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25 Februar 2008

Aktion Wunschkind gegen Böhmer

"Warum???" steht auf Zetteln zwischen Blumengebinden und Kerzen, die von entsetzten Bürgern vor Häusern abgelegt werden, in denen Eltern ihre Kinder verhungern ließen, misshandelten oder töteten.
"Warum???" - so lautet die Frage an die Nachbarn und Ämter, dass so etwas geschehen kann.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) gibt seine Antwort auf das "Warum???": Die vielen Kindestötungen im Osten seien Ausdruck einer leichtfertigeren Einstellung zu werdendem Leben als Folge der DDR-Abtreibungspolitik. Ihm komme es so vor, als sei Kindstötung für manche Frauen "ein Mittel der Familienplanung". Im Tagesschau-Kommentar heißt es dazu: "Frauen konnten dort (in der DDR) nach 1972 bis zur zwölften Woche ohne Begründung die Schwangerschaft abbrechen."

"Ohne Begründung"? Das ist irreführend und suggeriert, dass sich Frauen "grundlos" für den Schwangerschaftsabbruch entscheiden würden. Hingegen ist der eigentliche Unterschied zu Böhmers Rechtsvorstellungen, dass die Schwangere innerhalb gesetzlicher Frider nicht davon abhängig sein soll, ob ihre Gründe einem Herrn Böhmer oder sonst jemandem gefällig sind.

Jede "Fristenlösung" ist Kompromiss, jede Abtreibung ist eine schwerwiegende Entscheidung. Wenn es Frauen geben sollte, die es sich damit "leicht machen", so wäre es nicht mein Anliegen, es ihnen "schwerer zu machen". Das aber maßen sich einige Leute an, die so tun, als könne oder dürfe man Schwangeren "Wunschkinder verordnen".

Ich befürworte die "Pflicht-Beratung", aber doch bitte in freier Wahl derjenigen, die Beratung brauchen. Und übrigens nicht nur in Fällen von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern auch in den Fällen, in denen die Schwangerschaft fortgesetzt wird, denn den Beratungsbedarf zeigen ja gerade die Kindstötungen auf.

Also, Herr Böhmer, noch einmal neu nachdenken: Ihre Mutmaßung hätte zu DDR-Zeiten schon nicht gestimmt und ist achtzehn Jahre danach noch absurder, denn die Fristenregelung sorgte viel eher für "Wunschkinder" und Kinderfreundlichkeit als die Strafparagraphen "zum Schutz werdenden Lebens" und gegen den Schwangerschaftswillen.

Wenn Sie etwas gegen das Elend von Kindern und gegen Kindestötung tun möchten, dann tun etwas dafür, dass es bessere Schwangerenberatung gibt, bessere Familienhilfen, aber sehen Sie ein, dass wer den Schwangerschaftsabbruch erschwert und kriminalisiert, keinerlei Beitrag gegen Kindestötungen leistet, sondern eher noch provoziert.

-markus rabanus- >> Diskussion

02 Februar 2008

Aufklärung statt Kreuzzug

Ich hatte in einer Diskussion zur "Frauenemanzipation im Islam" angemerkt, dass auch in sehr traditionellen Familien ein liebevoller Umgang vorherrschen kann. Das provozierte Widerspruch. Meinen Widerredner anonoymisiere ich, da seine Zitate dem Kontext entrissen sind, ihn also unzureichend wiedergeben.

ZITAT: Einen "liebevollen Umgang miteinander" gibt es auch in Kaninchenpopulationen, Meskalin-Kommunen und den Familien der Ndrangheta. Sicherlich schön, aber ohne jeden Zusammenhang zu sozialer Emanzipation oder gesellschaftspolitischen Fragen. ZitatENDE

Nicht ganz, denn liebevoller Umgang setzt Wertschätzung voraus, und ohne Wertschätzung laufen in der Praxis auch die ausgefeiltesten Grundrechtskataloge ins Leere.

ZITAT: Als Argument also unbrauchbar, sonst hieße das ja, dass es okay ist, die Söhne zu bevorzugen, solange man den Töchtern die Wange streichelt. ZitatENDE
Für Rechtliches werbe ich ja nun nicht grad selten, aber bei Beschreibung der Situationen, in denen jeder Aufgeklärte praktische Grundrechtsarbeit leisten kann, sollte nicht unterschlagen werden, dass Rechtliches keine alleinseligmachende Größe ist.

Überdies werden wir darin einig sein, dass Grundrechte nichts Absolutes sind, nicht statisch, sondern in permanenter Entwicklung, abhängig von allgmeinerer Akzeptanz, abhängig von Gesetzgebung und Durchsetzung, abhängig vom allgemeinen Wohlstand, also auch davon, inwieweit Frieden herrscht.

ZITAT: Umgangsformen können wohl kaum fehlende Grundrechte kompensieren. ZitatENDE

Für viele Menschen ist es dennoch so. Daran scheitert so manche humanitäre Mission, sobald sie politische Komponenten hat. Mein Vater kam in Indonesien und Äthiopien effektiver und leichter an, wenn er mit nur ärztlicher Tätigkeit unterwegs war und sonstiger Arbeit, die von den Menschen tatsächlich gewünscht und geschützt wurde; in Gesellschaften, die zerrüttet wurden, als sie vom Christentum, Islam oder Kommunismus bekehrt, aufgeklärt bzw. okkupiert wurden, ihre Identität verloren, sich in den globalen Projektionen als "Unterentwickelte" wiederfanden.

Wenn wir Aufgeklärten die Bescheidenheit vermissen lassen, was sich schon amüsant liest, während ich "wir Aufgeklärten" schreibe, dann kann die Aufklärung nur scheitern, denn es ist nun mal so, dass gewachsene Kulturen keine Kinder sind, als unmündig anzusehen und wir ihnen gegenüber erziehungsberechtigt seien. Sonst wäre es Kreuzugsmentalität.

Wenn wir das mühelos Sichtbare ignorieren, dass "unaufgeklärt, aber glücklich" massenhafte Realität ist, dann lügen wir uns in die Tasche. Der Sozialismus war/ist mit seinem Befreiungs- und Klassenkampfwahn ein Beispiel für solche Sackgasse in den reicheren Industrienationen, aber wohl auch in den Elendsregionen, denen er über Krieg hinaus wenig brachte.

Wir diskutieren in einem "Ethik-Forum" - da dürfen Abwägungen prinzipieller Art sein, wenngleich sie den Ruch von Plattitüden haben: Das Menschenglück hat uns insofern über dem Recht zu stehen, wie das Recht dem Menschenglück und nur so der Mensch dem Recht dienen soll.

Ansatzpunkt und Basis dafür ist die gegenseitige Wertschätzung, so schwer sie oft auch fallen mag.

Die Wertschätzung hat zwei Komponenten, von denen die eine ist, dass überhaupt zunächst mal nachgeschaut wird, was das Gute im anderen ist, beispielsweise im Falle der von uns ganz rasch sogenannten "Zwangsehe", aber auch die selbstkritiche Betrachtung als einem Wesensmerkmal aufgeklärten Denkens und nicht etwa als "Relativismus". Nur so entsteht interkultureller Diskurs, an dem gemeinsam Aufklärung gewonnen werden kann.

-markus rabanus-

07 September 2007

Meinen Glaubensbrüdern

Habe ich eigentlich Glaubensbrüder? Wäre ich Christ, Jude, Muslim, Kommunist oder was sonst noch im Kollektivrausch ist, dann wären millionenfach Stimmen zu hören - auf dem Marienfeld, dem Platz des Himmlischen Friedens, an der Klagemauer, in Mekka oder in der Nordkurve, wer dem Fußball noch Glauben schenkt. All diese großen Prozessionen, die Halt im Zusammenhalt geben - gegen die Wirren der Zeit und für die positive Gewissheit in Bezug auf die furchteinflößende Unendlichkeit.

Wer jemals glaubte, kann den Gläubigen ihren Glauben glauben, aber weiß auch um die Ausblendungen, die nur Heuchler leugnen.

Wozu ich rate: Genießt die Gemeinschaft, aber bleibt skeptisch.

-msr-

01 August 2006

Machtwechsel auf Kuba: Fidel Castro gibt vorübergehend Regierungsverantwortung ab

Havanna (Kuba), 01.08.2006 – Staatschef Fidel Castro hat wegen Krankheit die Macht vorübergehend an seinen Bruder Raúl abgegeben. Das berichtete das kubanische Fernsehen gestern Abend. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bestätigte diese Meldung heute Mittag. Danach hat Castro in einem Kommuniqué verlautbart, die Amtsgeschäfte wegen einer Darmoperation vorläufig an seinen Bruder Raúl abgegeben zu haben. Wie es in der Erklärung weiter hieß, sei die Erkrankung Folge von Stress und Überarbeitung. Die vorläufige Ernennung seines Bruders kam nicht überraschend, da dieser als der designierte Nachfolger Fidel Castros gilt. Er ist bereits jetzt Stellvertreter seines Bruders in wichtigen staatlichen und Parteifunktionen.

Es ist das erste Mal seit der Revolution 1959, dass Castro seine Regierungsgeschäfte wegen Krankheit ruhen lässt.

Während die Menschen auf Kuba betroffen reagierten, löste die Nachricht bei vielen Exil-Kubanern in Miami Jubel aus. +wikinews+

  • Kuba
  • 01 September 2005

    Debatte zum Wertewandel

    Moin Timo,

    stimmt: Wat bei uns "Sozialdumping" durch Produktionsverlagerung abverlangt wird, kann für die neuen Produktionsregionen durchaus "soziale Errungenschaft" sein. Solche Verlagerungen werden im Moment weitgehend durch Kapital und Konsum entschieden.

    Dem Kapital mag das gefallen, dem Konsumenten auf Dauer nicht, denn er sägt sich den eigenen Ast ab, wenn seine Konsumbeteiligung von seiner Produktivbeteiligung entkoppelt wird, wie es für die neuen Bundesländer zu beobachten war und die "Dritte Welt" typisch ist.

    Vereinzelt gibt es politische Eingriffe, wie etwa für Textilien. Hochkompliziert und zweifelhaft in Motiven und Wirkung. Auch Subventionen haben solchen Eingriffscharakter gegen den "freien Markt" bzw. "freien Welthandel". - Kann auch ich nicht alles beurteilen. Und ich muss solche Kompetenz auch niemandem vorgaukeln, wozu sich Politiker verpflichtet sehen, während sich das Kapital auf die Schenkel klopft, weil die Politik ihre nationalen Wirkungsgrenzen nicht überwindet.

    Einzelne Entwicklungen versage ich jedoch ganz klar meine Sympathie, wenn etwa ganze Industrieregionen weggeworfen werden und anderenorts neu aufgebaut werden, während es mir darauf angekommen wäre, die vorhandenen Standorte auch im Hinblick auf ihren Warenausstoß zu reformieren.

    Ich bin nun mal nicht mit einer Entwicklung einverstanden, dass die Leute statt 38 Stunden nun 42 Stunden lang Autos produzieren, um sich damit in einem Wettbewerb zu behaupten, in dem anderenorts 60 Stunden lang zum Viertel-Lohn Autos produzieren, wenn mir solche Produkte schon von vornherein nicht zukunftsträchtig sind, weil ihre Wachstumszahlen samt erhöhter Erdölnachfrage schon in der Gegenwart wieder andere Regionen in den wirtschaftlichen Abgrund stürzen.

    Von der Ökologie kaum zu schweigen (statt "ganz zu schweigen").

    Sicherlich wäre es besser, wenn anstelle von 100 Mrd. Autobauerstunden nur die Hälfte der Arbeitszeit und Ressourcen in die Autoproduktion gehen würden und sich die Menschen mehr mit Sex und Schach zu vergnügen wüssten - und sich weniger Elektroschrott in die Wohnstuben kaufen würden, zum Lebensglück weniger Mallorca bräuchten usw. - also "Wertewandel".

    Wer allen Wachstumspropheten entgegen eine "ökologische Konversion" fordert,
    Wer allen Kapitaleffizienzanbetern entgegen eine soziale und demokratische Berücksichtung abfordert,
    also einen "Wertewandel", wird sich zwar wie ein Depp behandeln lassen müssen, aber letztlich werden sich auch die Experten für Finanzmärkte und Wachstum den natürlichen Begrenztheiten anpassen; jedoch wieder nur die nächste Ressource verheizen.

    Mir genügt solch Verhalten nicht. Weder im Hinblick auf die materielle Versorgung der Menschheit. Auch nicht im Hinblick auf mentale Zustände des Einzelnen und damit die politische Entwicklung.

    Jeder kann die Begrenztheiten der gegenwärtigen Konzepte sehen. Und sie sind Gegenstand von Börsenspekulation und Wissenschaftlerheeren.

    Jeder kann auch erkennen, dass die Menschen in den Industrienationen sehr wohl "mit weniger auskommen" könnten, so dass man ihnen keinesfalls z.B. Klimaanlagen einreden müsste, wenn sie ohne auskommen können usw., aber solches Umdenken setzt bislang immer nur im Rahmen der Grenzerreichung ein und nicht im Dreh- und Angelpunkt einer Vernunft, die aus einer Perspektive der Weltgerechtigkeit erkennbarer ist als aus den Wettbewerbsstrategien mit ihren Verdrängungsmomenten, zumal letztere gegen Marktschwächere wirken, während Schwächeres oft gar nicht Schlechteres ist.

    Es gibt viele Details, die man anders gestalten könnte, z.B. Tiertransporte über bestimmte Radien hinaus nur dann, wenn innerhalb eines Radius die Versorgungsgrenzen erreicht sind. Das würde Energie sparen, Monokulturen verhindern usw., vergrößert andererseits wieder die Bürokratie usw., was aber letztlich nicht nur eine Preisfrage sein sollte, sondern auch eine Wertefrage, eine Kulturfrage im weitesten Sinne.

    Es gibt viele Dinge, die also auch im Hinblick auf ihren kulturellen Aspekt von Bedeutung sind, aber wenn sich alle Welt nur mit Preisfragen befasst, darf man sich nicht wundern, wenn für Wertefragen kaum noch vernünftige Antworten gibt. Dann ist es zwangsläufig, dass Leute wie ich nur noch Deppisches von sich geben, denn für "Große Fragen" braucht es tatsächlich immer auch viele Köpfe, was nun nicht das "Genie an sich" leugnen soll, aber seine Deppenrolle entschuldigt, sobald er in Sachen Werte zu anderen Schlüssen kommt.

    Ist solch jemand darin geschickt, wird man ihm zumindest eine Ehrung zukommen lassen, aber Politik wird selten daraus, solange sie den Preisfragen der Wachstumsideologie verschrieben ist.


    Grüße von Sven >> DISKUSSION

    >> Werterelativität, Wertegemeinschaft, Ideale

    20 August 2005

    Der Papst und die Synagoge

    Ich freue mich darüber, dass die Jüdische Gemeinde Köln den Papst in ihre Synagoge einlud und der Papst die Einladung annahm.
    Mit solcher Geste wurden einzelne Vertreter zweier Religionen ihrer und allgemeinen Verpflichtung zu einem Bekenntnis friedlicher Gemeinsamkeit gerecht. Es darf und soll kein Einzelfall bleiben, denn es ist aus der Geschichte viel wiedergutzumachen. Aber es soll damit nicht kleingeredet sein, denn es ist von großer Bedeutung, wenn das Oberhaupt der weltgrößten Glaubensgemeinschaft diesen Schritt tat. Und ERSTMALS seit zweitausend Jahren (in friedlicher Weise).
    Trotzdem folgende Anmerkung, obwohl gerade ich eigentlich froh bin, wenn mehr Unbefangenheit zwischen den Religionen wäre, aber Synagogen, Kirchen, Moscheen und Tempel sind immerhin Häuser für jeweils eine definierte Gottesvorstellung. Damit solche Auftritte der einen Religion in Gotteshäusern der anderen Religion weniger Probleme aufwerfen, braucht es Zurückhaltung oder Enthaltung mit der Werbung für eigene Religion.
    Dem Papst gelang das m.E., indem er auf die historischen Gemeinsamkeiten fokussierte und auf die gemeinsamen Pflichten als Schlussfolgerung aus den politischen Katastrophen der ebenfalls gemeinsamen Geschichte.

    -msr- >> DISKUSSION