssen, miteinander zu reden, mit denen sie und worüber sie vorher nicht reden wollten.
>> Diskussion

28 Januar 2011

Pulverfass Nordafrika oder Frühling

Algerien, Tunesien, Ägypten. Urlaubsparadiese und zugleich Staaten im jahrzehntelangen Ausnahmezustand, sozial und kulturell zerrüttet, korrupt und undemokratisch, seit Wochen im wachsenden Aufruhr, Ungewissheit, wie sich die politische Landkarte verändert. Oder wird erneut das demokratische Potential einer Region unterschätzt, wie schon das massenhafte Aufbegehren im Iran überraschte?
Der aus zehnjährigem Exil in Frankreich nach Tunesien zurückgekehrte Menschenrechtsaktivist und Oppositionspolitiker Moncef Marzouki hofft auf einen sich ausweitenden "Frühling der Demokratie".
Was kann Europa tun? Humanitäre Hilfe anbieten. Das Versagen Europas im Jugoslawien-, Afghanistan- und Irakkrieg, das jahrzehntelange Versagen im Nahostkonflikt und das Versagen in eigenen Angelegenheiten (Verschuldungskrise) disqualifizieren für großspuriges Beratschlagen.

Markus Rabanus >> Diskussion

01 Juli 2010

Zur Wahl von Wulff

Nun hat es Christian Wulff nach neun Stunden Wahlmarathon doch noch ins Schloss Bellevue geschafft.
Ich hab mir gestern im Schnelldurchlauf nochmal beide Kandidaten in Bild- und Text-Interviews angesehen. Gauck hatte ich die letzten Jahre kaum wahrgenommen und hatte dementsprechend keine genaue Vorstellung von ihm als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. In allem, was ich gelesen und gesehen habe, erschien er mir jedoch überzeugender und mit seiner Biographie und seinem Intellekt für die Aufgabe - mit Abstand - geeigneter als Christian Wulff. Natürlich hatte es Gauck als Herausforderer, der nur positiv überraschen konnte, einfacher, sich authentisch und locker zu inszenieren, während der Erfolg des CDU/FDP-Kandidaten mit dem Schicksal der gesamten Regierungskoalition verknüpft wurde. Aber auch jenseits dieser unterschiedlichen Ausgangspositionen wurde in fast jedem Satz, der von den Kandidaten zu hören war, das gänzlich andere Format Gaucks deutlich, seine kluge, querdenkende und abwägende Art mit Blick auf grundsätzliche Ebenen, wo Wulff auf viele Fragen der Journalisten nur trockene Redeschablonen und eingeübte rhetorische Gymnastik anzubieten hatte. Angesichts dieser so offensichtlichen Diskrepanz erstaunt es allenfalls, dass das Abstimmungsergebnis nicht noch viel knapper ausgefallen ist.

Der Satz Sigmar Gabriels, Gauck bringe ein Leben mit in seine Kandidatur, Wulff lediglich eine politische Laufbahn, ist ausgiebig kritisiert worden, nicht zuletzt von Gauck selbst, der darin ein gefährliche Diskreditierung des Berufspolitikers erblickte. Dennoch ist der Impuls absolut nachvollziehbar, die Sehnsucht, im obersten repräsentativen Staatsamt ohne reale Machtbefugnisse keinen Politprofi zu erblicken, sondern einen etwas kantigeren Charakter mit anderen Eigenschaften als man sie für Parteikarrieren benötigt.

Die wirklich tragischen moralischen Verlierer des Abends aber waren die Deligierten der Linkspartei. Ein Mann von Gaucks Zuschnitt unwählbar wegen tagespolitischer Differenzen: Mit dieser erbärmlichen Ausflucht haben die Linken eine historische Chance vertan, bei der Bewältigung ihres totalitären Erbes Glaubwürdigkeit zu erlangen.

martin >> Diskussion

Gratulation an Wulff, aber wozu überhaupt dieses Amt?

Nichts ist für Journalisten schlimmer als ein Tag, über den es an sich wenig zu berichten gibt, denn die "Formate" müssen gefüllt werden. So auch gestern, als die Bundesversammlung den Mehrheitskandidaten zweimal durchfallen ließ, bevor er dann mit immerhin doch absoluter Mehrheit gewählt wurde. Das sei "Regierungskrise". Die gibt es zwar tatsächlich, aber in viel grundsätzlicher Hinsicht, wenn im Grunde niemand sagen kann, wo es lang gehen soll. Da hilft auch kein Personen-Roulette.

Im ersten und zweiten Wahlgang - wozu überhaupt der zweite? - kam nichts zustande, weil die Kandidatin der Linkspartei erst vor dem dritten Wahlgang aufgab. Ihre Delegierten machten dann auf beleidigte Leberwurst (Gysi: "Uns hat niemand gefragt!!!" oder so ähnlich) und enthielten sich.
Wulff bekam nun doch die Stimmen aus dem Regierungslager, hielt eine der für ihn typisch netten Reden, alles klatschte - nein, die Opposition klatschte nicht, allem vorherigen Gerede von der Art des Amtes zum Trotz, schlechte Verlierer im Parteienpoker, als sei ihr ein Roland Koch oder Stoiber beschert. Gauck klatschte artig - sicherlich dankbar, stand er doch als Freiheitskämpfer (DDR und Hindukusch) für einige Tage im Rampenlicht, eine Freiheit, die sozialdemokratische Klientel millionenfach zu Kunden von "Jobcentern" macht. Welch kühner Schachzug gegen Merkel ... und verheimlichtes Eingeständnis, dass Rot-Grün keinen wirklich eigenen Kandidaten für das größere Ganze hat.

Und nun? Deutschland hat einen vergleichsweise vorzeigbaren Politiker an der protokollarischen Spitze, der sich in seine Sekretärin (ich weiß es nicht) verknallte, was jedem passieren kann, der Popmusik hört, auch mal gern gar nichts macht, wozu das neue Amt allemal besser passt.

Ich gönne es ihm. Mich ärgert halt nur, dass nicht einer der vielen Volksvertreter mal einbrachte,
- dass dieses Amt verzichtbar ist,
- dass ehrenamtlicher sein könnte usw.

Und mich ärgert natürlich immer auch, dass die Bürger so bescheuert sind, dass sie sich so viel Administration überhelfen lassen.

Markus Rabanus >> Diskussion

27 März 2010

Kundus-Untersuchung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Es ist unverschämt, dass der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Kundus-Massaker keine wirkliche Öffentlichkeit zu den Anhörungen zulassen will und den Antrag von Phoenix-TV abwies. Zwar dürfen einige Journalisten anwesend sein, aber so werden sich interessierte Bürger nur aus zweiter Hand informieren können.

Ein CDU-Sprecher trug vor, dass der Untersuchungsausschuss in Gegenwart von TV-Kameras zu einer parteipolitischen Show verkommen würde. Das kann nicht überzeugen, denn trifft viel eher auf die Bundestagsdebatten zu, wenn in minutenlangen Reden Allgemeinplätze gegeneinander stehen, während das Frage-Antwort-Szenario im Untersuchungsausschuss Allgemeinplatz-Predigern weit weniger Bühne verschafft.

Es scheint, dass Guttenbergs großspurige Ankündigung, sich auch vor laufenden Kameras befragen lassen zu wollen, so ernst nicht gemeint sein kann, sonst hätte es der CSU-Minister allemal auch bei seinen Parteikollegen im Untersuchungsausschuss durchgesetzt. Seine Ankündigung war in allen wichtigen Medien dick geschlagzeilt, aber leeres Versprechen.

Markus Rabanus >> Diskussion

22 Dezember 2009

Erneut Unruhen im Iran

An den Trauerfeiern für den verstorbenen Großajatollah Ali Montaseri nahmen möglicherweise hunderttausende Menschen teil und protestierten für Reformen. Dabei sei es zu Auseinandersetzungen mit Regimeanhängern und Sicherheitskräften gekommen.
Montaseri war Mitstreiter Khomeinis, später dessen Kritiker und stand 10 Jahre unter Hausarrest. In der Nacht zum 20.12.2009 verstarb Montaseri in der südlich von Teheran gelegenen Millionenstadt Ghom. Die staatlichen Medien Irans berichteten zwar über den Tod Montaseris, nicht aber über die Proteste, siehe www.irna.ir/En - westlichen Medien sei untersagt, aus Ghom zu berichten.

25 Juni 2009

Man-Of-The-Year.de 2009

>> Mir Hossein Mussavi hatte den Mut, dem Wahlverfahren und dem Wahlergebnis im Iran zu widersprechen.

  • Diskussion
  • 16 Juni 2009

    Zu den Unruhen im Iran


    In Teheran und möglicherweise auch in anderen Großstädten fanden erneut Massendemonstrationen gegen das offizielle Wahlergebnis statt. Offenbar in den ersten Stunden friedlich. Auch der Oppositionspolitiker Mousavi nahm daran teil, obwohl es zunächst hieß, er habe über seiner Website die Demonstration abgesagt.
    Es wird berichtet, dass sich die Widersacher gegenseitig die Websites hacken, so dass deren Wert als Informationsquelle per Cyberwar Schaden nimmt.

    Infos zu http://de.wikipedia.org/wiki/Mir_Hossein_Mussawi
    Infos zu http://de.wikipedia.org/wiki/Mahmud_Ahmadinedschad
    Ergiebiger: http://en.wikipedia.org/wiki/Mir-Hossein_Mousavi

    Die Kampagnen-Homepage von Mousavi http://mirhussein.com findet sich nur in den mir nicht wirklich verständlichen Schriftzeichen.
    Die Homepage von Ahmadinedschad www.president.ir ist zur Zeit nicht erreichbar. Auch die englische Fassung nicht: www.president.ir/en

    Youtube-Videos zeugen von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Paramilitärs und Polizeieinheiten, die in ihrer martialischen Aufmachung so "modern" aussehen, dass sich die Frage nach ihren Ausrüstern stellt.
    Es wird berichtet, dass es Tote gab. Man kann im Interesse der Menschen nur hoffen, dass Ahmadinedschad und Mousavi aufeinander zugehen und den Konflikt friedlich beilegen.
    Allein das sollte Steinmeier in dieser Situation fordern. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, die Menschen gegeneinander aufzuhetzen.

    Markus Rabanus >> Diskussion

    03 Juni 2009

    Vom Europa der National-Bürokraten zum Bürger-Europa

    Die EU steckt in einer tiefen Legitimationskrise. Mit der gescheiterten Verfassung und Mitgliedsstaaten, die zwar "dazugehören" wollen, aber nur mit Anrechten, nicht mit Pflichten.
    Die Wahlbeteiligung wird niedrig sein. Für ein Parlament ohne Gesetzgebungsbefugnis und überaus teuer mit seinen drei Heimstätten in Brüssel und Straßburg (Plenarsäle) und Luxemburg (Generalsekretariat).

    Kein Bürger würde es merken, wenn das EU-Parlament aufgelöst wäre, weil die Initiativ-Rechte und Entscheidungen liegen in der Verteilung von Europäische Kommission und EU-Ministerrat.

    Genaueres bei Wikipedia, denn die Parteien wollen uns den Zirkus mit "historisch" verklären, als könnten sie nichts dafür, denn immer war es politische Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit, Kompromisse zu finden, die uns weniger Bürokratie kosten, aber diese Bürokratie sichert ihnen mehr Arbeitsplätze. 785 Abgeordnete und Tausende in der Verwaltung. Genaue Zahlen finden sich nicht. Regierung ohne Ende. Und vorneweg auf den Plakaten die lächelnden Politiker, die auf Diäten verzichten würden, wenn sie Anstand hätten, denn sie entscheiden nichts und KÖNNEN uns nicht demokratisch vertreten, solange sie ihren nationalen Entsendungsparteien keine Macht abverlangen.

    Geht trotzdem wählen! Und zwar diejenigen, die zumindest so tun, als sei ihnen ein geeintes Europa wichtig, denn zur europäischen Einigung gibt es keine Alternative.

    Wer Europa modernisieren möchte, "bürgernäher" möchte, der muss sich dafür einsetzen, dass die Mitgliedsstaaten auch wirklich Macht an die EU abtreten, also Regierungsapparate in den Mitgliedsstaaten abbauen. - Das verspricht keiner der "EU-Wahlkämpfer". Wir Bürger müssen es fordern und durchsetzen.

    Markus Rabanus >> Diskussion

    25 Mai 2009

    Köhler vergrämt Partei-Funktionäre

    Mit der erneuten Forderung nach Direktwahl und Volksabstimmungen stößt Köhler bei Merkel und anderen auf wenig Gegenliebe. Mit Zerrbildern wird gekontert, wohin mehr direkte Demokratie in der Geschichte geführt habe und führen werde.
    Wundern kann das nicht, denn wer den beschwerlichen Weg durch die Parteien-Bürokratie schaffte, sich Kohl, Schröder oder Parteivölkern schmackhaft zu machen hatte, will sich das nun nicht als weniger demokratisch attestieren lassen.

    -msr- >> Diskussion

    11 Februar 2009

    Wahlen: Rechtsruck in Israel

    Bei den Parlamentswahlen in Israel setzten sich Parteien durch, deren Rhetorik noch weniger dem internationalen Friedensplan für Nahost ("Roadmap") entspricht, für den es bisher zumindest das prinzipielle Einverständnis Israels gab. Sollte der nächste Ministerpräsiden Netanjahu heißen, so bliebe der neuen US-Regierung nur wenig und wahrscheinlich zu wenig Zeit, trotz dieser Entwicklung auf einen Nahostfrieden hinzuwirken, denn zu befürchten ist, dass die Nahost-Streitparteien den Konflikt noch höher aufschaukeln und dadurch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auch die Macht im Westjordangebiet an die Hamas verliert oder die Fatah erneut radikalisiert. -msr-
    Wahlergebnis: Von den 120 Knesset-Mandaten entfielen an Kadima 28, Likud 27, Israel Beitenu 15, Awoda 13 Mandate und der Rest an weitere acht Parteien. >> Diskussion

    20 Januar 2009

    Glückwunsch zur Präsidentschaft Obamas

    Etwa zwei Millionen nahmen direkt an den Feierlichkeiten in Washington teil. Überhaupt scheint das weltweite Interesse an der Amtseinführung Obamas alle Rekorde zu toppen.
    Zurecht, denn es ist als historisch herausragendes Ereignis empfunden und begriffen, dass es an der Zeit für den ersten farbigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war und eine Chance, dass es jemand ist, dessen Erfolgskonzept nicht die Polarisierung, sondern die Harmonisierung ist. Es ist bereits "Change", denn keine Selbstverständlichkeit, dass endlich solch eine Chance aus der Bürgerrechtsbewegung Martin Luther Kings "erwachsen" ist; ein überfälliger "Change" zur Einlösung des Verfassungsversprechens auf Chancengleichheit nach Jahrhunderten des Rassismus.
    Und "Change" ist es auch deshalb, weil Obama allen "Kulturkriegern" entgegen nicht an seinem Mittelnamen "Hussein" scheiterte, also Vertrauen und Hoffnung über die Verdächtigung siegten. Ob Obama diesen Wandel auch in der globalen Arena durchsetzen kann, ist in Anbetracht der vielen und unterschiedlichen Konflikte kaum wahrscheinlich, aber immerhin bekam er innenpolitisch dafür die Mehrheit und vermutlich auch die weltweite Mehrheit an Zuspruch, so dass es ein Anfang werden kann.
    Die Amerikaner haben heute allen Grund, auf ihre Nation stolz zu sein. Viele werden es dennoch als "Tag der Niederlage" sehen. Wenn es einigermaßen funktioniert und Obama nicht überfordert wird, dann wird es niemanden eine "Niederlage" bleiben.
    Ausgerechnet beim Nachsprechens des Amtseids geriet Obama ins Stottern; so groß war ihm der Druck. Aber die Massen hatten damit kein Problem, sondern waren erleichtert, denn die Vergangenheit zeigte, dass die Show der Selbstperfekten nicht genügt, wenn es am Menschlichen fehlt.
    -markus rabanus- >> Diskussion

    10 Juli 2008

    Sommerlochthema: "Kinderwahlrecht, Familienwahlrecht"

    (Presseerklärung/10.07.08) Zum Vorschlag von 46 Bundestagsabgeordneten aus den Reihen von SPD, Union und FDP für ein Wahlrecht ab Geburt, erklärt Niema Movassat, jugendpolitischer Sprecher im Parteivorstand:

    "Echte Teilhabe statt Scheinlösungen

    Es ist Zeit für mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche in politischen Entscheidungsprozessen - und das nicht erst seit heute. Nicht über ihre Köpfe hinweg sollte entschieden werden, sondern mit ihnen gemeinsam, denn sie sind eigenständige Subjekte und haben ein Recht auf aktive Gesellschaftsgestaltung.

    Die stärkere Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Entscheidungen erfordert sinnvolle und ehrliche Maßnahmen und keine Scheinlösungen. Die Forderung der 46 Abgeordneten läuft letztlich auf ein Familienwahlrecht hinaus und ist weder sinnvoll noch ehrlich, denn es wäre ein Stellvertreterwahlrecht. Die Eltern sollen bei Wahlen für ihre Kinder entscheiden - über deren Köpfe hinweg. Demokratie aber lebt nicht von Stellvertretern, sondern von echter Teilhabe.

    Ein Wahlrecht ab Geburt garantiert mitnichten, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker berücksichtigt werden. Vielmehr werden die Eltern ihre eigene Position bei der Stimmabgabe vertreten. Sie werden gegenüber kinderlosen Wählerinnen und Wählern bevorzugt ohne einen Vorteil für die jungen Menschen.

    Darüber hinaus gibt es auch ganz praktische Probleme: Wann soll das Stellvertreterwahlrecht enden? Was gilt, wenn die Eltern uneinig sind?

    Um jungen Menschen stärkere Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen, sind eine Senkung des aktiven und passiven Wahlalters auf mindestens 16 Jahre, mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sowie generell mehr direktdemokratische Elemente erforderlich. Dies wären auch keine Scheinlösungen, sondern wichtige Schritte für mehr Demokratie und gegen zunehmende Politikverdrossenheit."


    KOMMENTAR

    Wer für die Demokratieerziehung von Kindern/Jugendlichen etwas leisten will und sie für kind-/jugendgerechte Politik mitbestimmen lassen möchte, hat dazu reichlich Gelegenheit durch den Dialog mit Kindern und Jugendlichen. Vielleicht können sich gar einige Erwachsene leisten oder überwinden, keine Wahlentscheidung gegen das Veto von Kindern/Jugendlichen zu treffen.

    Auch eine Absenkung des Wahlalters, wie sie der Linkspartei vorschwebt, ist abzulehnen, weil radikalere Parteien dann noch mehr darauf aus sein werden, auf demokratisch unerfahrenere Menschen mehr Eindruck zu machen als es "die Etablierten" können und dürften.

    Demokratie ist zudem nicht einfach nur Kreuzchen, Parteinahme und Volksentscheid, sondern ebenso auch Überparteilichkeit und ernsthaftes Kompromissbemühen. Die Linkspartei beherrscht diese Disziplinen durchaus, wie sie in ihren Koalitions- und Alleinregierungen zeigt, aber ihre Existenz und Propaganda ist zumeist Spaltprodukt und spaltend, wie es als Vorwurf allerdings auch den "Etablierten" gemacht werden kann.